Mehr tatverdächtige Ausländer Darum sind die Zahlen so hoch und so könnten sie wieder sinken


Irritierend an der neuen polizieilichen Kriminalstatistik ist der Anstieg bei den ausländischen Tatverdächtigen. Dafür gibt es einige Gründe.
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Die neue polizeiliche Kriminalstatistik irritiert mit einem deutlichen Anstieg ausländischer Tatverdächtiger. Schaut man genauer hin, zeigt sich, dass die Lage nicht so schlimm ist, wie sie auf den ersten Blick erscheint. Aber die Probleme lösen sich auch nicht in Wohlgefallen auf.
In der neuen polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) irritieren vor allem die Zahlen zur Ausländerkriminalität. Um eindrückliche 17,8 Prozent stieg die Zahl der nicht-deutschen Tatverdächtigen auf gut 920.000 an. Der Anstieg ist zwar weniger dramatisch, wenn man die Straftaten herausrechnet, die nur Ausländer begehen können, beispielsweise illegale Einreise oder Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht. Der Zuwachs ist aber auch dann noch zweistellig und beträgt 13,5 Prozent. Die Gesamtzahl der Straftaten wuchs ebenfalls, um 4,4 Prozent ohne besagte Taten, die mit Einreise und Aufenthalt zu tun haben. Solche Zahlen legen den Verdacht nahe, dass hier etwas entgleitet, dass Ausländer in Deutschland deutlich krimineller geworden sind.
Doch stimmt das wirklich? Schaut man sich die PKS genauer an, gibt es einige Einschränkungen, die das Bild etwas weniger dramatisch erscheinen lassen. Trotzdem lösen sich die Daten auch bei seriöser Einordnung keineswegs in Wohlgefallen auf. Sie zeigen zugleich, wo man ansetzen kann, um die Zahlen wieder herunterzubekommen.
Zunächst einmal zur Einordnung: Die Zahl von gut 5,6 Millionen angezeigter Straftaten ist keineswegs ein neuer Höchststand. In den vergangenen 30 Jahren schwankte diese Zahl immer wieder, meist war sie deutlich höher - und das bei einer niedrigeren Gesamtbevölkerung als heute. Ein Ausnahmezustand herrscht also keineswegs. Vor diesem Hintergrund dürfte SPD-Politikerin Faeser recht gehabt haben, als sie sagte, Deutschland sei noch immer eines der sichersten Länder der Welt.
Drei Gründe für den Anstieg
Ein wichtiger Grund für den Gesamtanstieg ist, dass auch Kriminelle nach der Pandemie zur Normalität zurückkehrten. Das gilt für deutsche und ausländische Straftäter gleichermaßen. Das vergangene Jahr sei das erste seit der Pandemie gewesen, in dem es keine einschränkenden Maßnahmen mehr gegeben habe, so BKA-Präsident Holger Münch bei der Vorstellung der PKS in Berlin. Daher müsse man die Zahlen mit 2019 vergleichen, also dem letzten Jahr vor dem Corona-Ausbruch.
So gesehen ist beispielsweise der dokumentierte Anstieg bei den Wohnungseinbrüchen nicht so alarmierend, weil er noch unter den Zahlen von 2019 liegt, wie Münch erläuterte. Demgegenüber gebe es aber Anstiege bei Gewaltkriminalität und Ladendiebstahl, die über eine "Normalisierung" nach der Pandemie hinausgehen. Und auch die Gesamtzahl der Straftaten lasse sich nicht ausschließlich damit erklären, wie Münch sagte.
Dafür benannte das BKA zwei weitere Faktoren: Wirtschaftliche und soziale Belastungen sowie Migration. Erstere haben mit der Inflation zu tun und besonders bei Kindern und Jugendlichen auch mit psychischen Folgen infolge der Corona-Maßnahmen. "Je mehr Menschen wirtschaftlichen Druck wahrnehmen, desto höher sind auch die Zahlen und Tatverdächtigenzahlen", sagte Münch.
