Person der Woche

Person der Woche: Nancy Faeser Täglich kommen 700 neue Asylsuchende

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Seit Jahresbeginn sind schon wieder mehr als 100.000 neue Asylsuchende nach Deutschland gekommen - und über den Sommer steigen die Zahlen saisonal normalerweise weiter an. Doch die Bundesregierung kann auch erste Erfolge der Grenzsicherung vermelden. Hat Faeser die Trendwende eingeleitet?

Die neuen Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sind da: Danach kommen derzeit rechnerisch 700 neue Asylsuchende pro Tag nach Deutschland. Von Anfang Januar bis Ende April 2024 zählte das BAMF genau 84.984 Erstanträge. Im Mai wird die Zahl von 100.000 neuen Asylsuchenden wohl überschritten. Die größte Gruppe ist mit 26.193 aus Syrien gekommen, gefolgt von 13.011 Afghanen, 11.789 Türken sowie 3685 Irakern. Auffällig sind die vielen Kleinkinder, die neuerdings mitkommen: Seit Jahresanfang waren 11.563 Asyl-Erstanträge von Kindern unter 4 Jahren. 71,6 Prozent der Neu-Ankömmlinge waren jünger als 30 Jahre, 35,1 Prozent waren sogar minderjährig. Mehr als zwei Drittel der Asylsuchenden (68,5 Prozent) sind männlich.

Mitte April besichtigte Bundesinnenministerin Faeser in Bulgarien die EU-Außengrenze.

Mitte April besichtigte Bundesinnenministerin Faeser in Bulgarien die EU-Außengrenze.

(Foto: picture alliance/dpa)

Im politischen Berlin gehen nun die Debatten um die Interpretation der Zahlen auseinander. Der weiterhin große Zustrom von Flüchtlingen aus muslimisch geprägten Ländern des Nahen Osten ist im Wahlkampf der anstehenden Europawahlen ein zentrales Thema. Die Parteien der politischen Ränder, vor allem AfD und Bündnis Sahra Wagenknecht, brandmarken die Situation als weiterhin "außer Kontrolle" - die AfD fordert seit einiger Zeit, das "Asylparadies Deutschland schließen", Wagenknecht meint seit Monaten: "Deutschland ist überfordert, Deutschland hat keinen Platz mehr, Deutschland ist nicht länger bereit, Destination Nummer eins zu sein." Auch die Union verlangt eine deutliche Reduzierung der ungeordneten Zuwanderung. CDU-Fraktionsvize Jens Spahn hat eine "mehrjährige Migrationspause von irregulärer Migration" ins Spiel gebracht und auf die 3,8 Millionen Asylantragsteller in den vergangenen zehn Jahren verwiesen. Die CDU hat gerade erst in ihrem neuen Grundsatzprogramm eine migrationspolitische Wende eingefordert, bis hin zu Asylverfahren in sicheren Drittstaaten.

Die Grenzkontrollen wirken

Aus der Regierung ist hingegen zu hören, dass man "behutsam" vorankomme, die wilde Zuwanderung "zusehends ordne" und die Zahlen "langsam sinken". Tatsächlich sind die 84.984 Erstanträge im Vergleich zum Vorjahr ein leichter Rückgang. Von Januar bis April 2023 wurden 101.981 Erstanträge gestellt; dies bedeutet für dieses Jahr eine Abnahme der Antragszahlen um 16,7 Prozent. Auch im April lagen die Erstanträge mit 17.500 im Vergleich zum Vorjahr (April 2023: 19.629 Personen) um 10,8 Prozent niedriger.

