Kommentare

Cannabis legal, Verkauf nicht Das Ampelgesetz ist ein Geschenk an den Schwarzmarkt

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Cannabislegal.JPG

Die bisherige Verbotspolitik war unverhältnismäßig und wirkungslos. Cannabis zu legalisieren, ohne aber den Erwerb zu ermöglichen, ist ebenfalls falsch: Die Regierungsfraktionen entziehen den Cannabishandel der wenigen verbliebenen Kontrolle und bewirken das Gegenteil des behaupteten Jugendschutzes.

Die Ampelparteien wollen die Legalisierung von Cannabis heute im Bundestag verabschieden, wenn nicht die Skeptiker in der SPD-Fraktion das Gesetz doch noch zu Fall bringen. Die Union lehnt die Freigabe dieses Rauschmittels entschieden ab. Doch wer die Legalisierung rundweg ablehnt, sollte eine plausible Alternative zum Status quo anbieten.

Das bisherige Sanktionsregime ist gescheitert: Millionen sonst unbescholtener Staatsbürger leben unter ständiger, völlig unverhältnismäßiger Strafandrohung, während die ohnehin ausgelastete Polizei und Justiz sinnlos mit Kleinstdelikten beschäftigt werden. Marihuana-Produkte sind im ganzen Land leicht und billig zu erwerben - und oftmals gesundheitsgefährdend verunreinigt. Die organisierte Kriminalität verdient mit; auch an Kindern und Jugendlichen, die allzu leicht mit der Droge in Kontakt kommen. Dabei ist Cannabis für Heranwachsende potenziell besonders schädlich. Es braucht tatsächlich eine andere Drogenpolitik, doch die Ampelregierung hat sich in ein gefährliches Gesetz verrannt.

Das Gesetz zur Cannabislegalisierung verfehlt absehbar zwei zentrale Ziele, mit denen Ampelvertreter wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach werben: den Kinder- und Jugendschutz zu verbessern und den Schwarzmarkt einzudämmen. Das ist einer grundsätzlichen Fehlkonstruktion geschuldet. Wegen des geltenden EU-Rechts sind die ursprünglich im Koalitionsvertrag vereinbarten lizenzierten Abgabestellen nicht machbar. Niemand wird in Deutschland legal Cannabis kaufen können. Wer künftig kiffen möchte, ohne gegen das Gesetz zu verstoßen, hat exakt folgende Möglichkeiten: erstens in der eigenen Wohnung Cannabis anzubauen, zweitens einem Anbauverein beizutreten und dort aktiv mitzuwirken, drittens vom Joint eines Bekannten zu ziehen, der sein Gras aus einer dieser Quellen bezieht, es aber nicht weitergeben darf. Die ersten beiden Optionen mögen für regelmäßige Konsumenten gangbar sein. Die meisten Marihuana-Nutzer in Deutschland konsumieren aber nur gelegentlich.

Es droht Kontrollverlust

Ihnen bietet sich durch das Gesetz absehbar die Option eines mehr denn je blühenden Schwarzmarktes. Angesichts der hohen erlaubten Besitzmengen, dem erlaubten Eigenanbau und dem legalen Konsum außerhalb bestimmter Schutzbereiche (Fußgängerzonen, Umkreis von Schulen und Spielplätzen) gibt es schlagartig kaum noch eine polizeiliche Handhabe gegen Dealer. Davor warnt auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter, der eine Entkriminalisierung von Konsumenten grundsätzlich befürwortet. Das Risiko für kriminelle Cannabis-Unternehmer sinkt mit dem Legalisierungsgesetz drastisch; die Preise dürften fallen und das Angebot steigen - auch und gerade für unter 18-Jährige.

Zumal die Regulierung der Anbauvereine löchrig ist: Es ist für eine Aufsichtsbehörde schlicht unmöglich, im Nachhinein zu überprüfen, wie viele Blüten eine einzelne geerntete Pflanze in Gramm abgeworfen hat. Vom zweistelligen Grammbereich bis zu einem ganzen Kilo Marihuana ist alles drin. Die Aufsicht kann lediglich die formale Einhaltung von Protokollierungsregeln oder die Benennung eines qualifizierten Präventionsbeauftragten überprüfen. Die Auflagen der Anbauvereine sind aufwendig für jene, die alles korrekt machen wollen, aber leicht zu umgehen für alle, die in betrügerischer Absicht Cannabis anbauen.

Schnaps wäre das richtige Vorbild

Mehr zum Thema

Die Missbrauchsanfälligkeit gilt auch für die Begrenzung des privaten Anbaus auf drei Pflanzen, so reizvoll es für Cannabis-Freunde klingen mag, sich ein Pflänzchen daheim zu ziehen und zu ernten. Mehr Kontrolle würde hergestellt über ausschließlich lizenzierte Produktions- und Abgabestellen und eine konsequente Strafverfolgung aller anderen Anbau- und Vertriebswege. Es wäre ein vergleichbarer Umgang wie mit Schnaps, der auch nicht privat destilliert werden darf.

Die aufgezählten Schwachstellen des Gesetzes - und es gibt noch mehr - mögen nicht zu einer Cannabis-Schwemme führen und der organisierten Kriminalität einen Milliardenmarkt öffnen. Aber sie verbessern weder den Jugendschutz noch drängen sie Drogenkriminalität zurück. Das ist nicht nur gefährlich, sondern untergräbt zudem die Akzeptanz der grundsätzlich sinnvollen Cannabislegalisierung in der Bevölkerung. Die Fürsprecher des Gesetzes verweisen darauf, dass die Auswirkungen der Legalisierungen evaluiert werden sollen. Steigt der Jugendkonsum, kommt das Gesetz also wieder auf den Prüfstand, so will es der Ampel-interne Kompromiss. Das passt gut zur Tatsache, dass das ganze Gesetz ein einziger Kompromiss zwischen ursprünglicher Absicht und dem rechtlich Machbaren ist - ein denkbar schlechter Kompromiss.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen