Fußball

Nicht alle wollten ihn im Winter Jetzt ist sogar Yann Sommer ein Problem beim FC Bayern

Yann Sommer kam für die ganz großen Ziele des FC Bayern.

Yann Sommer kam für die ganz großen Ziele des FC Bayern.

(Foto: AP)

Es ist ein kleiner Coup, als Yann Sommer im Winter zum FC Bayern München wechselt. Der Transfer gilt als bestmögliche Reaktion auf die schwere Verletzung von Manuel Neuer. Nur drei Monate später ist alles deutlich komplizierter geworden.

Wäre Manuel Neuer nur niemals Skiwandern gegangen. Wer weiß, vielleicht wäre der FC Bayern dann schon Deutscher Meister, stünde im Halbfinale der Champions League und hätte schon eine Hand am DFB-Pokal. Aber der Kapitän wollte nach dem WM-Desaster von Katar im Dezember "den Kopf frei bekommen", schnallte die Ski an - und brach sich das Bein. Das Krachen in Neuers Unterschenkel brachte auch den Bruch in der Saison seines Klubs. Neuer flogen sie mit dem Helikopter vom Berg, der FC Bayern machte sich erst in kleinen Schritten, dann immer schneller werdend an den Abstieg. Das hat auch mit Yann Sommer zu tun. Dabei macht der eigentlich nie Probleme.

Dass der FC Bayern den Schweizer Nationaltorhüter nach längerem Ringen kurz vor dem Bundesliga-Restart im Januar von Borussia Mönchengladbach loseisen konnte, war durchaus ein Coup. Mindestens aber eine kaum angreifbare Entscheidung der Verantwortlichen. Sommer ist für einen Torwart angeblich ein bisschen zu klein, 1,83 Zentimeter sind kein Gardemaß, Manuel Neuer ist zehn Zentimeter größer. Aber Sommer ist seit Jahren einer der besten Torhüter der Bundesliga, niemand hielt in der vergangenen Saison mehr Bälle. Die Schweiz führte Sommer mit zahlreichen Weltklasseparaden ins Viertelfinale der EM 2021. Sommer macht eigentlich keine Probleme.

"Wir sind sicher ..."

"Yann Sommer ist eine wertvolle Verstärkung für uns, weil er international sehr erfahren ist und auch die Bundesliga bereits seit vielen Jahren kennt. Er bringt alles mit, um bei uns sofort seinen Teil zum Erfolg beitragen zu können", sagte Vorstandsboss Oliver Kahn bei der Vorstellung seines neuen Stammkeepers. "Wir sind sicher, dass wir mit Yann Sommer unsere Ziele erreichen können." Aber beim FC Bayern ist inzwischen sogar Sommer ein Problem.

Denn die Ziele des Januars haben sich schon im April in Luft aufgelöst: Pokal-Aus gegen Freiburg im Viertelfinale, in der Champions League gegen Manchester City war man trotz gegenteiliger Beteuerungen chancenlos gegen Manchester City - und in der Meisterschaft wurde aus dem neun Punkte starken Vorsprung auf Borussia Dortmund einen Monat vor Saisonende ein Punkt Rückstand. Dass es so kam, vor allem die Sache mit dem Rückstand, hat auch mit Sommer zu tun.

1:0 hatte das dieser Tage ungewohnt an sich selbst (ver)zweifelnde Bayern-Ensemble gegen Mainz 05 geführt, nicht glanzvoll, aber verdient. Bis Yann Sommer einen vergleichsweise harmlosen Ball nicht festhalten konnte und ihn stattdessen dem direkt vor im stehenden Ludovic Ajorque auf die haarlose Stirn pritschte. Der Mainzer Stürmer nickte ein, der FC Bayern zerbrach vor den Augen der Nation und verlor erst das Spiel (1:3) und durch den Dortmunder Sieg gegen Eintracht Frankfurt später auch die Tabellenführung.

1:0 hatte der FC Bayern auch schon vergangene Woche zuhause gegen Abstiegskandidat TSG Hoffenheim geführt, als sich dessen Stürmer Andrej Kramaric einen Freistoß an der Strafraumgrenze ergaunerte - und den dann gleich selbst verwandelte. Yann Sommer flog und streckte sich vergeblich. Wie die "Frankfurter Rundschau" schrieb, "liefert Sommer mit lediglich 58,5 Prozent abgewehrten Bällen die schlechteste Quote aller Bayern-Keeper der vergangenen 30 Jahre, (Ersatztorwart Sven) Ulreich kommt auf 66,5, Neuer auf 74,4 Prozent." Das aber fällt freilich nur ins Gewicht, weil der FC Bayern dieser Tage mehr taumelt als marschiert. "Wir haben mit sehr wenig Energie, Tempo und Tempowechseln gespielt. Mit viel Verunsicherung und vielen einfachen Fehlern", schimpfte Tuchel nach dem Hoffenheim-Schreck, den Verteidiger Matthijs de Ligt als "schlechter gehts nicht mehr" für sich analysierte.

