Fußball

Höchst gefährlicher Minimalismus Schwer erleichterter FC Bayern will von Dusel nichts wissen

Vincent Kompany rutschte auf dem Rasen aus, seine Bayern-Spieler konnte einen Ausrutscher gegen Celtic gerade noch so verhindern.

Vincent Kompany rutschte auf dem Rasen aus, seine Bayern-Spieler konnte einen Ausrutscher gegen Celtic gerade noch so verhindern.

(Foto: IMAGO/MIS)

Erst die glückliche Null-Nummer im Ligagipfel, dann der Zitter-Einzug ins Achtelfinale der Champions League: Der FC Bayern übersteht intensive Tage mit guten Ergebnissen, aber nicht überzeugenden Leistungen. In München sind sie damit aber vorerst zufrieden.

Im Ergebnis hätten die vergangenen sechs Tage für den FC Bayern kaum besser laufen können. In der Champions League werfen die Münchner Celtic Glasgow, wie erwartet, aus den Playoffs und in der Bundesliga holt das Team bei Meister Bayer Leverkusen auf surreale Weise ein Remis, das den Titelkampf mindestens vorentschieden hat.

Und doch ist die Lage beim FC Bayern eher angespannt. Denn in der Crunchtime der Saison stimmen Form und Leistungen nicht mehr. Wieder einmal, zum dritten Mal in Folge, kommen die Münchner nach einer starken Hinrunde in der zweiten Serie aus dem Tritt. Gegen Glasgow brauchte es im Rückspiel einen überraschenden Kraftakt, um ein Fiasko gerade noch so abzuwenden. Nach 63 Minuten hatte der ehemalige Münchner Nicolas-Gerrit Kühn das Stadion in München in einen Schockzustand versetzt. Der Mann, der einst für die Reserve des FC Bayern gespielt hatte, traf nach einer absurden Fehlerkette der Gastgeber zum 1:0. Minjae Kims bittere Grätsche legte den Ball perfekt für den Offensivspieler der Schotten vor, der Manuel Neuer keine Chance ließ.

Wenige Minuten danach gab es ein Sinnbild für den Zustand des FC Bayern. Trainer Vincent Kompany will einen zweiten, auf den Rasen gerollten Ball zurückholen und rutscht dabei aus. Seinen Spielern geht es ähnlich, sie sind zwar nicht auf dem Hosenboden unterwegs, aber ihnen fehlen Ideen, sich dem drohenden Debakel zu entziehen. Dabei wollen sie doch am Ende der Saison in diesem Stadion feiern. Nicht nur den Bundesliga-Titel, sondern auch den Sieg in der Champions League. Dank Alphonso Davies lebt der Traum weiter. In der letzten Minute der Nachspielzeit drückte der Außenverteidiger den Ball noch zum 1:1 über die Linie. Weil die Bayern das Hinspiel mit 2:1 gewonnen hatten, reichte das Remis zwar zum Weiterkommen, aber nicht, um neues Selbstvertrauen für das übergroße Saisonziel zu entwickeln.

"Wir sind durch. Das ist erstmal das Wichtigste"

In diesem Ist-Zustand scheint eine Erfüllung der Henkelpott-Sehnsucht kaum möglich. Schon in der nächsten Runde wartet ein Gegner, der im Moment zu groß für den FC Bayern wirkt: Entweder die kampfstarke Truppe von Atlético Madrid oder erneut Bayer Leverkusen. Bei der Auslosung am Freitag wird das entschieden. Aber erstmal versuchen sie in München, die komplizierte Gemengelage zwischen den guten Ergebnissen und den wenig bis nicht überzeugenden Leistungen zu entschärfen.

