Fußball

Wilde Gerüchte um Oliver Kahn Klappernder Gigant FC Bayern stürzt in die deutsche Krise

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Bayern München, forever number one. Jeder Fußballfan kennt diesen Gesang. Aber stimmt das noch? Zum ersten Mal seit langer Zeit wankt der FC Bayern München. Der Sturzflug dieser Saison könnte nun sogar FCB-Boss Oliver Kahn den Job kosten. Aber wieso eigentlich? Sein Scheitern war vorprogrammiert.

Aus. Vorbei. In der 57. Minute, kurz nachdem die Bayern im Spiel gegen Manchester City wieder einmal eine dicke Chance verpasst hatten, starb etwas in München. Erling Haaland, diese norwegische Weltsensation, besiegelte im direkten Gegenzug das Ende des FC Bayern München in der Champions League. Das Spiel in der Allianz Arena war bis zu diesem Zeitpunkt durchaus offen. Ein Tor der Bayern hätte es nach dem 0:3 im Hinspiel drehen können. Aber vorne war niemand und hinten rutschte Dayot Upamecano aus. Danach herrschte Stille.

Kein Wunder, nur noch ein geschenkter Elfmeter. 1:1 und noch mehr Aufregung. Die Saison droht den Bayern endgültig, um die Ohren zu fliegen. Die Not war so groß, dass sogar der Schutzpatron des ewigen Erfolges, Uli Hoeneß, in die Kabine dampfte. Ein seltener Gast nach einem deprimierenden Abend. Um ihn sollten sich wenig später Gerüchte ranken.

Haaland gegen Upamecano. Beide Spieler als ein Symbol für die großen Probleme des Rekordmeisters. Der eine war für die Bayern im vergangenen Sommer nicht zu bezahlen oder wollte nicht zu ihnen, der andere ist seit seinem 42,5-Millionen-Euro-Transfer von RB Leipzig nie wirklich angekommen. Das Aus im Viertelfinale besiegelte eine historisch schwache Saison: Erst zum dritten Mal verfehlen die Bayern in ihrer Geschichte sowohl national als auch international in drei aufeinanderfolgenden Spielzeiten die Halbfinals.

In kürzester Zeit fachgerecht zerlegt

Schon während des bitteren und hochverdienten Ausscheidens gingen die Fans in der Südkurve auf die Barrikaden, wenige Stunden später dann geriet die Bosse Oliver Kahn und Hasan Salihamidžić endgültig ins Visier der Kritiker. Die ersten Experten wie der Norweger Jan Aage Fjörtoft sprachen schon bald von der bevorstehenden Ablösung des ehemaligen Welttorhüters. Von einer Rückkehr von Uli Hoeneß war da die Rede, Präsident Herbert Hainer aber dementierte derartige Überlegungen wenig später. Welch verrückte Wendung das auch wäre.

Der und sein Sportdirektor Salihamidžić waren vor diese Saison mit ihrer kostspieligen, aber lückenhaften Transferpolitik All-In gegangen und dann graduell in Panik verfallen. Das alles ist gut dokumentiert. Der mühsame Transfer von Yann Sommer nach Neuers Verletzung, der Kontrollverlust in der Öffentlichkeit, die fruchtlose, jedoch umstrittene Trennung von Julian Nagelsmann, die überstürzt wirkende Ankunft von Thomas Tuchel im Saisonfinale und der Kabinenstreit zwischen Leroy Sané und Transferflop Sadio Mané hatten den Rekordmeister binnen kürzester Zeit fachgerecht zerlegt. Auf dem Platz und neben dem Platz, wo nun alles hinterfragt wird. Dabei war doch alles so erfolgreich.

Aufgerieben im Spiel der Superklubs

In der Bundesliga liegen die Bayern noch vorne. Doch das hat der Rekordmeister eher der Dortmunder Dummheit als der eigenen Stärke zu verdanken. Nach dem Sturm an die Tabellenspitze ließen den BVB in den vergangenen Wochen regelmäßig die Nerven im Stich. Der Aussetzer von Gregor Kobel in München und das unerklärliche Versagen gegen zehn abstiegsgefährdete Stuttgarter spülten den FCB dort irgendwie zurück auf Rang eins. Aber auch hier ist der Titel noch lange keine Selbstläufer. Zu viele sportliche Fragen bleiben offen. Wer soll die Tore schießen, wann findet Jamal Musiala zu seiner Bestform, wohin wandert Thomas Müller und was ist eigentlich mit Leon Goretzka passiert? Auch in der Liga muss ein Scheitern einkalkuliert werden.

Doch das ist schon lange nicht mehr der Anspruch des seit einem Jahrzehnt amtierenden Meisters. Der Bundesliga sind sie entwachsen, in Europa droht ihnen der Schritt in die Zweitklassigkeit. "Sie sehen aus wie eine schwindende Kraft in Europas neuer Elite", schrieb der englische "Guardian" beinahe mitfühlend über das Scheitern der Bayern im April 2023. "Uns muss klar sein, dass der sportliche Erfolg der vergangenen Dekade kein Selbstläufer ist und permanent neu erarbeitet werden muss", sagte Oliver Kahn im Herbst 2020, einige Monate vor der vorzeitigen Amtsübernahme von Karl-Heinz Rummenigge am 1. Juli 2021. In den nicht einmal zwei Jahren seither musste der neue Vorstandsboss der Bayern erfahren, was das in einer sich rasant entwickelnden Fußballlandschaft bedeutet.

