Fußball

Fofana-Handshake und Bonucci "Brutaler" CL-Abend bereitet Union neue Sorgen

Am Ende gab es für die Mannschaft Applaus.

Am Ende gab es für die Mannschaft Applaus.

(Foto: picture alliance/dpa)

Mit 0:1 verliert Union Berlin sein Champions-League-Heimspiel gegen die SSC Neapel. Es ist die neunte Pflichtspielniederlage in Folge. Sie sorgt bei den Köpenickern auch für Themen neben dem Platz.

Eigentlich wäre es zu verhindern gewesen: Drei Mal, das war auch Union-Trainer Urs Fischer aufgefallen, hätten die Eisernen Neapels Chwitscha Kwarazchelia in der 65. Minute stoppen können. Es begann mit dem völlig missratenen Befreiungsschlag von Diogo Leite, der wieder zum Georgier zurückkehrte. Dann konnte Kapitän Christopher Trimmel im eigenen Sechzehner gegen Kwarazchelia nicht so in den Zweikampf gehen, wie er eigentlich wollte. Schließlich war er da schon lange verwarnt. Trimmel, das sagte er nach dem Spiel, habe auf den Rest der Verteidigung gesetzt, aber die kam in Form von Danilho Doekhi dann auch noch zu spät.

Und so nutzte Neapels Wunderdribbler "Kvaradona" die lange Fehlerkette der Eisernen aus. Er legte den Ball im Strafraum der Unioner auf Giacomo Raspadori quer, der aus kurzer Distanz die einzige Torchance der Neapolitaner verwandelte. Es blieb der einzige Treffer des Abends. Es war ein unaufmerksamer Moment, der für die nächste Niederlage für Union Berlin sorgte. Mittlerweile ist es die neunte in Folge. "Es fühlt sich brutal an", sagte Fischer nach dem Spiel, als er sein Team dennoch für die Leistung lobte.

Doch am Ende ist egal, wie gut das Spiel war: Die 0:1-Niederlage gegen Neapel in der Champions League ist das nächste Kapitel der unglaublichen Pleitenserie. Seit Ende August hat Union jedes Spiel vergeigt. Die Mannschaft, so wirke es, habe ihre Superkräfte der vergangenen Jahre verloren, wie es die "Süddeutsche Zeitung" nach dem wenig bundesligatauglichen 0:3-Auftritt am vergangenen Wochenende gegen das Überraschungsteam VfB Stuttgart beschrieb. Wie kaum eine zweite Mannschaft konnte Union stabil verteidigen und aus wenigen Chancen viele Tore machen. Doch diese Fähigkeiten sind dem Team irgendwo abhandengekommen, so schien es zuletzt.

Union wurde wieder zu Union

Mitten in diese wohl größte sportliche Krise seit dem Bundesliga-Aufstieg fiel der besondere Champions-League-Abend gegen den italienischen Meister. Am Dienstagnachmittag hatten sich die Fans erneut auf die lange Fahrt aufgemacht: aus dem südöstlichsten Eck Berlins bis in das Westend. Es ist eine Reise, die meist viel länger dauert, als eigentlich geplant ist. Die Eisernen überstanden den strömenden Regen und die überfüllten Bahnen, um am Ende an einem Ort anzukommen, an dem sie gar nicht sein wollten: das Berliner Olympiastadion. Denn das ist bekanntermaßen die Heimspielstätte des Lokalrivalen Hertha BSC.

So rot ist das Olympiastadion selten.

So rot ist das Olympiastadion selten.

(Foto: picture alliance/dpa)

Über den Stadionwechsel war im Vorfeld viel diskutiert worden. Beim ersten CL-Heimspiel gegen Braga wurden noch Flyer ausgeteilt, die aufklären sollten. Auch jetzt hing da wieder das große Banner der Fans, das klarmachen sollte, dass sie diese besonderen Champions-League-Spiele eigentlich woanders erleben wollten: "Wir brauchen die Alte Försterei wie die Luft zum Atmen." Und dennoch hat sich bei der zweiten Partie dort in dieser Saison inzwischen eine gewisse Routine eingestellt: Die blau-weiße Tartanbahn ist verdeckt, das Stadion bei der Vereinshymne in tiefes Rot getaucht und der Wechselgesang der Stadionhälften während der Partie mittlerweile geübt.

Die knapp über 72.000 Menschen sahen, wie Union wieder zu Union wurde. Gegen Neapel ließen die Berliner praktisch keine Chancen zu - und falls doch, war notfalls wahlweise das Bein oder der Oberschenkel eines Rot-Weißen dazwischen. Bis auf das Tor hatte Neapel keinen einzigen Torschuss. Die Unioner zerstörten das Spiel, so wie sie es zu ihren Glanzzeiten immer machten. Und setzten selbst über die schnellen Sheraldo Becker und David Fonfana auf Konteraktionen. Champions-League-Debütant Rani Khedira sagte im Anschluss, dass er vieles gesehen habe, was die Berliner früher starkgemacht habe.