Einer der Gründe für die fallenden Zahlen sind die verstärkten Kontrollen an Deutschlands Grenzen. Um Schleuserkriminalität zu bekämpfen, hat das Bundesinnenministerium seit dem 16. Oktober 2023 Kontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien sowie Österreich und der Schweiz verfügt. Diese gelten noch bis einschließlich 15. Juni - also bis zum Beginn der Fußball-Europameisterschaft. Besonders stark sank die Zahl der Asylgesuche an der polnisch-deutschen Grenze, von 2268 Fällen im vergangenen Jahr auf nun 450. An der deutsch-tschechischen Grenze fielen die Werte um mehr als die Hälfte. Die neuen Grenzkontrollen führen auch zu mehr Fahndungstreffern und vollstreckten Haftbefehlen bei der Schleuserkriminalität. Waren es im ersten Quartal 2023 noch 1414 Zugriffe an den Grenzen, stieg die Zahl in diesem Jahr auf 2474.

CDU: Zurückweisungen ausweiten

Angesichts der Zahlen lobt die CDU den Kurswechsel der Regierung: "Wir haben ein Stück weit wieder die Kontrolle an unseren Grenzen zurückgewonnen", urteilt der CDU-Innenexperte Christoph de Vries in der "Welt". Der Union gehen allerdings die Grenzschutzmaßnahmen nicht weit genug: Es müssten an der Grenze auch alle Personen zurückgewiesen werden, die in einem anderen EU-Staat bereits einen Asylantrag gestellt haben: "Damit könnte die Sekundärmigration in der EU weitgehend gestoppt werden", so de Vries.

Die Parteiführungen von SPD und Grünen lehnen das bislang ab. Sie hatten lange Widerstand geleistet, überhaupt Grenzkontrollen zu veranlassen. Nun aber hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser bei einem Besuch am deutsch-tschechischen Kontrollzentrum Waidhaus den Erfolg der neuen Grenzschutzpolitik betont: "Sie sehen hier, wie stark wir handeln: gegen die brutale und furchtbare Schleuserkriminalität, aber auch um irreguläre Migration zu begrenzen", sagte die Sozialdemokratin. Faeser kündigte zugleich an, dass die Kontrollen auch über die Fußball-EM hinaus verlängert würden.

Kommt die Drittstaaten-Lösung?

Faeser setzt sich damit insbesondere von den Grünen ab, die eine baldige Aufhebung der Grenzkontrollen fordern. Sie verteidigt offensiv auch die neue EU-Asylreform mit einem starken Schutz der EU-Außengrenzen. Diese wird von den Grünen im Europaparlament, allen voran Terry Reintke, abgelehnt. Reintke ist bei der anstehenden Europawahl Spitzenkandidatin für die deutschen und die europäischen Grünen.

Nach dem neuen EU-System muss jeder Migrant künftig an den Außengrenzen strikt kontrolliert und registriert werden. Faeser lobt die neue Regelung: "Wer nur geringe Aussicht auf Schutz in der EU hat, wird ein rechtsstaatliches Asylverfahren an den Außengrenzen durchlaufen und im Fall einer Ablehnung von dort zurückkehren müssen. Nur so können wir weiterhin die Menschen schützen, deren Leben von Krieg und Terror bedroht ist." Den Grünen sind aber die Außengrenzlager, in denen die Menschen- einschließlich Familien - während der geplanten Schnellprüfverfahren auf unbestimmte Zeit kaserniert werden sollen, höchst suspekt.

Die Innenministerin könnte damit eine Asylwende Deutschlands mit eingeleitet haben, auch wenn die Zahlen bislang erst eine leichte Entspannung zeigen. Faeser verblüfft derzeit ihre eigenen Koalitionspartner und lässt sogar ernsthaft prüfen, ob Asylverfahren in Drittstaaten verlegt werden können - wie bei den Verfahrensmodellen Albanien (Italien) oder Ruanda (Großbritannien). Bis zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 20. Juni soll über die "bis dahin vorliegenden Ergebnisse" berichtet werden. Während die Grünen derartiges vehement ablehnen, ist die FDP dafür. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagt: "Ich hielte es für richtig, wenn wir darüber nachdenken, Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb Europas durchzuführen."

Quelle: ntv.de

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