Fußball

Matthäus zählt Bundestrainer an Joachim Löw erreicht seine Ziele nicht (mehr)

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Für das enttäuschende Remis der deutschen Nationalmannschaft im Test gegen die Türkei gibt es einige gute Gründe. Einer: Das wild zusammengewürfelte Team. Bundestrainer Joachim Löw will das nicht gelten lassen. Lothar Matthäus hinterfragt indes den Personalplan von Löw.

Es war ein Testspiel. Das ist ganz wichtig zu betonen. Denn Test, das klingt ja irgendwie ernst. Zumindest klingt es mal nach ernstzunehmen. Und die Menschen, die sich dieses Testspiel der deutschen Fußball-Nationalspielmannschaft gegen die Türkei bei RTL angesehen hatten, die bekamen von Lukas Podolski noch einmal mundartlich versichert, dass es den Fußballern ernst ist. Zumindest war das bei ihm stets so. "Immer geil drauf", sei er gewesen, wenn er zum DFB-Team reisen durfte. Auch wegen des Essens. Das hat er gesagt (ist ja nicht verwerflich). Sportlich sei es ihm derweil völlig egal gewesen, ob's 'ne EM, WM, 'ne Quali oder 'nen Test gewesen sei. Podolski wollte immer spielen und sich voll reinhauen.

Nun, wer sich also tatsächlich durch diese zähen 90 Minuten gequält hatte, der war sich mutmaßlich nicht so sicher, ob diese wild rotierte Post-Poldi-Generation genauso tickt, wie der Kölner Mentalitätsspieler. Selbst der Bundestrainer zog das offenbar ein kleines bisschen in Zweifel, denn in seiner sehr ausufernden Mängelliste benannte Joachim Löw nach dem enttäuschenden 3:3 (1:0) auch den Punkt "Mentalität". Gerade wenn man (Deutschland) in Führung liege, "dürfen wir nicht nachlässig werden", kritisierte er. Dreimal war das, also das mit den Führungen, gegen die Türkei der Fall gewesen. Dreimal war sie verspielt worden. Wieder einmal. Bereits zuletzt gegen Spanien und die Schweiz hatte es für das DFB-Team je nur zu einem Remis gereicht.

Es ist ein gefährliches Muster, das die Nationalmannschaft infiltriert. In der überspitzten Wahrnehmung haben Deutschlands beste Fußballer das Siegen verlernt. Es ist ein Satz, in dem gleich eine doppelte Kritik am Bundestrainer steckt. Und in aller Deutlichkeit wurde diese nun von Lothar Matthäus gegenüber der "Bild" geäußert: "Wieder kosteten taktische Fehler von Löw bei den Einwechslungen den Sieg", befand der ehemalige Kapitän des Nationalteams. "Ich wundere mich, wenn ich sehe, dass da viele Spieler wie Nico Schulz für Deutschland auflaufen, die in ihren Vereinen auf der Bank sitzen." Und er fühlt sich mit seiner Sicht auf die Dinge nicht alleine. "Deshalb schaltet für Deutschland keiner mehr den Fernseher ein."

Allmählich reißt der Umbruch-Faden

Nun, so ganz stimmt das freilich nicht. RTL zählte am Mittwochabend knapp sechs Millionen Zuschauer. In der stürmischen zweiten Halbzeit waren es etwas mehr als in den ersten 45 Minuten. Kein anderes TV-Event hatte um diese Uhrzeit eine höhere Einschaltquote. Aber zur Wahrheit gehört natürlich auch: Das Interesse an der Nationalmannschaft hat in den vergangenen Jahren deutlich nachgelassen. Die Stadien sind längst nicht mehr voll, der Abend vor dem Fernsehen nicht mehr DIE, sondern nur noch eine Option.

Die Gründe dafür sind vielschichtig: weniger Erfolg, mehr Spiele, unsinnige Wettbewerbe (Nations League) - und ein Bundestrainer, der seine eigenen Ziele nicht (mehr) erreicht. Wurde ihm das WM-Debakel vor zwei Jahren in Russland noch mit dem WM-Triumph 2014 verrechnet, so reißt bei vielen Fans und auch beim DFB-Chef allmählich der Umbruch-Faden. Weder nimmt die von Löw stets auch als Alibi verwendete Entwicklung der Mannschaft eine dauerhaft zufriedenstellende Gestalt an, noch stimm(t)en die Ergebnisse. Denen hatte er vor dem Türkei-Spiel indes wieder eine neue Wichtigkeit beigemessen. Schließlich ist sein DFB-Team in diesem Jahr noch ohne Sieg - indes auch ungeschlagen.

Seit der schmerzhaften Watschn von Watutinki gab es lediglich neun Siege in 19 Spielen. Je zweimal wurden Belarus und Estland geschlagen, je einen Erfolg gab's gegen Peru, Russland, Nordirland und die Niederlande. Das sind eben nicht die Ergebnisse mit denen Löw seine als zu oberflächlich kritisierte WM-Analyse und seine ebenfalls heftig kritisierte Ausbootung von Jérôme Boateng, Thomas Müller und Mats Hummels (damals noch alle beim FC Bayern) befriedend kontern konnte.

Nicht alle Umstände kann Löw beeinflussen

Zwar hatte Löw für seine Personalentscheidungen sehr gute Gründe, für seinen angestrebten Umbruch standen und stehen ihm nämlich übermäßig viele herausragende Talente zur Verfügung. Dass er diese aber bislang nicht zusammengebracht hat, lässt die Unruhe größer werden. Und den Druck auf Löw - auch wenn er für manche Umstände nichts kann: lange verletzte Hoffnungsträger (Niklas Süle, Leroy Sané) und die Corona-Pandemie. Aber ungeachtet dessen: Die Mannschaft könnte in ihrer Entwicklung weiter sein. Nun, am Samstag, wenn es in Kiew, gegen die Ukraine, endlich den ersten Sieg (!) in der Nations League geben soll, dann wird Löw wieder eine Elf aufbieten, die der derzeit besten wohl sehr nahe kommt. Von den unumstrittenen Stammspielern sind derzeit nur Toni Kroos und Timo Werner angeschlagen.

Mehr Stabilität, mehr Dominanz und mehr Mentalität erhofft sich der Bundestrainer vor allem von den gegen die Türkei geschonten (weil zuletzt arg strapazierten) Spielern des FC Bayern. "Sie haben einiges mehr an Erfahrung in solchen Spielen. Sie bringen die Qualität mit, die man braucht in solchen engen Spielen. Davon werden wir profitieren." Aber auch ungeachtet dessen gilt: Alle, das kann ich versichern, sind heiß und hochmotiviert, das nächste Spiel zu gewinnen. Ich glaube, wir werden das schaffen." Es wäre endlich mal wieder ein Ziel, das Löw mit seinem DFB-Team erreicht.

Quelle: ntv.de

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