
Die Stadien bleiben nun doch alkoholfreie Zonen.
(Foto: IMAGO/MIS)
Zwei Tage vor dem Eröffnungsspiel verbietet Katar nun doch den Ausschank von Alkohol rund um die WM-Stadien. Die FIFA duckt sich weg, der Sponsor ist machtlos. Vor allem jedoch überlegen Fans, was diese offenbar eigenmächtige Kehrtwende für andere Konfliktfelder bedeutet.
Dass es im Stadion kein alkoholisches Bier geben wird, ist das kleinere Problem. Viel bedrohlicher ist, dass WM-Ausrichter Katar sich offensichtlich dazu in der Lage sieht, bestehende Abmachungen für nichtig zu erklären. Eigentlich hatten die örtlichen Organisatoren und der Weltverband FIFA ausgehandelt, dass in den acht Arenen dieser Fußball-Weltmeisterschaft ausgeschenkt werden kann, wenn auch nur in bestimmten Bereichen. Kaum 48 Stunden vor dem Eröffnungsspiel zwischen Katar und Ecuador aber kippt das Emirat diese Regelung. Und lässt dadurch befürchten, dass während des Turniers weitere willkürliche Änderungen der Rahmenbedingungen folgen könnten.
Was etwa wird aus den "Sicherheitsgarantien" für homosexuelle Fans, die zur WM reisen? In Katar steht Homosexualität unter Strafe, der katarische WM-Botschafter Khalid Salman bezeichnete Homosexualität in einer ZDF-Dokumentation jüngst gar als "geistigen Schaden" - droht diesen Fans jetzt doch die Verhaftung? Das Bündnis Aktiver Fußball-Fans, kurz BAFF, twitterte, jeder könne sich nun selbst "ausmalen, was die versprochenen 'Sicherheitsgarantien" wert sein werden'". Auch andere Fan-Organisationen wie die Football Supporters' Association sprechen von "verständlichen Sorgen", dass auch andere Zugeständnisse von Katar wieder einkassiert werden könnten.
Die FIFA derweil reagiert mit einem nichtssagenden Statement auf das kurzfristige Nun-doch-Alkoholverbot. Es werde weiterhin ein "angenehmes, respektvolles und zufriedenstellendes" Stadionerlebnis garantiert, hieß es. Was auch immer das inhaltlich bedeuten mag, und ob diese Garantie auch dann noch Gültigkeit besitzt, wenn das Emirat plötzlich andere Regeln vorgeben möchte. Von außen betrachtet ist das Bierverbot nicht einfach nur ein Bierverbot, sondern eine Machtdemonstration. Die FIFA scheint sich dieser Macht zu beugen. Auch wenn es offiziell heißt, die Entscheidung gegen den Alkohol-Ausschank sei "nach Gesprächen" zwischen Verband und katarischen Behörden getroffen worden.
Infantino zieht Katar den Brauerei-Millionen vor
Budweiser, einer der größten Sponsoren der FIFA und Bier-Partner für die WM, reagierte verhalten auf die Kehrtwende. Die Entscheidung liege "außerhalb unserer Kontrolle", hieß es gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, ein Tweet mit den Worten "Well, this is awkward ...", zu Deutsch etwa "Nun, das ist unangenehm", wurde nach kurzer Zeit wieder gelöscht. Bereits zuvor hatte Katar darauf gedrängt, die Verkaufsstellen an weniger auffällige Orte zu verlegen.
Offenbar ist die Verbindung zu Katar für FIFA-Boss Gianni Infantino noch wertvoller als all die Millionen, die aus Sponsorendeals mit Brauereikonzernen auf die Verbandskonten fließen. Schließlich schickte er jüngst einen Brief an die 32 teilnehmenden Nationen, dessen Inhalt sich grob so zusammenfassen lässt: Haltet gefälligst die Klappe und spielt Fußball. Kritik verbat sich der 52-Jährige, um nicht "in jeden politischen und ideologischen Kampf" hineingezogen zu werden. Danach bat er ernsthaft darum, der russische Angriffskrieg in der Ukraine möge doch bitte während der WM pausieren. Infantino zu karikieren, ist längst unmöglich.
Es geht gar nicht darum, dass in den acht Arenen in Katar nun kein Alkohol ausgeschenkt werden soll. Bedenklich jedoch ist, dass das Emirat und seine Herrscherfamilie damit andeuten, auch alle anderen Absprachen infrage zu stellen oder gar aufzukündigen, die eine für alle Beteiligten einigermaßen erträgliche WM möglich machen sollen. Im Falle des Alkohol-Ausschanks mag es dabei "nur" um Genussmittel gehen, wenn auch um erwiesenermaßen gesundheitsgefährdende. Die Sorge ist nun jedoch allgegenwärtig, dass Katar sein Wort auch in anderen Fragen bricht.
Quelle: ntv.de