So läuft der 9. Spieltag Löst Gisdol Löws Not schneller als Löw?
28.11.2020, 09:38 Uhr
Markus Gisdol wünscht sich mehr Kommunikation. Und mehr Erfolg.
(Foto: imago images/Team 2)
Eins hat der FC Schalke immerhin geschafft: Angesichts von 24 Schalker Sieglos-Spielen in Folge, wird viel zu wenig über die gewaltige Krise beim 1. FC Köln gesprochen. Dort bekommt man seit dem Ende der Corona-Pause überhaupt nichts mehr auf die Reihe. Und vielleicht steht für den Trainer jetzt ein Endspiel an.
Spiel der Woche: Borussia Dortmund - 1. FC Köln
Natürlich, unter der Corona-Krise leiden alle Klubs in der Bundesliga. Wirtschaftlich ohnehin, manche haben auch mit zahlreichen Corona-Fällen zu kämpfen. Sportlich aber setzt die Situation dem 1. FC Köln am meisten zu. Im März war man mit acht Siegen aus zuvor zehn Bundesligaspielen zum letzten Spiel vor der Corona-Pause ein paar Kilometer nach Mönchengladbach gereist. Danach war auch beim 1. FC Köln nichts mehr, wie es vorher war. 1:2 verlor man das erste Geisterspiel der Bundesligageschichte - und holte danach nur noch sieben Punkte aus 17 Partien. Ein Spiel gewonnen haben die seinerzeit noch zart von Europa träumenden Kölner seit dem 6. März nicht mehr.
Und nun wartet am Samstag (15.30 Uhr/Sky und im Liveticker auf ntv.de) ausgerechnet der so gewaltig formstarke BVB. Alleine Erling Haaland schoss in sieben Bundesligaspielen in dieser Saison schon zehn Tore - zwei mehr als der komplette Bundesligakader der Kölner zusammen in acht. "Haaland zu stoppen, ist eine unheimlich schwierige Aufgabe", weiß natürlich auch Gisdol. "Er ist ein Torjäger und Athlet wie gemalt. Und vor dem Tor sehr konsequent. Da sind alle gefordert. Es ist aber auch nicht unmöglich."
Ob das auch für die Effzeh-Abwehr gilt? Gut möglich, dass die ihrem Chef am Wochenende den Job retten muss. Klub-Präsident Werner Wolf hatte zuletzt betont, dass es für niemanden eine "Job-Garantie" gebe. Gisdol ist arg angezählt, natürlich, auch wenn Sportchef Horst Heldt seinen Trainer noch stärkt. "Er glaubt an die Mannschaft, an jeden Einzelnen. Arbeitet akribisch und stellt die Jungs sehr gut auf die Gegner ein", sagte Heldt unter der Woche "Bild". Keiner freue sich über die Ergebnisse, "aber wir sind überzeugt davon, dass wir das gedreht bekommen."
Dafür muss Gisdol vor allem die Sprachbarriere überwinden: "Wir haben angesprochen, dass wir auf dem Platz lauter sein und uns mehr helfen müssen", verriet Gisdol einen Teil seiner Analyse der Misere. Einer, der beim 1. FC Köln laut vorneweg geht, ist Toni Schumacher - nur hat der dummerweise seit seinem Abschied als Vize-Präsident seit zwei Jahren unterm Dom nichts mehr zu sagen. Die Mannschaft wirke "ratlos, förmlich eingeschüchtert, ängstlich verharrend in Erwartung der Niederlage", schrieb der frühere Nationaltorwart im "Kicker". Bei nahezu allen anderen Bundesligisten höre man laute Anfeuerungen, Ansagen und auch mal Kritik auf dem Platz. "Kurz: Da wird gelebt!", schrieb Schumacher. Und beim FC? "Friedhofsruhe, Stille, Sprachlosigkeit. Die Mannschaft vermittelt dem Beobachter nicht den Eindruck, dass sie lebt, dass sie mit Leidenschaft gegen ihr Schicksal ankämpft." Und damit auch nicht gegen das von Gisdol.
Die große Sprachlosigkeit ist ja auch ein Problem, mit dem sich Joachim Löw herumschlagen muss: "Genau in solchen Spielen ist es wichtig, dass man Spieler auf dem Platz hat, die kommunizieren, die sich wehren, die die Qualität haben", wütete Ex-Nationalspieler Bastian Schweinsteiger jüngst nach dem 0:6 der Nationalmannschaft gegen Spanien. "Heute hat man gesehen, dass wir diese Qualität nicht haben." Der Bundestrainer muss am 4. Dezember seine Analyse der Situation vorlegen. Gisdol muss dasselbe Problem schneller lösen. Ein weiteres Spiel ohne Sieg und die bittere Serie ist vereinshistorisch.
