Salihamidžić-Coup scheitert hart Der FC Bayern verliert die Millionen-Wette
03.01.2022, 21:02 Uhr
Ein Titelsammler: Mickaël Cuisance.
(Foto: Kevin Voigt/Jan Huebner/Pool)
Der FC Bayern dünnt seinen Kader aus, angesichts des massiven Corona-Ausbruchs beim Rekord-Champion ist das durchaus mutig. Allerdings ist es auch so: Mickaël Cuisance konnte niemals die Erwartungen erfüllen. Die hatte der Sportdirektor vor zweieinhalb Jahren sehr hochgeschraubt.
Mickaël Cuisance ist sehr kreativ. Mickaël Cuisance hat eine sehr gute Technik. Mickaël Cuisance hat eine sehr gute Spielidee. Mickaël Cuisance spürt auch auf engem Raum keinen Druck. Und im linken Fuß von Mickaël Cuisance da ist mal so "richtig Musik drin". Das sagte Hasan Salihamidžić am 20. August 2019. Stolz hatte der damalige Sportdirektor des FC Bayern seinen Überraschungstransfer an diesem Tag vorgestellt. Wer nie zuvor von diesem jungen Fußballer gehört hatte, der musste ja den Eindruck bekommen, als wäre dem Rekordmeister ein Mega-Coup mit Topstar-Potenzial gelungen. Wer sich indes zuvor bereits mit ihm beschäftigt hatte, der dürfte bei den Worten von Salihamidžić überrascht aufgeschreckt sein.
Anders als an diesem 3. Januar 2022. Da sagte der Bosnier über den Franzosen: "Wir bedanken uns bei Michaël Cuisance für seinen Einsatz im Trikot des FC Bayern und wünschen ihm alles Gute und viel Erfolg für seine Zukunft beim FC Venedig." Mehr emotionale Diskrepanz zwischen Antrittshymne und Abschiedsgruß geht nicht. Die Wette, die der Klub (oder der heutige Sportvorstand) mit dem Spieler eingegangen ist, sie wurde verloren. Und das krachend. Lediglich 13 Mal lief der 22-Jährige in zweieinhalb Jahren für die Münchner auf. Dass er dabei zwei Treffer erzielte, schmückt die Statistik, ändert aber nichts an der verheerenden Bilanz. Der im Sommer 2019 für die überraschend teure Summe von zehn Millionen Euro (so hieß es) von Borussia Mönchengladbach verpflichtete Spieler wird einen äußerst prominenten Platz in der bei vielen Medien beliebten Serie: "Transferflops des FC Bayern" einnehmen.
Eine Einnahme, wenn auch nur eine kleine, beschert Cuisance seinem Ex-Arbeitgeber noch. Vom FC Venedig sind drei bis vier Millionen Euro zu erwarten. Auch so eine ganz bittere Erkenntnis: Dem FC Bayern gelingt es kaum noch, an seinen Spieler Geld zu verdienen. Und das wird sich mutmaßlich so schnell nicht ändern. Auch bei den immer mal wieder als Verkaufskandidaten gehandelten Benjamin Pavard und Corentin Tolisso dürften die Ablösen weit weg von einst gezahlten Summen liegen. Auf lange Sicht wird eine solche Transferbilanz zum Problem. Erst recht in Zeiten der Corona-Pandemie. Die wütet übrigens weiter heftig beim FC Bayern. Sechs Spieler und Co-Trainer Dino Toppmöller verpassen wegen positiver Tests den Trainingsauftakt zur Rückrunde. Und wie fit Joshua Kimmich nach seinem fast siebenwöchigen Corona-Ausfall ist? Nun, das weiß auch niemand.
Weiteres Ex-Top-Talent verlässt die Bayern
Ob es sinnvoll ist, Cuisance ausgerechnet in einer solch angespannten Zeit zu verkaufen? Diese Frage stellt sich nicht. Denn Cuisance war nie Teil einer Lösung beim FC Bayern. Ebenso wie der einst ebenfalls hoch gewettete Oliver Batista Meier, der für die 2. Mannschaft in der Regionalliga zauberte (zwölf Tore, acht Vorlagen), aber nie eine Chance hatte, sich bei den Profis durchzusetzen. Er hat den Klub an diesem 3. Januar verlassen und bei Dynamo Dresden unterschrieben. Für Cuisance öffnet sich in Venedig die nächste Chance, sein Talent zu beweisen. Und das ist unbestritten groß. Und so lag auch Salihamidžić im Sommer 2019 nicht gänzlich falsch, als er über die Qualitäten des Spielmachers hymnisch referierte. Es waren und sind eben offenbar andere Dinge, die den Durchbruch des feinen Technikers verhindern.
Und da geht es dann eben um Einstellung und Großmut. In Mönchengladbach schimpften sie nach dem Abgang wütend über die Mentalität des Spielers. "Für uns war der Transfer unabdingbar. Ich hatte den Eindruck, dass die Borussia für ihn zu klein geworden ist", erklärte der damalige Trainer Marco Rose. Dabei hatte der mit seinem Selbstbewusstsein nah an der Arroganz bewegende Franzose gerade mal eine gute, eine viel versprechende, aber keine herausragende Debüt-Saison in der Bundesliga und ein mäßige Folge-Spielzeit absolviert. Cuisance habe aber dennoch "einige Verhaltensweisen an den Tag gelegt, die er bei seinem neuen Arbeitgeber sicher nicht an den Tag legen wird". Konkreter wurde der Coach damals nicht.
Starke Ansagen, ernüchternde Tatsachen
Sportdirektor Max Eberl hatte in den Tagen vor dem Wechsel vielsagender erklärt: "Wir führen seit vielen Wochen Gespräche mit dem Spieler und seinem Management. Es ist überraschend für mich, dass die Unzufriedenheit so groß ist bei einem 19-Jährigen, dass er eine Stammplatz-Garantie fordert, die kein Spieler bei uns hat." Am Ende sei gar von der Seite des Spielers auf eine Art und Weise Druck ausgeübt, der "unangenehm war." Er sprach sogar davon, dass es für "die Kabine besser" gewesen sei, sich zu trennen. Besonders überrascht war Eberl allerdings davon, dass Cuisance seinen Wunsch nach Spielzeit nun beim Rekordmeister sucht.
Auf die Mentalität des Spielers wollten sie in München damals derweil nichts kommen lassen. Die sei "super", versicherte Salihamidžić. Und ganz demütig versicherte der Franzose als Angestellter des FC Bayern: "Ich will hart arbeiten, gut trainieren, mich anpassen und alles geben, um mit der Mannschaft die Saisonziele zu erreichen." Persönlich erreicht hat er an der Säbener Straße wenig, weder den Coach Niko Kovac, noch die Trainer Hansi Flick und Julian Nagelsmann konnte er von seinen Fähigkeiten überzeugen. Aber immerhin reichlich dekoriert verlässt er seine zweite Profistation in Deutschland: Cuisance ist Meister, Pokal- und Champions-League-Sieger - und setzt sich zum Abschied bei Instagram mit seinen besten Momenten in Szene. Wer sich nie zuvor mit diesem Spieler beschäftigt hatte, der könnte denken: Der FC Bayern begeht einen verdammt großen Fehler...
Quelle: ntv.de, tno