Sportvorstand Max Eberl sagte etwa: "Wir sitzen jetzt nicht da und sagen: Wir sind in Topform, alles fantastisch. Das ist es momentan nicht. Es ist alles ein bisschen schwerer." Allerdings befand er auch: "Wir sind durch. Das ist erstmal das Wichtigste. Wir haben Leverkusen auf Abstand gehalten. Das war das Zweitwichtigste." Auch Leon Goretzka, der vor dem späten Ausgleich von Davies noch mit dem Kopf an Celtic-Keeper Kasper Schmeichel gescheitert war, minimierte den Anspruch des FC Bayern auf den kleinsten, erfolgreichen Nenner: "In den letzten sechs Tagen ging es nur darum, Ergebnisse zu erzielen. Es waren extrem anstrengende Tage, auch mit den Reisen. Das sind aber die wichtigen Momente in einer Saison, wenn man nicht die Sterne vom Himmel spielt und trotzdem Ergebnisse liefert und durchkommt", sagte er bei Prime Video gelassen.

Auch Kompany wollte das überraschend zähe Spiel "im Kontext" sehen. "Wir haben in sechs Tagen viel Energie gelassen. Aber wir sind acht Punkte in der Liga vorn und in der Champions League eine Runde weiter. Natürlich wollen wir immer, dass der Unterschied zum Gegner groß ist. Aber wenn nicht, muss man sich die Ergebnisse eben erarbeiten." Tatsächlich gehen dem FC Bayern die Dinge derzeit nicht leicht von der Hand. In Leverkusen war die Mannschaft dermaßen unterlegen, dass man eine kleine Ewigkeit nach Vergleichbarem suchen musste. Und auch gegen Glasgow wurde mehr Kraft investiert, als den Spielern im pickepackevollen Februar lieb ist.

Immer wieder diese dicken Fehler

Offensiv haben die Münchener die Kreativität verloren, die in der Hinrunde für den einen oder anderen Kantersieg verantwortlich war. Und jetzt müssen sie in den kommenden Spielen womöglich noch auf Lebensversicherung Harry Kane verzichten. In Leverkusen hatte der Engländer schon zweimal tüchtig was abbekommen und gegen Glasgow wurde er mit Problemen an der Wade zur Halbzeit ausgewechselt. Ob er tatsächlich ausfällt und wie lange, das vermochte in der Nacht zu Mittwoch niemand seriös beantworten. Aber in der zweiten Hälfte wurde direkt mal klar, wie groß die Not ohne Kane ist. Denn einen Ersatzmann von hoher Qualität gibt es nicht.

Aber es ist nicht nur die Offensive, die schwächelt. In der Defensive leistet sich die Mannschaft viel zu oft große Aussetzer. Bereits in der ersten Halbzeit hätte Celtic zwei-, dreimal davon profitieren können, tat das dann aber erst in der 63. Minute. Die Fehlerkette war lang, begann mit einem nicht erfolgreichen Tackling von Joshua Kimmich tief in der Hälfte der Schotten und endete bei Minjae Kim. Kimmich mahnte später an, dass sein Team diese Fehler dringend abstellen müsse. Von einem Dusel-Sieg wollte er aber nicht sprechen. "Nein, Dusel würde ich jetzt nicht sagen", betonte er in den Katakomben der Arena. Man habe die zweite Halbzeit schon kontrolliert und das Tor von Celtic sei eben aus dem Nichts gefallen, wegen der eigenen Fehler. Anders als in der jüngeren Vergangenheit, betonte er, habe man aber nicht den Kopf verloren, sei nicht wild und undiszipliniert geworden.

Um bei den nächsten schweren Aufgaben - daheim gegen Eintracht Frankfurt, beim VfB Stuttgart und dann im Achtelfinale der Champions League - nicht erneut in Turbulenzen zu gerade und abermals Schwerstarbeit leisten zu müssen, sieht Kimmich Handlungsbedarf für das Münchner Kollektiv: "Wir müssen ein bisschen an der Art und Weise schrauben, wie wir die Spiele gestaltet haben." Vor allem das Pressing, gestand er, habe gegen Celtic nicht so gegriffen, wie man sich das vorgestellt habe. So wurden die Schotten seltener zum langen Schlag gezwungen, sondern konnten sich spielerisch befreien. Da habe man dann schon gesehen, dass das Team ein "bissl müde, bissl träge" gewesen sein. Die schlechte Nachricht: Die nächsten Wochen werden nicht weniger anstrengend. Und so bleibt die alles dominierende Frage: Wie weit kommt der FC Bayern, der vom "Titel dahoam träumt, mit solchen Leistungen?

Quelle: ntv.de, tno

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