Schwierige Show in Saudi-Arabien Zwei Frauen schreiben Formel-1-Geschichte
25.03.2022, 07:45 Uhr
Abbi Pulling (links) und Aseel Al Hamad.
(Foto: BWT Alpine F1)
Die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien ist schlecht, trotzdem reist die Formel 1 gerne dorthin. Vor dem Grand Prix dürfen zwei Frauen im Boliden durch die Hauptstadt Riad fahren. Es ist das Ergebnis einer Kooperation, die sich den Vorwurf des Sportswashing gefallen lassen muss.
Es sind Fotos, die lange undenkbar schienen. Die saudi-arabische Pilotin Aseel Al Hamad und W-Series-Fahrerin Abbi Pulling posieren nicht nur vor einem Formel-1-Auto, sie fahren mit dem Boliden auch durch Riad, die Hauptstadt Saudi-Arabiens. In dem Königreich gastiert die Königsklasse des Motorsports an diesem Wochenende zum zweiten Mal, der mehrheitlich staatliche Erdölgigant Aramco ist Großsponsor der Serie und hat sich auch in den Namen von Sebastian Vettels Team eingekauft, das offiziell als "Aston Martin Aramco Cognizant F1" antritt.
Al Hamad und Pulling pilotieren nun im Vorfeld des Grand Prix (Sonntag, 19 Uhr/Sky und im Liveticker bei ntv.de) einen zehn Jahre alten Boliden durch Riad. Bis 2018 war Frauen in Saudi-Arabien das Autofahren gänzlich verboten, und an der miserablen Menschenrechtssituation vor Ort ändert auch dieser Wandel zum Positiven nur wenig. Die Bilder der ersten Frauen in einem Formel-1-Auto in Saudi-Arabien sind Ergebnis einer Kooperation zwischen der Tourismusbehörde und dem französischen Alpine-Team. Der in Blau und Pink lackierte E20, den die beiden Fahrerinnen steuern, war in der Saison 2012 das Arbeitsgerät von Kimi Räikkönen und Romain Grosjean im damaligen Lotus-Team, das seitdem vom Renault-Konzern übernommen und umbenannt wurde.
"Es war wunderschön, mit Alpine zu fahren und sehr speziell, dies in meinem Heimatland Saudi-Arabien und Heimatstadt Riad zu tun", sagte Aseel Al Hamad, die auch der Kommission des Motorsport-Weltverbandes FIA für Frauen im Motorsport angehört. "Ich hoffe, es inspiriert weitere Generationen, sich in die Formel 1 zu verlieben und, dass mehr Frauen eine Karriere im Motorsport in Erwägung ziehen."
Die Realität ist bedrückend
Für Abbi Pulling ist die Ausfahrt ein vorgezogenes Geburtstagsgeschenk. Einen Tag vor ihrem 19. Geburtstag saß die Britin, die über das Nachwuchsprogramm von Alpine gefördert wird, erstmals in einem Formel-1-Wagen. "Es war meine erste Erfahrung in einem Formel-1-Renner und es war genauso, wie ich es mir vorgestellt habe und noch viel mehr", schwärmte sie. "Ich habe mit acht Jahren angefangen Rennen zu fahren, immer mit dem Ziel, die Formel 1 zu erreichen und ich bin sehr froh, dass ich dem Ziel einen kleinen Schritt nähergekommen bin."
Es sind allerdings auch Fotos, die im Kontext der wiederkehrenden Sportswashing-Vorwürfe gegen Saudi-Arabien zu betrachten sind. 81 Hinrichtungen an einem einzigen Tag vermeldete das Königreich jüngst, die Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit der vorangegangenen Strafverfahren sind groß. Menschenrechtsorganisationen kritisieren immer wieder, dass Saudi-Arabien über die Austragung großer Sportveranstaltungen - wie eben der Formel 1 - versucht, "von seinen weit verbreiteten Menschenrechtsverletzungen abzulenken" - so formuliert es Human Rights Watch beispielhaft.
Denn die Wirklichkeit von Ort hat wenig mit den schönen Bildern zu tun, die mithilfe solcher Events verbreitet werden. Unterdrückung von Dissidenten, Menschenrechtsaktivisten und Geistlichen. Die Duldung von Homosexualität, Religionsfreiheit und Gleichberechtigung sind laut Menschenrechtsorganisationen "stark gefährdet bis nicht vorhanden". Unvergessen ist auch die brutale Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi, der 2018 in der saudischen Botschaft in Istanbul von einem Spezialkommando aus Riad getötet wurde.
Dass bei den Bildern der Marketing-Wert eine wichtige Rolle spielt, zeigt auch der Tweet des Alpine-Teams dazu. "Schaut euch an, wie Aseel Al Hamad und Abbi Pulling die ersten Frauen überhaupt werden, die Formel-1-Autos in Saudi-Arabien fahren", schreibt der französische Rennstall - und versieht das neben dem Hashtag #SaudiArabianGP auch mit dem Hinweis auf die Tourismusbehörden, deren Account einen unmissverständlichen Namen trägt: @VisitSaudiNow. Besucht Saudi-Arabien jetzt.
Quelle: ntv.de, tsi/rtl.de