Niederländer drehen völlig frei Party totaal: Der größte Fanwalk, den Dortmund je gesehen hat

Dortmund ist orange.

Dortmund ist orange.

(Foto: AP)

Ein letztes Mal ist die Fußball-EM 2024 in Dortmund zu Gast. Und das mit einem feinen Schmankerl: Im zweiten Halbfinale treffen die Niederlande und England aufeinander. Schon weit vor dem Anpfiff gibt es eine gigantische Party.

Vier Stunden vor Anpfiff geht auf der B54 nichts mehr. Die B54 ist eine der wichtigsten Zufahrtsstraßen nach Dortmund. Motor aus. Warten. Wie lange, das weiß niemand. Nicht mal die Polizei. Stillstand im Schatten des Westfalenstadions, wo um 21 Uhr die Niederlande und England das zweite Halbfinale der Fußball-EM ausspielen (ARD, MagentaTV und im Liveticker bei ntv.de). Wer in der Schlange weiter vorn steht, sprich näher an der Stadt, bekommt immerhin ein gigantisches Unterhaltungsprogramm geboten: Der niederländische Fanmarsch bricht sich Bahn. 70.000 Menschen in Orange sollen es gewesen sein. Vielleicht 80.000. Vielleicht noch mehr.

Sie singen, sie tanzen. Natürlich von links nach rechts. An der Reinoldikirche, nicht weit weg vom Bahnhof hatten sie sich getroffen. Eine Bühne war aufgebaut, dort ging es los. Im Takt der Snollebollekes. Die Band um Comedian Rob Kemps hat mit ihrer Hymne ohne tieferen Sinn den heimlichen Hit dieser EM geschrieben. In Hamburg sprangen schon Zehntausende zu dem Carnavalskraker (das Genre) durch die Straßen. In Leipzig sollen sogar die Wände in manchen Altbauwohnungen gewackelt haben. Rücksicht auf architektonische Befindlichkeiten nimmt aber ohnehin niemand in Orange. Es ist eine einzige EM-Party. Was die Schotten in den ersten Tagen des Turniers waren, sind die längst die Niederländer geworden.

1988 haben sie ihren bislang einzigen Titel geholt. Europameister waren sie geworden, in Deutschland. Das darf sich gerne wiederholen. Um das gute Omen zu beschwören, ist das legendäre Trikot populär. Die Namen der großen Helden von damals wandern als Erinnerung durch Dortmund: Marco van Basten, Ruud Gullit, Ronald Koeman. Aber auch jene der 2010er-Mannschaft, die in Südafrika Vizeweltmeister geworden war: Arjen Robben, Mark van Bommel, Wesley Sneijder, Die Abwehrikone Koeman ist mittlerweile Bondscoach, zum bereits zweiten Mal. Frei von Kritik war er nicht. Nach der Vorrunde, die die Niederlande nur auf Rang drei (hinter Österreich und Frankreich) abgeschlossen hatte, hagelte es herbe Kritik am Coach. Das ist, zumindest vorübergehend, der großen Euphorie um die Elftal gewichen.

Niederländische Kapelle spielt "Hey Jude"

"Natürlich ist es gut zu wissen, dass wir eine große Unterstützung aus unserem Land haben. Die Niederlande sind ganz in der Nähe", sagte Koeman über den Fan-Support: "Hoffentlich können wir sie mit einem Sieg glücklich machen, damit wir am Sonntag im Finale spielen können." Wie 1988 eben. Damals im Münchner Olympiastadion wurde die Sowjetunion, ja, so lange ist das schon her, mit 2:0 besiegt. Gullit und van Basten erzielten die Tore.

Nun aber erstmal England, erstmal die große orangefarbene Lawine, die sich den Weg durch Dortmund bahnt. In der Stadt kam es zu einem wunderbaren Moment. Eine niederländische Kapelle mit reichlich Blasinstrumenten spielt den Beatles-Klassiker "Hey Jude" und sang ihn gemeinsam mit englischen Fans. Bei denen, von ihnen sollen auch 25.000 in der Stadt unterwegs sein, ist der Song eine Hommage an ihren Weltstar Jude Bellingham. Im Stadion singen sie den Song, wenn der Spielmacher eine große Aktion liefert.

Der Express teilte sich kurz vor dem Stadion. Ein Teil bog in den Westfalenpark ab, zum Public Viewing, der andere Teil tanzte dem Partybus hinterher, tanzte zu den niederländischen Versionen von "Viva Colonia" ("Viva Hollandia) und "Freed from desire". Pyrotechnik nebelte den Zug ein, ebenso wie der krautige Geruch von Gras. Dass gegen 18 Uhr ein Schauer über der Stadt niederging, es war dem wild feiernden zu egal. In Dortmund kann Historisches passieren, da stört nichts und niemand. Und es war ja auch kein Vergleich zu den Unwettern, die vor dem Spiel Türkei gegen Georgien und während des Duells Deutschland gegen Dänemark, losbrachen. Im Stadion ergingen dieses Mal keine Westfalenfälle.

"Wer hüpft, hat mehr vom Weg"

Also Party in Orange. Selbst ein paar Engländer liefen mit, verfolgten das Spektakel staunend. Dabei haben auch die Fans der Three Lions schon für große Fanfeste gesorgt, haben mehr Spektakel verursacht, als die eigene Mannschaft, die mit ihrem Marktwert von anderthalb Milliarden Euro weiter an der Kette liegt und sich sehr kontrolliert durch diese EM spielt. Anders als die Niederländer, die mit ihrer Mannschaft auf eine emotionale Achterbahnfahrt gegangen sind. Die ist so hinreißend, dass immer mehr Menschen den Adrenalinkick für sich entdecken.

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Das wird der "größte Fanwalk den Dortmund je gesehen hat", sagte ein Polizeisprecher in Dortmund. Die Bevölkerung müsse währenddessen mit erheblichen Verkehrsbehinderungen rechnen - mindestens zwei Stunden lang. "Die Oranjes laufen ja nicht schnurstracks, die hüpfen ja von links nach rechts." Das dauere entsprechend lang: "Wer hüpft, hat mehr vom Weg."

In der Innenstadt blieb es lange friedlich, aber rund zwei Stunden vor Anpfiff kam es an einer Kneipe zu einer Auseinandersetzung. Fans beider Lager gingen aufeinander los. Wie bei X zu sehen ist, wurden auch Stühle und andere Gegenstände geworfen. Laut Polizei soll es Verletzte gegeben haben. Die "Bild-"Zeitung berichtet von Schlagstockeinsätzen und zehn Festnahmen. Von wem die Aggressionen ausgingen, ist noch nicht bekannt. Auf den kursierenden Videos sieht es aus, als hätte Niederländer eine Kneipe mit englischen Fans angegriffen. Die Polizei betonte, dass es sich um einen einzelnen Vorfall handelte, insgesamt sei ein friedliches Miteinander unzähliger Fußballfans in Dortmund zu beobachten.

Quelle: ntv.de

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