Gleich zweimal Unruhe

Die statistischen Werte zur Halbzeit verdeutlichten das: 38 Prozent Ballbesitz, nur ein direkter Torschuss auf beiden Seiten. Das sind klassische Union-Zahlen. Den Eisernen half dabei die endgültige Rückkehr von Khedira und Robin Knoche. Das Duo kam zwar schon am Wochenende gegen Stuttgart zurück, brachte nun aber auch die verlorengeglaubte Sicherheit. "Das sind zwei Spieler, die für unsere Abläufe, unsere Automatismen enorm wichtig sind", sagte Fischer. Eben jene Automatismen waren zuletzt verloren gegangen. Nur bei der Effizienz haperte es noch, erneut blieb Union ohne eigenen Treffer.

Und auch wenn Fischer seine Mannschaft nach dem Spiel lobte, gab es nach der Partie gleich zwei neue Sorgen für ihn. Die eine ist Chelsea-Leihgabe Fofana. Der 20-Jährige hatte nach seiner Auswechslung den Handshake verweigert. Die TV-Bilder zeigten ihn danach immer wieder, wie er auf der Bank das Gesicht ins Trikot vergraben hatte. Der Trainer kündigte ein Gespräch mit Fofana an. Kapitän Trimmel erklärte, dass solche Dinge zum Fußball dazugehörten und nicht überbewertet werden sollten.

Die zweite Sorge löste Innenverteidiger Leonardo Bonucci aus. Er steht symbolisch für die Sommertransfers um Robin Gosens und Kevin Volland, die alle sehr spät kamen und noch immer nicht wie erhofft funktionieren. Nach seinem überraschenden Wechsel nach Köpenick spielte Bonucci bislang nur selten. Die Unioner wiesen zuletzt immer wieder darauf hin, dass dem 36-Jährigen die Sommervorbereitung gefehlt habe. Schon während der Partie machten Berichte die Runde, der Ex-Juve-Star sei unzufrieden, gegen Neapel nicht in der Startelf zu stehen. Fischer zeigte sich überrascht, erklärte aber, er habe erst diese Woche mit ihm gesprochen. "Natürlich ist er unzufrieden", sagte der Trainer. Er hoffe, dass alle seiner Spieler auch spielen wollen. Doch am Ende muss er sich für elf von ihnen entscheiden - Bonucci war erneut nicht dabei.

Neapels schiefe Mathematik

Es sind Probleme, die die Unioner lange nicht kannten: die vielen Niederlagen, Spieler, die ihren Unmut öffentlich ausdrücken. Es sind ungemütliche Zeiten in Köpenick. Vor dem Neapel-Spiel hatte Fischer noch vor stürmischen Zeiten gewarnt. Das Unwetter hat sich auch nach dem 0:1 noch nicht gelegt. "Es ist schwierig, nach neun Niederlagen in Folge die Ruhe zu bewahren", sagte Fischer. Es sei logisch, "dass da von außen viele Fragen kommen, dass das eine gewisse Dynamik aufnimmt", damit könne er aber gut umgehen. Innerhalb versuchten sie die Ruhe zu bewahren. Nun müssten sie jedoch den nächsten Nackenschlag verarbeiten. "Obwohl du vieles richtig gemacht hast, stehst du mit leeren Händen da", sagte er.

Mehr zum Thema

Auch Trimmel beschwichtigte. Der Kapitän erklärte, dass es innerhalb der Mannschaft keine Probleme gebe. "Wenn wir schlechte Stimmung intern hätten, würden wir nicht so einen Auftritt hinlegen", sagte er. Doch so langsam sollten mal Ergebnisse her. Darauf hoffen sie auch am Samstag, denn dann ruft wieder das Kerngeschäft: die Bundesliga. Fischer wurde lange dafür belächelt, dass er selbst im höchsten Höhenflug den Klassenerhalt als Saisonziel ausgegeben hat. Die Saison ist noch lang, aber diesmal könnte es wirklich ernst werden. Für die Unioner geht es gegen den punktgleichen Tabellennachbarn Werder Bremen. Eine weitere Niederlage könnte aus dem Sturm einen Orkan machen.

Gleichwohl gibt es neben dem Auftritt in der Königsklasse einen eher ungewöhnlichen Hoffnungsschimmer: die fragwürdige Mathematik von Neapel-Trainer Rudi Garcia. Er sagte nach dem Spiel, dass er vor Union gewarnt habe, weil es für die Berliner nach acht Niederlagen wahrscheinlicher sei, ein gutes Ergebnis zu erzielen. Nach der Logik ist es also nur eine Frage der Zeit, dass die Horrorserie bald Geschichte ist.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen