Fußball

Vom Absteiger zur Heim-EM Der unwirkliche Rausch von DFB-Star Maxi Mittelstädt

maxi.JPG

Im Sommer 2023 wechselt Maximilian Mittelstädt von Hertha BSC zum VfB Stuttgart. Der Wechsel hat auch für seine Karriere folgen: Anderthalb Jahre später spielt er als Vizemeister bei der Heim-Europameisterschaft. Der DFB-Star braucht Zeit, um das alles zu verarbeiten.

Es gibt einige erste Male, die ein Fußballer so schnell nicht vergisst. Das Profi-Debüt, das erste Tor, der erste Titel oder eben der erste Anruf vom Bundestrainer. Als Maximilian, genannt Maxi, Mittelstädt erstmals von Julian Nagelsmann angerufen wird, war er nicht alleine. Während zu Beginn des Jahres das Telefon klingelte, saß er gerade zufällig mit seinem Schwager und einem Kamerateam in seinem Auto. Sie waren gemeinsam auf dem Weg zu einem Berliner Dönerladen, den Ex-Weltmeister Sami Khedira ihm einst empfohlen hatte. Mittelstädt erzählte gerade dem TV-Team seine Geschichte, als sie ein neues Kapitel bekommen sollte.

"Es ist immer noch eine extrem witzige Geschichte, wie wir im Auto saßen und auf einmal Julian Nagelsmann angerufen hat", erinnert sich Mittelstädt im Gespräch mit RTL/ntv. Es sei eine unbekannte Nummer gewesen. "Deshalb wusste ich nicht, wer anruft und waren dann sehr erschrocken, als es Julian Nagelsmann war." Der Anruf sollte für Mittelstädt vieles verändern. "Es war ein sehr emotionaler Moment und ich habe dann direkt meine ganze Familie angerufen", erzählt er.

In den vergangenen anderthalb Jahren rauschten an Mittelstädt viele solcher unwirklichen Momente vorbei. Erst im Spätsommer, während seines Urlaubs, hat er verstanden, was da eigentlich passiert ist. Im Sommer 2023 steigt er mit Hertha BSC ab, wechselt dann zum VfB Stuttgart. Und ein Jahr später steht er dann als Vizemeister beim Eröffnungsspiel der Heim-Europameisterschaft für das DFB-Team in der Startelf. Unter Bundestrainer Julian Nagelsmann wird Mittelstädt zum festen Teil der Nationalmannschaft - auch, wenn es zu den letzten Nations-League-Spielen gegen Bosnien-Herzegowina (Samstag, 20.45 Uhr/RTL) und Ungarn (Dienstag, 19.11, 20.45 Uhr/ZDF, beides im ntv.de-Liveticker) geht.

Vom Abstiegskampf zu Real Madrid

Dabei sieht es lange nicht danach aus, dass seine Karriere eine solche Wendung nimmt. Mittelstädt kommt ursprünglich aus Berlin-Spandau, dem Stadtrand. In der Jugend wechselt er dann zu Hertha BSC. Dort läuft er für die U-Nationalmannschaften auf, absolviert sein Bundesliga-Debüt. Insgesamt steht er 157 Mal für die Blau-Weißen auf dem Rasen. Die vielen wechselnden Trainer der Hertha sehen das Potenzial, das in dem Außenverteidiger schlummert. Doch seine Leistungen schwanken, er spielt nur unregelmäßig. Das liegt auch daran, dass ausgerechnet auf seiner Position lange Zeit Marvin Plattenhardt spielt, dessen Flanken gefürchtet waren. Mittlerweile hat der 32-Jährige seine Karriere beendet.

Mittelstädt macht mit seiner Hertha derweil viel durch. So sind es vor allem die vielen Krisen des Hauptstadtklubs, die nicht spurlos an ihm vorbeigehen. Die Zeit hat ihn nachhaltig geprägt, erzählt Mittelstädt heute. "Wenn du über Jahre hinweg im Abstiegskampf steckst, hast du mental noch einen ganz anderen Druck, als wenn du vielleicht mal in der Champions League gegen Real Madrid keinen Sieg holst", sagt er. Für den Kopf sei es etwas anderes, wenn "du jeden Tag um das Überleben spielst und hoffst, dass du nicht absteigst". Die Zeit habe ihn stärker gemacht, auch mental.

Obwohl es in Berlin nicht immer einfach war, sei ihm der Entschluss, zum VfB Stuttgart zu gehen, nicht leichtgefallen. Im Sommer 2023 steigt die Hertha zum siebten Mal in der Vereinsgeschichte ab. Mittelstädt bleibt jedoch in der ersten Liga, wechselt zum VfB. "Es war keine leichte Entscheidung", sagt er rückblickend. Er habe lange überlegt, spielte sogar mit dem Gedanken, beim Hauptstadtklub zu bleiben. Was gewesen wäre? Ob er auch trotzdem bei der EM gewesen wäre? Man kann heute nur spekulieren, es scheint unwahrscheinlich. "Ich glaube, man kann jetzt, nach knapp anderthalb Jahren sagen, dass es für mich persönlich der richtige Schritt war", sagt er.

