Fußball

Nations League im Schnellcheck DFB-Elf hadert mit dem "Eier-Gegentor"

Die junge Nationalmannschaft führte bis zur letzten Sekunde gegen Spanien und fing sich dann ein "Eier-Gegentor".

Die junge Nationalmannschaft führte bis zur letzten Sekunde gegen Spanien und fing sich dann ein "Eier-Gegentor".

(Foto: imago images/Eibner)

Die Nationalmannschaft zeigt gegen Spanien erfrischenden Angriffsfußball, vor allem dank Leroy Sané und Timo Werner. Aber nach dem 1:0 lässt sie sich viel zu tief fallen. Der dramatische Ausgleich verhindert den ersten Sieg über Spanien seit 1988, DFB-Neuling Robin Gosens "geht das auf den Zünder".

Was ist in der Mercedes-Benz-Arena passiert?

Nach fast zehn Monaten Zwangspause, 289 Tage oder auch 6936 Stunden, um es genau zu nehmen, durfte Bundestrainer Joachim Löw seine Mannschaft wieder auf den Platz schicken. Das Länderspiel in Spanien war Ende März das erste, das wegen der Pandemie abgesagt wurde. Damals war Madrid einer der absoluten Corona-Hotsports und an Fußball nicht zu denken. Nun also gab es nach dem Bundesliga-Restart und dem Champions-League-Turnier auch das Comeback der Nationalmannschaften.

Zum Auftakt fand mit dem ersten Spiel der Division A der Nations League gleich ein traditionsreiches Duell zweier großer Fußballnationen statt, die zusammen fünf Weltmeisterschafts- und sechs EM-Titel gewonnen haben. Deutschland gegen Spanien ist ein Duell mit viel Historie in der nicht mehr ganz jungen Vergangenheit: 2008 im EM-Finale und 2010 im WM-Halbfinale gewannen die Männer vom damaligen Trainer Vincente del Bosque jeweils mit 1:0 gegen die Löw-Elf. Nach dem späten Ausgleich (Neuling Robin Gosens taufte es: "Eier-Gegentor") ist Spanien nun seit zwölf Pflichtspielen unbesiegt, Deutschland wartet in eben diesen gar seit 32 Jahren auf einen Erfolg gegen die Iberer.

Das Nations-League-Aufeinandertreffen war das erste Geister-Länderspiel in der Geschichte des Deutschen Fußball-Bundes. Und beide Mannschaften, mit vielen jungen Spielern im Kader, befinden sich noch im Umbruch und suchen noch die eigene DNA. Aber am Ende war dann trotzdem alles wie immer: wenig Tore (im Schnitt fallen bei Deutschland-Spanien nur 2,3 Treffer und beide Teams erzielten jeweils nur einmal mehr als zwei Tore) und wieder kein Sieg über Spanien.

Der Bundestrainer hatte sich vor dem Länderspiel bereits ein bisschen in die Karten schauen lassen. Schon am Mittwoch hatte er erklärt, zu einer Dreierkette zu tendieren und Kevin Trapp, Thilo Kehrer, Robin Gosens, Niklas Süle und Leroy Sané eine Einsatzgarantie von Beginn an ausgesprochen. Ein wenig überraschend ließ Löw Megatalent Kai Havertz auf der Bank und dafür Julian Draxler von Champions-League-Finalist Paris St. Germain von Beginn an auflaufen. Rückkehrer Süle und Sané (beide nach Kreuzbandriss) waren die einzigen Bayern-Profis im Kader, weil Serge Gnabry, Joshua Kimmich und Co. eine Pause nach dem Gewinn der Königsklasse bekamen. Bei den Spaniern startete dafür der Noch-Münchner Thiago. Noch besonderer war das Comeback für Spaniens Coach Luis Enrique, der zum ersten Mal wieder auf der Bank saß, nachdem vor einem Jahr seine 9-jährige Tochter an Knochenkrebs gestorben war.

Teams und Tore

Tore: 1:0 Werner (51.), 1:1 Gaya (90.+6)
Deutschland: Trapp - Rüdiger, Süle, Can - Kehrer, Gosens - Kroos, Gündogan (75. Serdar) - Draxler - Werner (90. Koch), Sane (63. Ginter). - Trainer: Löw
Spanien: De Gea - Carvajal, Ramos, Pau Torres, Gaya - Ruiz (80. Rodri), Busquets (57. Merino), Thiago - Navas (46. Fati), Rodrigo, Ferran Torres. Trainer: Enrique
Schiedsrichter: Daniele Orsato (Italien)
Zuschauer: keine (in Stuttgart)

Spielfilm mit dramatischem Finale

8. Minute: Thiago foult Gündogan. Kroos' Freistoß segelt in den vollbesetzten Strafraum, aber der Ball ist sichere Beute für de Gea.

11. Minute: Kroos behauptet den Ball im Mittelfeld. Über mehrere Stationen kommt er zurück zum Real-Star, der direkt an den zweiten Pfosten flankt. Kehrer steigt hoch und zwingt de Gea aus fünf Metern zu einer ersten Parade. Gute Chance, aber der Kopfball war letztendlich doch zu ungefährlich.

Anfangs jubelte die DFB-Elf noch.

Anfangs jubelte die DFB-Elf noch.

(Foto: imago images/Sportfoto Rudel)

14. Minute: Fast das 1:0 für Spanien. Can spielt einen Katastrophenpass nach hinten und bringt damit Torwart Trapp in arge Bedrängnis. Rodrigo überspielt den Keeper an der Strafraumgrenze zunächst und will ins leere Tor einschießen, aber Trapp grätscht dem Spanier im letzten Moment noch den Ball vom Fuß. Im direkten Gegenstoß scheitert Draxler an de Gea.

18. Minute: Sané versucht's per Kunstschuss: Vom rechten Strafraumeck zirkelt der Neu-Bayer die Kugel gekonnt aufs linke Toreck. Wieder pariert de Gea stark.

22. Minute: Kehrer foult den 20-jährigen Torres knapp dreißig Meter vor dem eigenen Tor. Der Freistoß wird hoch hereingeschlagen und dann per Kopf auf Busquets abgelegt. Dessen Flachschuss geht aber genau auf Trapp. Der Druck der Spanier steigt.

27. Minute: Thiago zieht eine Ecke von links mit dem rechten Fuß direkt aufs Tor. Trapp lässt die Fäuste sprechen und entschärft so die Szene.

33. Minute: Die Mannschaften egalisieren sich und bemühen sich, keine Fehler zu begehen. Spannend ist anders.

36. Minute. Sané behauptet den Ball stark im Mittelfeld und passt auf den genau im richtigen Moment startenden Werner. Der Stürmer vom FC Chelsea wird aber abgedrängt und schießt über das Tor. Trotzdem ein guter Umschaltmoment.

40. Minute: Ramos und Thiago stoppen Draxler unfair. Der fällige Standard verpufft, weil Süle im Abseits steht. Nun ja.

45. Minute: Weil Draxler einen Fehlpass spielt und die Kommunikation in der DFB-Defensive nicht funktioniert, kann Rodrigo durchstoßen und aus spitzem Winkel alleine auf Trapp zulaufen. Der Torwart hält den zu ungefährlich abgegebenen Schuss.

Halbzeit

49. Minute: Krasser Fehlpass: Trapp spielt genau in die Füße von Busquets, der auf Torres weiterleitet. Aber wieder ist der Abschluss der Spanier zu ungefährlich.

Timo Werner erzielte das 1:0.

Timo Werner erzielte das 1:0.

(Foto: imago images/Eibner)

51. Minute, Toooooooooooooooooor für Deutschland. 1:0 Werner: Gündogan verlagert mit einem wunderschönen, präzisen langen Ball nach links auf den durchstartenden Gosens. Der Neuling legt gleich in die Mitte zu Werner. Nach einer kleinen Körpertäuschung trifft der Chelsea-Stürmer mit rechts flach ins rechte Eck. Ein schön herausgespielter Treffer.

58. Minute: Warum nicht? Rodrigo zieht aus 20 Metern einfach mal ab, die Kugel saust knapp am linken Toreck vorbei. Spanien drängt auf den Ausgleich.

61. Minute: Deutschland kann jetzt kontern, weil Spanien höher steht. Der Angriff rollt über Sané auf rechts, der das Tempo anzieht und in die Mitte auf Werner legt. Der Ex-Leipziger trifft nur das Außennetz. Sané verletzt sich bei der Aktion leicht und deutet an, ausgewechselt werden zu müssen.

