Mord "ineffizient" untersucht Russland im Fall Nemzow zu Geldstrafe verurteilt
11.07.2023, 14:57 Uhr Artikel anhören
Blumen und eine Information über Boris Nemzow liegen auf der Brücke in Kreml-Nähe, auf der der Oppositionelle 2015 erschossen worden war.
(Foto: picture alliance/dpa)
Im Februar 2015 wird der russische Oppositionelle Boris Nemzow auf offener Straße erschossen. Nun soll Russland seiner Tochter eine Entschädigung in Höhe von 20.000 Euro zahlen. Die Behörden hätten den Mordanschlag nicht ausreichend untersucht, urteilt der Menschenrechtsgerichtshof.
Die russische Justiz hat die mögliche Beteiligung staatlicher Stellen am Mordanschlag auf den Oppositionspolitiker Boris Nemzow 2015 in der Nähe des Kremls in Moskau nach einem Urteil des Straßburger Menschenrechtsgerichts nicht ausreichend untersucht. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verurteilte Russland deshalb zu einer Entschädigung in Höhe von 20.000 Euro für die Tochter des Politikers, Schanna Nemzowa.
Hinweisen auf ein mögliches politisches Motiv seien die Ermittler nicht nachgegangen, urteilten die Richter. "Die russischen Behörden haben nicht hinreichend die Identität derjenigen ermittelt, die den Mord organisiert und in Auftrag gegeben haben", heißt es in der Urteilsbegründung. "Grundsätzlich waren die Ermittlungen ineffizient", lautet das Fazit. Der 55-jährige Nemzow war am 27. Februar 2015 auf offener Straße aus nächster Nähe erschossen worden, als er mit seiner Freundin über eine Brücke in Sichtweite des Kremls ging.
Kadyrow und Kreml selbst hinter Tat vermutet
Der ehemalige Vize-Ministerpräsident unter Präsident Boris Jelzin war mit seiner Oppositionsbewegung Parnas einer der prominentesten Widersacher von Staatschef Wladimir Putin. Putin hatte damals eine umfassende Aufklärung des Mordes angekündigt. Fünf Tschetschenen wurden 2017 wegen ihrer Beteiligung an dem Mord zu Haftstrafen zwischen elf und 20 Jahren verurteilt. Während des Prozesses bestritten sie die Vorwürfe und erklärten, die Tat unter Folter gestanden zu haben.
Nemzows Angehörige und Unterstützer vermuten, dass der Mord von höchster Stelle geplant wurde und verlangen, dass die Auftraggeber vor Gericht gestellt werden. Sie gehen davon aus, dass der Moskau-treue Tschetschenenpräsident Ramsan Kadyrow und der Kreml selbst hinter der Tat stecken. Russland ist seit September 2022 formell keine Vertragspartei der Europäischen Menschenrechtskonvention mehr. Der Europarat hatte das Land wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine ausgeschlossen. Am Tag des Austritts waren aber mehr als 17.000 Klagen gegen Russland anhängig, die noch abgearbeitet werden. Theoretisch ist Russland gebunden, die Urteile auch umzusetzen.
Anfang Juni hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Russland bereits wegen mangelhafter Ermittlungen nach der Vergiftung des Oppositionsführers Alexej Nawalny verurteilt. Die russischen Behörden hätten es versäumt, "Hinweisen auf ein mögliches politisches Motiv hinter dem Mordversuch" nachzugehen, hieß es in der Begründung.
Quelle: ntv.de, lar/AFP