Schon nach dem 0:3 in der Champions League wenige Tage zuvor wurde Sommers bekannte Körperlänge problematisiert - weil er einen Sonntagsschuss von Rodri nicht aus dem Winkel fischen konnte. Yann Sommer ist halt 1,83 Meter groß und es ist wahrscheinlich, dass sich an diesen Maßen seit seinem Bundesligadebüt 2014 nichts mehr geändert hat. Es war noch nie ein Problem, Sommers überragende fußballerische Qualitäten und seine herausragenden Stärken im 1:1-Spiel machten das all die Jahre wett. Bis heute, wo beim angeschlagenen FC Bayern im grellen Schlaglicht alles zum Problem wird. Auch Yann Sommer, der vom "Kicker" noch im Winter zum zweitbesten Torwart der Bundesliga gewählt wurde - weit vor Manuel Neuer (Platz 7). Gewiss, ein Manuel Neuer in Topform hätte möglicherweise in Manchester oder gegen Hoffenheim ein Gegentor verhindert. Aber Neuer ist nicht da, selbstverschuldet.

Verantwortliche uneins bei Sommer-Wechsel

Vielleicht haben die Gegentore mit Sommers Größe zu tun, vielleicht nicht. Augenscheinlich ist aber, dass der Schweizer seiner taumelnden Mannschaft nicht das Rückgrat stärken konnte, wie es ein Neuer vermochte. Gegen Paris St. Germain verstolperte Sommer im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League den Ball im eigenen Strafraum, in der Bundesliga kostete ein Fauxpas gegen den VfB Stuttgart beinahe Punkte - Verteidiger de Ligt musste jeweils spektakulär retten. Bei seiner Rückkehr nach Gladbach im Februar verzichtete Sommer darauf, einen langen Ball auf Alassane Pléa abzulaufen - Dayot Upamecano flog daraufhin wegen einer Notbremse umstritten vom Platz, Bayern verlor das Spiel 2:3. Im Hinspiel hatte er noch im Gladbach-Trikot mit 19 Paraden seine neuen Mitspieler zur Verzweiflung getrieben. Auch gegen City patzte der 82-fache Nationalspieler mit den Füßen zweimal überraschend, zu seinem Glück folgenlos. Vertrauensbildend ist all das nicht, auch wenn der Schweizer teilweise unglaubliche Paraden zeigt.

Wie der "Kicker" nun schreibt, gab es unter den Entscheidern durchaus Strömungen, die lieber auf Sommers Dienste verzichtet hätten. Man habe für den dänischen Nationaltorwart Kasper Schmeichel bereits ein unterschriftsreifes Vertragsangebot vorbereitet gehabt, schreibt das Fachblatt. Schmeichel spielt derzeit für OGC Nizza und ist 1,89 Zentimeter groß - und wäre sofort bereit gewesen, zum Rekordmeister zu wechseln. Doch, so schreibt der "Kicker", der ehemalige Bayern-Coach Julian Nagelsmann wollte einen deutschsprachigen Torwart, der - anders als Schmeichel - länger als nur für sechs Monate unterschreiben sollte. Das war auch der Wunsch von Sportvorstand Hasan Salihamidžić. Schmeichel durfte nicht kommen, Nagelsmann musste den FC Bayern inzwischen verlassen.

Und Manuel Neuer wird zur neuen Saison zurückkehren. "Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass der Manu es noch mal wissen will", sagte der neue Trainer Thomas Tuchel, dem die Saison des Serienmeisters dieser Tage zwischen den Fingern zerrinnt. Doch Neuer wird in dieser Saison nicht mehr für den FC Bayern spielen. Nicht völlig auszuschließen ist dagegen, dass der im Verein hochgeschätzte Sven Ulreich noch zu Einsätzen kommt, als vertrauensbildende Maßnahme für das wackelnde Konstrukt FC Bayern.

Kommt der Torwartwechsel?

Nach Neuers Verletzung war man sich noch uneins, wem man die großen Ziele des Klubs anvertrauen sollte. Nur schnell war klar: Ulreich sollte es nicht sein, es musste die externe Lösung werden. "Wir haben mit Ulle auch schon in den letzten Jahren das eine oder andere Mal als Nummer eins gespielt. Wir alle vertrauen ihm voll. Er hat auch in dieser Saison schon ein paar Spiele gemacht und das immer herausragend gut", sagte Joshua Kimmich im Januar- und mahnte dennoch zum Handeln: "Trotzdem ist es ja keine Frage, dass wir noch einen Torhüter brauchen." Wenig später unterschrieb Sommer, Ulreich kam wettbewerbsübergreifend zu keinem Einsatz.

Nun geht es "nur" noch um die Meisterschaft, alle anderen Ziele, die man Ulreich nicht in die Hand geben wollte, sind schon verpasst worden. Wird der FC Bayern nicht "wenigstens" deutscher Meister, ist das eine Katastrophe für den Klub. "Ein Titel, das ist fast ein bisschen zu wenig", postulierte Uli Hoeneß schon 2017 den Anspruch des Klubs.

Quelle: ntv.de

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