Fußball

Große Sorgen um Julian Brandt Bittere Unglücke stürzen den BVB in die kalte Realität

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Ein ganz bitterer Abend für Jude Bellingham und den BVB.

(Foto: IMAGO/Shutterstock)

Nach zehn Siegen aus zehn Spielen verlässt das Spielglück den BVB. Der FC Chelsea luchst es ihnen zum Ende der ersten Halbzeit ab. Die Londoner ziehen in das Viertelfinale der Champions League ein und der BVB bangt um Julian Brandt.

Gerade erst war Kalidou Koulibaly ein seltenes Kunststück gelungen. Der Chelsea-Verteidiger stand nach einem Freistoß im Dortmunder Strafraum, das Tor war leer, der Ball kam zu ihm. Und ihm gelang es tatsächlich, den Ball zwei, vielleicht drei Meter vor dem Kasten so unglücklich mit der Hacke zu spielen, dass das Spielgerät sich wieder vom Tor entfernte. Dann gelang Joao Felix ebenfalls noch ein Kunststück. Aus wenigen Metern schoss er den Dortmunder Torhüter Alexander Meyer an. Und nur wenig später schlug zu allem Überfluss auch Raheem Sterling ein Luftloch im Strafraum. Wieder einmal hatte der BVB eine Menge Spielglück mitgebracht und war nach beinahe 45 Minuten in der Position, sich auch an der Stamford Bridge bei Chelsea durchzusetzen.

Aber plötzlich hatte der Ball einen Einfall und damit ging es dahin. Denn als besagter Sterling das Luftloch schlug, rutschte der Ball nach einer Hereingabe von der linken Seite eben nicht so durch seine Beine, dass er unspielbar wurde. Vielmehr orientierte er sich in Richtung Standbein, klebte plötzlich am Fuß und zog den englischen Nationalspieler magisch in Richtung Tor, vorbei an dem verblüfften und verblüffend zweikampfschwachen Marco Reus und vorbei auch an Meyer. Wenige Minuten vor der Pause war Chelsea eine Unmöglichkeit gelungen.

Chelsea erzielt tatsächlich ein Tor

Die Blues hatten nicht nur eine Chance herausgearbeitet, sondern auch getroffen. Eine absolute Seltenheit beim surrealen Milliardenklub mit dem unscheinbaren Trainer Graham Potter. Nur vier Tore waren ihnen in den zwölf Spielen des Jahres 2023 bis dahin gelungen, nur zweimal trafen sie dabei im eigenen Stadion. Einmal erst am vergangenen Wochenende beim mühsamen 1:0 gegen Leeds United. Zwei aufeinanderfolgende Siege waren für Chelsea zum letzten Mal im Oktober 2022 herausgesprungen und nun benötigten sie diesen Sieg so dringend, um ihre Saison halbwegs zu rechtfertigen. Sie benötigten diesen Sieg gegen die Dortmunder, die ihrerseits seit Wochen im Spielglück badeten und mit zehn Siegen aus zehn Spielen 2023 durchaus optimistisch nach London gereist waren.

Denen dort jedoch erst entscheidende Spieler, dann das Glück und schließlich auch noch der Glaube abhandengekommen waren. Und die zudem noch mit den zwischen - je nach Lesart - kuriosen bis skandalösen zehn Minuten nach der Pause und der mehrfachen VAR-Intervention haderten. Die 2000 mitgereisten Dortmunder Fans sahen es ungläubig und mussten zu allem Überfluss am Ende noch Spottgesänge der heimischen Anhänger über sich ergehen lassen. "Who are you?", "wer seid ihr", riefen die Treuen des Milliardenvereins in Richtung der Dortmunder. Hätten sie es gehört, hätten sie wohl geantwortet: Wir sind die, die hier ein Heimspiel haben. Anders als die Fans hatten dies die Dortmunder Profis nicht und dann nicht nur Kai Havertz und Co gegen sich, sondern gleich auch noch das Glück. So ungerecht kann Fußball sein. "Wir müssen die Niederlage akzeptieren. Das ist natürlich bitter", sagte Verteidiger Marius Wolf, dessen Handspiel Auslöser der VAR-Katastrophe gewesen war, die über die Dortmunder kam.

Eine unselige Abfolge der Ereignisse

Verletzung, Pech, VAR und der verschwundene Glaube. Eine unselige Abfolge der Ereignisse, die das Aus nach sich zog. Erst musste der seit Wochen überragende Julian Brandt nach nur fünf Minuten runter, dann fiel der Ball vor das Standbein von Sterling und nach der Pause mischten der VAR und der niederländische Schiedsrichter Danny Makkelie den Laden auf - bis Havertz erhöhte. Als sich Chelsea daraufhin zurückzog, das 2:0 verteidigte, nur noch auf Konter lauerte, war es der Borussia nicht möglich, Chancen zu kreieren. Und wenn doch einmal ein Ball durchkam, so wie in der 58. Minute auf Jude Bellingham, war das einerseits dem Zufall geschuldet und andererseits vergebene Liebesmüh eben jenes Zufalls. Der Engländer, dem vor dem Spiel die Schlagzeilen der Londoner Presse gehörten, vergab kläglich und rundete damit seinen fahrigen Auftritt im Heimatland ab.

"Es war eine hitzige Stimmung. Schon als wir hier ankamen, war ordentlich Feuer drin und wir sind dann nicht so gut in Spiel gekommen", sagte Nico Schlotterbeck nach dem Spiel. Den verspäteten Anpfiff des Spiels aufgrund des Verkehrschaos rund um das Stadion wollte der ehemalige Freiburger jedoch ausdrücklich nicht für den verschlafenen Start verantwortlich machen.