64. Minute: Fabián schüttelt Kroos im Sechszehner ab und spitzelt den Ball auf den aus dem Tor eilenden Trapp. Gerade noch entschärft.

70. Minute: Feiner Wackler von Thiago, der Gündogan aussteigen lässt. Mit rechts schlenzt der Bayer aus gut 16 Metern knapp am Tor vorbei. Spanien drängt.

78. Minute: Süle springt an seinem Geburtstag fix mal höher als die gesamte spanische Abwehr. Seinen Kopfball kann de Gea gerade noch über die Latte lenken.

84. Minute: Wieder reagiert Trapp stark: Diesmal verhindert er durch ein schnelles Herauseilen aus dem Kasten eine Oscar-Chance.

90. Minute: Die reguläre Spielzeit ist vorbei. Spanien drückt, aber so wirklich Gefahr kommt hier nicht auf.

92. Minute: Der Ball ist im Tor der deutschen Mannschaft. Aber allen auf dem Feld (außer dem vermeintlichen Torschützen selbst) ist klar, dass Ramos bei seinem Kopfball ein Offensivfoul begangen hat.

96. Minute, Toooooooooooooooooooooor für Spanien: 1:1 Gaya: Doch noch das dramatische Ende: Torres flankte in der letzten Sekunde noch einmal, Rodrigo verlängert zu Gaya, der aus kurzer Distanz einschiebt - der ins Toraus gegrätschte Gosens hebt das Abseits auf. Nix ist es mit dem ersten Pflichtspielsieg über Spanien seit 1988.

Was war gut?

Starkes Comeback nach Kreuzbandriss: Leroy Sané.

Starkes Comeback nach Kreuzbandriss: Leroy Sané.

(Foto: imago images/Sportfoto Rudel)

Die deutsche Offensive um Sané und Werner. Beide Stürmer waren äußerst beweglich und besonders anfangs aggressiv gegen den Ball. Immer wieder rochierten sie, stahlen sich in die Räume hinter der Abwehr, brachten die spanische Defensive so durcheinander und fuhren Konter. Gute Laufwege, viel Tempo: Trotz des insgesamt nicht stärksten Spiels der Nationalmannschaft konnte sie sich dank der beiden flinken Torjäger wiederholt sehr gute Chancen heraus spielen. Besonders Sané suchte den Abschluss und gab ein insgesamt starkes Comeback. Der FC Bayern darf sich freuen. Werner zeigte mit seinem zwölften Treffer im 30. Länderspiel, warum er der derzeit beste Stürmer ist - und warum ihn der FC Chelsea verpflichtet hat.

Löw hatte frühes Pressing vorgegeben, seine Mannschaft führte dies anfangs gut aus und eroberte sich so viele Bälle. Allerdings wusste der Bundestrainer auch vor dem Spiel bereits hinsichtlich der Iberer: "Mittlerweile sind sie gefährlich über die Außen, können mit Flanken operieren, haben gute Schützen von außerhalb des Strafraums und ein sehr gutes Pressing." So kam es dann auch. Die Spanier übernahmen die Kontrolle mit ihrem Pressing und bewiesen große Sicherheit im Spielaufbau. Letztendlich war es dann auch eine Flanke, die zum späten Ausgleichstreffer führte.

Die Kaderbreite der DFB-Elf sollte Löw Hoffnung machen. Auch ohne die Bayern-Stars und Leipzig-Spieler konnte seine Mannschaft das Spiel mit Spanien auf Augenhöhe gestalten. Besonders die Offensive und das Mittelfeld sind extrem tief mit qualitativ hochwertigen Spielern besetzt. Gnabry, Havertz, Julian Brandt und vielleicht bald der wiedergenesene Marco Reus würden den Angriff definitiv nicht schlechter machen. Gleiches gilt für das Mittelfeld um Gündogan und Kroos, wenn Kimmich und Leon Goretzka wieder dabei sind. Auch im Tor muss sich Löw keine Sorgen machen: Trapp vertrat Manuel Neuer sicher.

Was war schlecht?

Kroos sagte am Mittwoch auf der Pressekonferenz: "Wir brauchen ein starkes Mittelfeld, um auf hohem Niveau zu gewinnen." Hätte er doch nur hinzugefügt, dass das nicht nur für 90, sondern auch mal für 96 Minuten gelten müsse. Denn nach dem 1:0 zog sich die DFB-Elf viel zu weit zurück und überließ den Spaniern das Mittelfeld beinahe komplett. Keine Agilität, kein Aufbäumen. Der späte Ausgleich war folgerichtig aufgrund der Überlegenheit der Iberer, auch wenn sie sich nicht große Torchancen im Minutentakt herausspielten. Auf das 2:0 zu gehen, hätte der Nationalmannschaft besser gestanden.