Die wachsende Zuwanderung ist dem BKA zufolge ebenfalls mitverantwortlich für den deutlichen Anstieg der nicht-deutschen Tatverdächtigen um 13,5 Prozent. "Nimmt die Zahl der nicht-deutschen Bevölkerung zu, nimmt auch die Zahl der nicht-deutschen Tatverdächtigen zu", erläuterte der BKA-Präsident. Doch das ist nicht alles. Es ist tatsächlich so, dass die Zugwanderten häufiger straffällig werden als die Einheimischen. Auch das ist ohne Schaum vorm Mund erklärbar.
So gibt es Faktoren, die kriminelles Verhalten wahrscheinlicher machen und die treffen auf Ausländer und besonders die jüngst Zugewanderten verstärkt zu. Alter und Geschlecht zum Beispiel. So gelten junge Männer als eher bereit, Normen zu verletzen und kriminell zu werden. Weitere Faktoren sind der Wohnort, Bildung, soziale Lage, sprich: Armut, und auch Dinge wie Gewalterfahrung im Heimatland.
Wenn man nun bedenkt, dass in den vergangenen Jahren viele junge Männer nach Deutschland eingereist sind und auch eher wenig Geld in der Tasche haben und in Großstädten leben, treffen diese Faktoren schon zu. Davon sei auszugehen, heißt es vom BKA, das zudem auf die Lebenssituationen in Erstaufnahmeeinrichtungen verwies, wo es unter den jungen Männern häufiger als anderswo zu Schlägereien kommt. Münch betonte dabei, dass sich die Kriminalität vielfach zwischen Ausländern abspielt. Auch die Zahl der ausländischen Opfer schnellte in die Höhe.
Ukrainer weniger kriminell, Nordafrikaner mehr
Dass beispielsweise die nach Deutschland geflohenen Ukrainer unterdurchschnittlich kriminell sind, lässt sich ebenfalls so erklären. Laut Münch sind 60 Prozent von ihnen Frauen, die meist nicht in Erstaufnahmeeinrichtungen leben und durch den direkten Bürgergeldbezug auch mehr Geld bekommen als Asylbewerber. So schlagen drei Risikofaktoren weitaus weniger durch. Überdurchschnittlich kriminell seien dagegen Männer aus Nordafrika, nicht aber Menschen aus Syrien und Afghanistan, so Münch.
Dabei ist zu beachten, dass in der PKS alle ausländischen Tatverdächtigen aufgeführt werden, also auch Touristen, Reisende, Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis und andere. Wie viele das genau sind, geht aber aus der Statistik nicht hervor. Dabei handele es sich um einen Verzerrungseffekt, sagte Münch. Die Tendenz im Anstieg dürfte dadurch aber nicht infrage gestellt werden.
Wenn nun aber die Faktoren bekannt sind, die zu mehr Kriminalität führen, sind auch die Stellschrauben bekannt: Integration, Bildung und Begrenzung oder Steuerung der Zuwanderung sowie das Ausweisen von Menschen ohne Bleibeperspektive. Auch der Rückgang der Inflation und ein Aufschwung der Wirtschaft dürften hilfreich sein. Je nach politischer Couleur wird man diese Instrumente unterschiedlich gewichten. Schon jetzt gibt es Versuche, die illegale Zuwanderung zu begrenzen, Stichwort Grenzkontrollen oder auch der Plan auf EU-Ebene, künftig an den EU-Außengrenzen über Asyl zu entscheiden.
Andererseits gibt es wegen des Fachkräftemangels einen Bedarf an Zuwanderung. Die Regierung versucht daher, mit dem neuen Einwanderungsrecht und Punktesystem die Migration zu steuern. Beruflich Qualifizierte sollen es leichter haben, nach Deutschland zu kommen als Menschen mit geringer Bildung, die kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Ein Thema können dabei auch Arbeitserlaubnisse für Asylbewerber oder Fortbildungen sein. Allerdings wurden die entsprechenden Regelungen bereits gelockert, das Problem ist oft eher die fehlende Ausbildung. Es gibt also einen Instrumentenkasten, doch klar ist auch: Egal, was man tut - es wird teuer, es dauert lange und auf Knopfdruck wird es keine Besserung geben.
Quelle: ntv.de