Zentrales Ampel-Vorhaben wankt Ohne Klimageld kann sich das Klima gehackt legen


Lindner verzichtet auf das Klimageld und Habeck macht ihm keinen Druck.
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Ob die Ampel in der laufenden Legislaturperiode das geplante Klimageld einführt, steht in den Sternen. Dabei handelt es sich um das zentrale Vorhaben der Koalition für sozial gerechteren Klimaschutz. Mit ihrer Uneinigkeit erweist die Ampel dem Klimaschutz einen Bärendienst.
Die Mitglieder der Ampel-Koalition halten sich im Ringen mit der öffentlichen Meinung gern zugute, wie umfangreich ihr Koalitionsvertrag ist und wie viele dieser Vorhaben bereits umgesetzt oder angegangen seien. Das ist nicht falsch, doch ein zentrales Projekt hängt noch immer in der Schwebe: die Einführung des vor zweieinhalb Jahren vereinbarten Klimagelds. Umwelt- und Sozialverbände sind empört - und das zurecht. Sollte sie sich nicht bald einigen, vergibt die Ampel leichtfertig ihre letzte Chance darauf, dem Klimaschutz rechtzeitig vor der nächsten Bundestagswahl zu mehr Akzeptanz zu verhelfen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nannte die Idee hinter dem Klimageld "bestechend", als er am Mittwoch im Bundestag danach gefragt wurde, bestritt aber die Verbindlichkeit des Koalitionsvertrags in dieser Frage. Die Idee hinter dem Klimageld: Der Staat gibt einen relevanten Teil der Einnahmen aus der nationalen und europäischen CO2-Besteuerung in Form von Direktzahlungen an alle Menschen im Land weiter. Wenn alle den gleichen Fixbetrag erhalten, werden die absehbaren Preissteigerungen für Strom und Wärme ein Stück weit kompensiert, insbesondere für diejenigen, die wenig verbrauchen.
So profitieren hauptsächlich Menschen, die wegen ihres geringen Einkommens wenig konsumieren. In absoluten Zahlen sind sie zwar weniger stark betroffen von Energiepreissteigerungen, in Relation zu ihrem Einkommen treffen sie steigende Spritpreise und das teurere Heizen umso mehr. Wer dagegen beim Konsum, beim Reisen, beim Heizen und privaten Strom viel verbraucht, wird durch das Klimageld ungleich weniger entlastet. So entsteht ein Anreiz zum Energiesparen. Zugleich finanzieren die Wohlhabenderen das Klimageld der anderen sowie die Energiewende für alle.
Über allem schwebt die Schuldenbremse
Dennoch hatte die Einrichtung eines entsprechenden Auszahlungsmechanismus für Bundesfinanzminister Christian Lindner jahrelang keinerlei Priorität. Der Staat kann das bis heute nicht. Im Jahr 2025 soll es so weit sein. Dann droht aber das Geld hierfür nicht da zu sein. Nach dem Schuldenbremsenurteil aus Karlsruhe ist der Klima- und Transformationsfonds (KTF), in den die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung fließen, praktisch leer. Die Ampel musste aus dem KTF finanzierte Vorhaben zusammenstreichen, aufschieben, kürzen oder ganz aufgeben. Reicht sie nun CO2-Preiseinnahmen an die Bürgerinnen und Bürger weiter, fehlt das Geld zur Umsetzung der Energiewende, aber auch für Infrastrukturmaßnahmen und die Ansiedlung von Zukunftsindustrien.
Das Dilemma ist nachvollziehbar, resultiert aber aus der grundsätzlichen Uneinigkeit in der Regierung, wie unter Einhaltung der Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form die vielen notwendigen Klimainvestitionen gestemmt werden sollen. Aus dieser Uneinigkeit mit der FDP erklärt sich auch, warum der grüne Vize-Kanzler Habeck bisher öffentlich keinen Druck gemacht hat in dieser Frage. Auch in der SPD, deren Kanzler keinesfalls mit der FDP über die Schuldenbremse streiten mag, hat man im Zweifel andere Prioritäten. Der Verzicht aufs Klimageld ist schlicht der billigste Weg zur Umgehung dieses über allem schwebenden Streitthemas. Doch er kommt die Regierung teuer zu stehen. Nicht nur die wachsenden Zustimmungsraten zur AfD zeigen, wie sehr in der Breite der Gesellschaft die Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen sinkt.
Es droht die Rückabwicklung
Die Klimaschutzpolitik der Ampel ist in ihrer bisherigen Form schlicht unsozial - und widersinnig. Einerseits schraubt sie die Preise über CO2-Bepreisung hoch, um fossile Energien auszubremsen. Andererseits streicht sie die EEG-Umlage oder hebt Milliarden-teure Subventionen wie die Energiepreis- und Benzinpreisbremse aus der Taufe, und auch der CO2-Preispfad war zwischenzeitlich ausgesetzt. Solche Maßnahmen haben keinerlei Lenkungswirkung und helfen vor allem denjenigen, die viel verbrauchen.
Sozial gerecht wäre es dagegen, ausschließlich einen Sockelverbrauch erschwinglich zu halten - gerade für diejenigen, die nicht von heute auf morgen auf ein Elektroauto wechseln oder eine Solaranlage installieren können. Alle anderen sollten sich solche Maßnahmen überlegen oder ihren Verbrauch einschränken. Auch darüber wird kaum jemand "Hurra!" schreien, doch zumindest würden über das Klimageld die Lasten der Energiewende vor allem den starken Schultern auferlegt. Ohne dieses Mindestmaß an Klimagerechtigkeit droht dagegen mittelfristig sogar eine Rückabwicklung der nicht wenigen Erfolge im Klimaschutz. Dann nämlich, wenn dessen notorische Gegner das Ruder übernehmen.
Quelle: ntv.de