Die Kommunikation war ebenfalls mangelhalft. Bei der DFB-Elf wurde auf dem Feld auffällig wenig gesprochen. Das war man von den Champions-League-Partien ohne Zuschauer anders gewöhnt. Kroos, der erfahrenste Kicker, ist vom Typ her eher ruhig. Auch Gündogan ist kein Lautsprecher, genauso wenig Sané oder Werner. Can versuchte es hier und mit Verbalattacken, aber der Rest der Defensive blieb zu still. Wer der (verbale) Anführer in der Mannschaft ist, wissen die Spieler vielleicht selbst noch nicht so genau. Auch deshalb leistete sich das DFB-Team mehrere Abspielfehler.

Zusammen sind sie Tripe-Sieger geworden, nun trennten sich Niklas Süle und Thiago unentschieden.

Zusammen sind sie Tripe-Sieger geworden, nun trennten sich Niklas Süle und Thiago unentschieden.

(Foto: imago images/Sven Simon)

In der ersten Hälfte wirklich nicht gut: Julian Draxler. Der Pariser fand kaum statt im teilweise flotten deutschen Angriffsspiel. Wenn, dann vertändelt er die Bälle immer wieder. Warum Löw auf ihn setzte (wiederholt) und Havertz auf der Bank Platz nehmen musste, bleibt sein Geheimnis. In der zweiten Halbzeit hatte Draxler dann allerdings auch bessere Aktionen.

Außerdem schlecht: ZDF-Kommentator Béla Réthy. Immer wieder erkannte er einen anderen Spieler als den, der tatsächlich den Ball spielte. Réthy verhaspelte sich mit den Namen der Spanier oder verwechselte sie und sprach auch Emre Cans wiederholt falsch aus. Für Jesús Navas wollte er sogar die "ungewohnte Position Rechtsaußen" entdeckt haben, obwohl dieser dort früher immer spielte. Die Länderspiel-Pause hat Réthy nicht gut getan

Was sagen die Beteiligten?

Joachim Löw: "Unsere Jungs haben alles gegeben, haben gefightet bis zum Schluss. Es war gut, ich kann zufrieden sein. Wir hatten im Spiel insgesamt die besseren Chancen als die Spanier. Es ist viel passiert in der ersten Halbzeit, es war fast ein Schlagabtausch."

"Wir haben in der Vorwärtsbewegung einige Bälle verloren, das kostet Kraft und Energie. In der Schlussphase haben wir einige Kopfbälle verloren im Sechzehner. Das sind die Kleinigkeiten, die es ausmachen. Aber ich habe der Mannschaft ein paar Dinge mitgegeben, das haben sie wirklich gut gemacht, das hätte ich so nicht erwartet, das war echt bemerkenswert. Das kann man nach zwei, drei Einheiten so nicht erwarten, schon gar nicht bei dem Fitnesszustand."

"Worüber ich mich aufrege: Die ganze Zeit gab es fünf Wechsel, das fand ich sinnvoll. Jetzt wird es zurückgenommen - gerade jetzt! Gerade jetzt hätte es das gebraucht. Einige sind auf dem Zahnfleisch gelaufen - dann passieren die Verletzungen."

Timo Werner: "Das ist sehr ärgerlich, wir haben viel reingesteckt ins Spiel, sind sehr viel gelaufen. Nach dem Tor haben wir uns vielleicht zu weit hinten reindrücken lassen."

Robin Gosens: "Ich habe wieder etwas gelernt. Ich dachte, wenn ich hinter der Linie stehe, bin ich nicht mehr im Spiel. Das geht mir ordentlich auf den Zünder, dass wir in der letzten Sekunde dieses Eier-Gegentor bekommen."

Leroy Sané: "Wir kamen aus dem Urlaub, Spanien war natürlich auch nicht ganz fit. Das späte 1:1 ist etwas ärgerlich, klar, sonst war es okay. Ich selbst fühle mich bei 80 Prozent."

Der Tweet zum Spiel

Quelle: ntv.de

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