Im Spiel der Superklubs gibt es mehrere Möglichkeiten, auf der Höhe zu bleiben. Doch der in Deutschland auch durch die 50+1-Regelung gewählte Weg ist in diesen Jahren einer, der auch sportliche Misserfolge mit einkalkulieren muss. Es ist ein Weg, der sich gegen die Einmischung der mit Geld um sich schmeißenden Staaten der arabischen und gegen die der ebenso mit Geld um sich werfenden Konsortien der amerikanischen Welt stellt. Klar, die Bayern haben mit Qatar Airways einen Sponsor aus dem Raum und beim Unterhaltungsklub Hertha BSC gewinnt dieser Tage der US-Investor 777 großen Einfluss, doch noch sind die Fluttore nicht geöffnet.

All-In gegangen für nichts

Die alten Bayern-Bosse Rummenigge und Hoeneß hatten lange vor dieser Zeitenwende im Fußball gewarnt, doch für eine Antwort fehlte ihnen der Langmut. Anstatt ihren Klub durch die Transformation zu navigieren, machten sie Platz für ihre Nachfolger Kahn und Salihamidžić. Doch diese konnten das schwere Erbe bislang nicht stemmen. Sie vergriffen sich gleich mehrfach auf dem Transfermarkt, mussten zusehen, wie andere europäische Vereine mit ihren unendlichen Geldern einfach nachlegten.

Es ist Teil der Taktik, die Bayern München in Deutschland selbst perfektioniert hat und so über die Jahre immer wieder ihre Verfolger abschütteln konnte. In Europa schlucken sie nun ihre eigene Medizin und verlieren zunehmend den Anschluss. Der seit Wochen vorherrschende Panik-Modus wurde aus genau diesen Gründen aktiviert. Für eine Deutsche Meisterschaft wäre all das nicht passiert. Und jetzt müssen sie sich auch noch der Kritik stellen. Weil sie All-In gegangen sind und damit ihre Karten nicht gut ausgespielt haben.

Noch gibt sich Kahn kämpferisch, doch der Wind bläst ihm längst rau ins Gesicht. Von einem "Bosse-Beben" ist die Rede. Es kann in dieser womöglich spektakulärsten Saison seit langer Zeit nicht ausgeschlossen werden: "Wir werden wieder angreifen", erklärte der CEO nach dem Spiel und auch Präsident Herbert Hainer versprach frisches Geld vom noch immer existierenden Festgeldkonto. Doch auch finanziell wird es für den FC Bayern in den kommenden Jahren nicht einfach werden. Während Klubs wie der FC Chelsea oder das aufstrebende Newcastle United mit unlimitierten Geldeinsätzen Spieler anlocken können, während Pep Guardiola sich mehrfach eine neue 150-Millionen-Euro-Verteidigung hinstellen kann, gibt es kaum noch eine Fehlertoleranz für den Rekordmeister.

"Ziele dürfen verfehlt werden"

Dabei ist die Krise der Bayern eben nicht nur selbstverschuldet. Sie ist Ausdruck dessen, was den meisten anderen Bundesligisten mangels finanzieller Kraft nur nicht in Europa, sondern in Deutschland widerfahren ist. Das Handeln der Bosse bleibt dabei immer gleich, allein die Zielsetzung ist eine andere. Wollen Klubs wie Hertha BSC oder auch der VfB Stuttgart mit konstant wechselndem Personal allein ihr Überleben in der deutschen Eliteliga sicher oder RB Leipzig und Borussia Dortmund, die zumindest auf Vorstandsebene mit einem echten Dinosaurier an der Spitze agieren, ihre Rolle als Champions-League-Achtelfinalist zementieren, geht es für die Bayern um den Gewinn der Champions League.

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Immer geht es dabei um fehlende finanzielle Mittel. Es mag ein Zufall sein, doch die Frage nach dem Einstieg eines Investors in die DFL, die Deutsche Fußball-Liga, könnte zu keinem passenderen Zeitpunkt kommen. Nachdem bereits die deutsche Nationalmannschaft in die internationale Bedeutungslosigkeit eingetaucht ist, steht der Klub-Fußball kurz davor. Die Liga und die Bayern haben ihre Orientierung verloren. "Ziele dürfen verfehlt werden - Werte des Vereins nicht! Führungspolitik hinterfragen!", mahnten die Fans des FC Bayern in der Südkurve als am Mittwoch alles vorbei war.

Worte, die so auch für den gesamten deutschen Fußball gelten. Worte, die, so zeigt die bisherige Stoßrichtung der Diskussionen, jedoch ungehört verhallen werden. Aus. Vorbei. Die 57. Minute in diesem Spiel am 19. April 2023 wird dem deutschen Fußball noch länger nachhängen. Das womögliche Scheitern des Vorstandsvorsitzenden Oliver Kahn wäre insofern nur ein Symptom einer sich rasant wandelnden Fußballwelt, in der die Bayern aktuell nur noch ein klappernder Riese sind.

Quelle: ntv.de

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