Ausfall von Brandt "sehr bitter"

Borussia Dortmund war in den letzten Wochen eindrucksvoll durch die Liga marschiert, Trainer Edin Terzić hatte dabei ordentlich rotiert, immer wieder neuen Spielern eine Chance gegeben, den Konkurrenzkampf angeheizt und immer wieder auf die Tiefe des Kaders verwiesen. Doch die war spätestens nach der frühen Verletzung von Brandt in der Form nicht mehr gegeben. Der Sauerländer musste eine Aufstellung ohne den gesperrten Motivationsmeister Julian Ryerson und die verletzten Gregor Kobel, Youssoufa Moukoko und Karim Adeyemi aufs Papier bringen und nun nach fünf Minuten auch noch Brandt ersetzen. Der fasste sich an den Oberschenkel und musste den Platz verlassen. Ein Klaps noch von seinem Kumpel Havertz und dann war der aktive Teil des Ausflugs nach London für ihn schon wieder vorbei. "Jule ist der Spieler für uns in der Offensive", sagte Wolf und fand auch die Verletzung "sehr bitter", für seinen Teamkollegen und die gesamte Mannschaft. Mit dieser Einschätzung lag er sicher nicht daneben.

Der ehemalige Leverkusener hatte sich in den letzten Wochen als Lenker des Dortmunder Spiels etabliert und dabei auch Last vom aktuell nicht überdominanten Bellingham nehmen können. Auf ihn wird Terzić womöglich länger verzichten müssen. Ein herber Rückschlag auch für die kommenden Bundesligawochen. Der 26-Jährige war in diesen ersten Spielen des Jahres 2023 aus seiner Schlafmützigkeit aufgewacht und hatte sich nicht nur offensiv als runderneuter Spieler präsentiert. Mit seiner Leistungssteigerung wuchsen die Hoffnungen in den grauen Dortmunder Winterhimmel. Und mit seinem Ausfall könnten diese Hoffnungen nun massiv erschüttert werden. Denn natürlich hatte Terzic rotieren lassen, doch dabei auf einige zentrale Figuren gesetzt. Mit Kobel, Adeyemi und Brandt mussten die Borussen auf drei der wichtigsten verzichten.

"Wir waren in der ersten Halbzeit einfach zu passiv"

Zwar hatte der BVB sich nach der Verletzung langsam freispielen können und war zwischen der 12. und 35. Minute spielbestimmend gegen lauernde Londoner, doch nur selten gelangten sie dabei in Richtung Tor der Blues. Einmal setzte sich Brandt-Ersatz Gio Reyna bei seinem ersten Einsatz nach vier Spielen auf der Bank wunderbar über rechts durch und konnte den Ball in den Strafraum legen, doch dort fehlte ein Mittelstürmer. Denn wieder einmal war Sébastien Haller zu tief gestartet und gelangte nicht rechtzeitig in den gefährlichen Raum. Die Kugel trudelte durch den Strafraum. Und Haller blieb ohne Abschluss. Dem Ivorer ist dieser Tage die Belastung nach seiner Rückkehr von der Krebserkrankung anzumerken. Doch weil hinter ihm nur das Transfer-Missverständnis Anthony Modeste und der mit dem BVB weiter fremdelnde Donyell Malen warten, bekommt er mehr Einsatzzeit als er mit einem echten Konkurrenten haben würde.

"Wir waren in der ersten Halbzeit einfach zu passiv. Im vorderen Drittel hat uns Durchschlagskraft gefehlt. Wenn wir ehrlich zu uns sind, können wir mit dem 0:1 zur Pause froh sein", sagte Schlotterbeck: "Es wäre mehr möglich gewesen." Wie auch Trainer Terzic wollte er seinen immensen Frust über die verpasste Chance aber nicht in die Schiedsrichterentscheidung kanalisieren. Während Emre Can und der externe Berater Matthias Sammer auf amazon prime den Skandal witterten, richtete Schlotterbeck den Blick in Richtung Wochenende. Dann soll im Derby auf Schalke das Spielglück zurückkehren.

"Aber morgen werden wir aufstehen"

"Jetzt heißt es aufarbeiten und sich dann auf die Liga und den Pokal konzentrieren", sagte er und sein Trainer assistierte auf der PK. "Heute sind wir richtig enttäuscht, aber morgen werden wir aufstehen und wieder nach vorne schauen", sagte er: "Heute sind wir in der Champions League gegen Chelsea ausgeschieden und dafür müssen wir uns nicht schämen. Ende Mai sehen wir dann, was wir uns verdient haben. Wir müssen uns alles erarbeiten und wir werden sehen, was das sein wird."

Als alles vorbei war, humpelte Julian Brandt aus dem Stadion, Marco Reus hatte keine Stimme mehr und im Gästeblock forderten sie den Derbysieg. Die Gastspielreise durch Europa ist vorbei, jetzt will der BVB in der Liga alles erreichen. Doch die Tendenz spricht nach diesem Abend in London gegen den BVB, die nicht nur nicht mehr unbezwingbar erscheinen, sondern mit dem deutschen Nationalspieler Brandt ihren Unterschiedsspieler verlieren. "Bitter", sagte Wolf noch einmal und fasste damit den Abend zusammen.

Quelle: ntv.de

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