Doch auch beim VfB Stuttgart läuft es zunächst nicht gut. Im Trainingslager verletzt er sich am Knie: Gleich am ersten Tag zerrt er sich das Innenband, fällt vier Wochen aus. "Aber trotzdem hatte ich nie das Gefühl, dass ich lange brauchen würde, um hier anzukommen", erzählt Mittelstädt. Sein neuer Trainer Sebastian Hoeneß habe dem Außenverteidiger auf Anhieb ein gutes Gefühl gegeben. Schon nach seiner Verletzung steht er schnell wieder im VfB-Kader. Mittelstädt bekommt viel Spielzeit, er entwickelt sich selbst weiter. Die Leistungen des fleißigen Außenverteidigers werden konstanter, er leistet sich kaum Schnitzer. Anders als in Berlin wohnt er nicht mehr im Stadtzentrum, Familie und Freunde geben ihm zudem mehr Halt.

Erst schwieriger Start

Bis seine Auftritte ihn eben bis in die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bringen. Mittelstädt profitiert auch von einem glücklichen Umstand: Die Position des Linksverteidigers bereitete schon den Vorgängern von Bundestrainer Nagelsmann viele Sorgenfalten. Nagelsmann selbst war es, der einst sogar Mittelstürmer Kai Havertz als "Joker" auf die Position rückte. Mit Mittelstädt und dem Leipziger David Raum haben diese Experimente nun erst einmal ein Ende gefunden.

Die Geschichte Mittelstädts erzählt auch viel über den Wandel im DFB-Team. Die Tür in den Kader steht unter Nagelsmann so offen wie schon lange nicht mehr. Tim Kleindienst, Deniz Undav, Robert Andrich: Plötzlich bekommt auch Chancen auf das DFB-Trikot, wer abseits der großen Klubs einen Leistungssprung macht, die Blockbildung mit Spielern aus München oder Dortmund ist nicht mehr selbstverständlich. Als VfB-Vorstand Alexander Wehrle im vergangenen Jahr sagte, er wünsche sich, dass es ein VfB-Profi in den EM-Kader schaffe, wurde er belächelt. Am Ende waren es sogar vier, mittlerweile sind es noch mehr. "Wir sind jetzt sechs A-Nationalspieler, ich glaube, das spricht auch für die Entwicklung", sagt Mittelstädt.

Der QR-Code führt Sie direkt zum Mittelstädt-Interview auf RTL+.

Der QR-Code führt Sie direkt zum Mittelstädt-Interview auf RTL+.

Nagelsmann hatte mit vielen Bräuchen seiner Vorgänger gebrochen, er hat das Leistungsprinzip zurückkehren lassen. Nicht nur das: Der Bundestrainer habe es geschafft, wieder eine Mannschaft zu formen, sagt Mittelstädt. Das hat ganz praktische Gründe: Nagelsmann ist erst 37 Jahre alt, für einen Bundestrainer ziemlich jung. "Er spricht die Sprache der Spieler." Das helfe ihm, auf die Bedürfnisse seiner Spieler einzugehen. So sei eine Einheit entstanden, die auch neben dem Feld "extrem gut" harmoniere.

Und die einen auffängt, wenn man Fehler macht: Mittelstädts DFB-Karriere startet durchaus durchwachsen. Bei den März-Länderspielen debütiert er gegen Vize-Weltmeister Frankreich - und liefert eine solide Leistung ab. Doch schon im zweiten Spiel, gegen die Niederlande, geht es denkbar schlecht los. Wenige Minuten gespielt, patzt ausgerechnet Mittelstädt, Oranje führt schon in der vierten Minute mit 1:0. Und dennoch konnte er mit dem Druck gut umgehen können, sagt er. "Ich war zu dem Zeitpunkt nicht mehr der allerjüngste Spieler", sagt er. "Ich war in einem Alter, in dem man schon viel erlebt hat, solche Fehler auch schon gemacht hat."

Mehr zum Thema

Und so zeigte er, wie es in der Fußball-Fachsprache heißt, postwendend die richtige Reaktion. "Klar ist, dass man sowas nicht einfach abschüttelt." Keine zehn Minuten später: Fernschuss, Tor Mittelstädt. Es sei die beste Antwort gewesen. "In dem Moment habe ich aber nicht gedacht: 'Ich muss jetzt ein Tor machen, um den Fehler auszubügeln.' Ich habe einfach versucht, meine Leistung weiterzubringen und mich nicht davon beeinflussen zu lassen", erzählt er. "Das Tor tat dann dementsprechend sehr gut." Es war ein "Wahnsinnsgefühl" und wieder eine Erinnerung, die er so schnell nicht vergessen wird.

Die ganze Reportage über die Karriere von DFB-Star Maxi Mittelstädt sehen Sie bei RTL+ und Youtube.

Quelle: ntv.de, ses/jma

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen