16-Jähriger besiegt sein Idol Boris Becker des Darts? Luke Littler verzückt die WM
31.12.2023, 07:30 Uhr
Applaus von seinem Idol: Luke Littler ist auch für Raymond van Barneveld zu stark.
(Foto: picture alliance / Action Plus)
Das Darts-Märchen von Luke Littler hört einfach nicht auf. Der 16 Jahre junge Ausnahmespieler aus England steht nach dem Sieg über Raymond van Barneveld im WM-Viertelfinale. Littlers Siegeszug wird bereits mit Wimbledon 1985 verglichen.
Luke Littler ist gerade mal drei Jahre alt, da sind Dartpfeile bereits sein liebstes Spielzeug. Und ein Idol hat er zu diesem Zeitpunkt auch schon. Auf einem pixeligen Handyvideo seiner Mutter sieht man den Nachwuchs-Darter, wie er die ikonische Jubelpose von Raymond van Barneveld nachahmt. An diesem Samstagabend durfte sich der mittlerweile 16-jährige Littler im pickepackevollen Londoner Alexandra Palace zum ersten Mal mit seinem 40 Jahre älteren Idol messen.
Herausgekommen ist ein Spiel für die Geschichtsbücher. Luke Littler besiegt Raymond van Barneveld nach einem überzeugenden Auftritt klar mit 4:1. Die 3.000 Fans in der Darts-Hochburg sind vom Auftritt des Mega-Talents beseelt, singen vom "Littler Wonderland", in das sie am letzten Darts-Abend des Jahres im "Ally Pally" eingetreten sind.
Der Dartsport hat schon viele Kuriositäten und Absurditäten erlebt. Ein 16-Jähriger, der sich für die WM nicht nur qualifiziert, sondern durch das Turnier marschiert, das ist aber selbst für den Pfeilesport ein Novum. Littler darf wegen der Altersgrenze zum ersten Mal bei den großen Jungs der Profidarts-Organisation PDC mitspielen und steht direkt im WM-Viertelfinale. Spiel für Spiel fügt der Teenager seinem Darts-Märchen ein neues Kapitel hinzu.
Littlers Leben besteht aus Xbox und Darts
Kaum zu glauben. Auch nicht für Littlers Familie im Zuschauerbereich. Mutter, Vater, Oma, Schwester und viele weitere Familienmitglieder und Freunde - sie alle herzten ihren Luke innig nach dem Spiel. Sein Vater begleitete ihn im Anschluss zu den Medienterminen, kämpfte hinter den Kulissen mit den Freudentränen.
Was macht Luke Littler abseits des Dartsports, wollte ein BBC-Reporter auf der Pressekonferenz wissen. "Ich stehe auf, zocke Xbox, dann gehe ich ans Dartboard. Das Haus verlasse ich nicht", antwortete Littler so monoton, wie er auch auf jede sportliche Frage antwortet. Die Professionalität des 16-Jährigen ist beeindruckend.
Sein Idol "Barney" hatte ihm nach dem Spiel ein paar Worte mit auf den Weg gegeben. "Er sagte zu mir: 'Du kannst den ganzen Weg gehen, ich hoffe, Du kannst den ganzen Weg gehen'. Er ist ein wahrer Gentleman und ich respektiere Raymond sehr", fügte Littler hinzu, der vor sechs Monaten seinen mittleren Schulabschluss absolviert hat und sich seitdem noch mehr auf Xbox und Darts konzentrieren kann.
Für Altmeister Raymond van Barneveld ist das 16-jährige Riesentalent an diesem Abend eine Nummer zu groß gewesen. Die Reaktion der niederländischen Darts-Legende sprach Bände: Kein Fatalismus, eine halbwegs positive Körpersprache trotz Niederlage, was für "Barney" untypisch ist. Die Haltung unterstrich, dass er sich kaum etwas vorzuwerfen hatte und Littler einfach nicht zu besiegen war.
Humphries schafft nächstes Comeback
Luke Humphries, nach drei großen Turniersiegen in eineinhalb Monaten als Turnierfavorit gestartet, hat es ebenfalls ins Viertelfinale geschafft. Im englischen Duell mit Joe Cullen setzt sich "Cool Hand Luke" in einem der umkämpftesten Spiele der WM-Geschichte im "Sudden-Death-Leg" durch. Dazu kommt es, wenn es im Entscheidungssatz 5:5 in den Legs steht.
Cullen hatte den Vorteil, im letzten Durchgang als erster werfen zu dürfen, Humphries gewann aber trotzdem, verwandelte seinen zehnten (!) Matchdart auf der Doppel 10. Zuvor hatte Cullen zwei Chancen zum Überraschungssieg gegen den Weltranglistendritten ausgelassen.
"Dafür habe ich keine Worte", sagte Humphries nach dem Marathon-Match. "Ich denke, das war eines der besten Spiele, an denen ich je beteiligt war. Es tut mir so leid für Joe, denn er war fantastisch. Manchmal gibt es im Sport keinen verdienten Verlierer."
Humphries hatte schon in der dritten Runde gegen den Deutschen Ricardo Pietreczko einen Rückstand umgebogen. "Ich gebe nie auf und habe wieder einen Weg gefunden, das Spiel zu gewinnen", kommentierte der Engländer, der im Viertelfinale am Neujahrsabend auf Landsmann Dave Chisnall trifft.
Ex-Champion Gary Anderson raus
Das Comeback nicht vollendet hat dagegen Gary Anderson. Der Weltmeister von 2015 und 2016 unterlag im ersten Spiel der Abendsession völlig überraschend mit 3:4 gegen Brendan Dolan. Nach einem ganz schwachen Start lag Anderson schnell mit 0:2-Sätzen in Rückstand. Und auch im dritten Durchgang hatte Dolan, der in der dritten Runde genauso unerwartet gegen 2021er-Weltmeister Gerwyn Price gewonnen hatte, zunächst die volle Kontrolle. Doch dann spülte ein knapp verpasster Checkout Anderson plötzlich zurück ins Spiel.
Statt 0:3-Satzrückstand gewann Anderson den Durchgang noch und spielte danach mindestens zwei Klassen stärker als zu Beginn der Partie. Anderson ging 3:2 in Führung, als Dolan auf einmal nach der zweiten Luft schnappte. Der Nordire schaffte den 3:3-Ausgleich und holte sich im Entscheidungssatz doch noch den Sieg nach einem dramatischen Fehlerfestival auf die Doppelfelder.
Littler im Viertelfinale Favorit
Brendan Dolan bekommt es morgen Nachmittag mit Luke Littler zu tun. Das Viertelfinale, nach der Auslosung von mutigen Darts-Experten als gewagter Tipp verkauft, wirkt nur noch wie eine Zwischenstation. Nach den bisher gezeigten Leistungen geht der Youngster jedenfalls als Favorit in die Partie.
Es scheint, als sei "The Nuke", die Atombombe, wie Littler genannt wird, nicht zu stoppen. Selbst der Weltmeister-Titel ist längst kein Hirngespinst der britischen Buchmacher mehr. Auch Littlers Idol "Barney" glaubt schließlich längst an den ganz großen Wurf der Teenager-Sensation. Schon vor dem Generationen-Duell im "Ally Pally" hatte van Barneveld gesagt, dass Littler die WM für sich entscheiden könne. "Wir alle haben gesehen, wie Boris Becker mit 17 Wimbledon gewonnen hat."
Quelle: ntv.de