Was ist sonst noch so los?
Der FC Bayern hat naturgemäß ganz andere Probleme, als der 1. FC Köln, aber ja, auch der Rekordmeister hat welche. "Wenn wir den Ball haben, dann ist es zu oft passiert, dass wir Fehler machen. Im Tennis sagt man unforced Error. Das müssen wir verbessern", sagte Trainer Hansi Flick jüngst. Gegen Werder Bremen konnte sein Team zuletzt zum ersten Mal nach zuvor 19 Siegen in Serie in der Bundesliga nicht gewinnen und wirkte zum wiederholten Male in dieser Runde nicht auf dem Höhepunkt der eigenen Fußballkunst. Auch in der Champions League gegen Red Bull Salzburg (3:1) lag es vor allem am überragenden Torwart Manuel Neuer, dass nichts Schlimmeres passiert ist.
Gegen den VfB Stuttgart (Samstag, 15.30 Uhr/Sky und im Liveticker auf ntv.de) will man schnell zurück zu alter Dominanz und Effizienz. Helfen könnte dabei auch wieder Verteidiger Niklas Süle, der zuletzt zweimal zuschauen musste - je nach Lesart wegen zu wenig Fitness oder zu vielen Pfunden. Ob der Nationalspieler wieder in den Kader rückt, wolle man erst nach dem Abschlusstraining entscheiden, sagte der Coach. "Niklas muss sein Potenzial ausschöpfen, dazu braucht er die notwendige Fitness."
Beim FC Schalke 04 ist schon lange Schluss mit lustig, aber so ernst wie in der vergangenen Woche, ging es selbst beim notorischen Krisenklub noch nicht zu: Gekracht hat es und zwar heftig. Ob ohne die aus dem Kader und dem Management entfernten Promis die Wende gelingt? Das darf zumindest kurzfristig bezweifelt werden. Das Tief im Westen hält sich zu beständig über Gelsenkirchen.
Und selbst wenn der Rauswurf des Null-Tore-Stürmers Vedad Ibisevic und der Suspendierung der Null-Leistung-Großverdiener Amine Harit und Nabil Bentaleb irgendetwas im völlig verunsicherten, zwischen Wut, Verzweiflung und Resignation oszillierenden Team bewegen sollte: Am Samstagabend (ab 18.30 Uhr/ Sky und im Liveticker auf ntv.de) geht es eben gegen ein wuchtiges Mönchengladbach. Das hat gerade im zweiten Champions-League-Rausch binnen Wochen ganz, ganz leise Misstöne ob der Flut an späten Gegentoren mit einem 4:0 gegen Schachtar Donezk wieder ausgeblendet. Es braucht schon Fantasie zu glauben, dass sich der durchgeschüttelte FC Schalke schnell genug sortiert bekommt, um der variabel einsetzbaren Gladbacher Offensivkraft etwas entgegensetzen zu können.
Union Berlins Trainer Urs Fischer bringt eigentlich so schnell nichts aus der Fassung. Selbst den andauernden Höhenflug, der seine Mannschaft nach acht Spieltagen auf Platz fünf der Bundesligatabelle getragen hat, erlebt der Schweizer zumindest äußerlich überaus unaufgeregt. Nun musste Fischer aber doch mal kurz ausrasten: "Es ist doof! Doof und dumm, über Europa nachzudenken! Erzählen Sie nicht so etwas", schimpfte der Trainer Anfang der Woche bei einem Videocall mit Journalisten auf die Frage, wo die bisher so erfolgreiche Saison enden könnte. Am Samstag (15.30 Uhr/ Sky und im Liveticker auf ntv.de) geht es gegen Eintracht Frankfurt gegen einen Überflieger-Vorgänger: Die Hessen schwebten 2019 als Außenseiter bis ins Halbfinale der Europa League. Mit einem Sieg wird sich Fischer neuen Ärger verschaffen, denn natürlich helfen nur Niederlagen gegen Europa-Träumereien. Ärgerlich. "Das Ziel bleibt Klassenerhalt", betonte Fischer jedoch mit Nachdruck: "Wenn wir dieses Ziel erreicht haben, können wir uns vielleicht über eine andere Zielsetzung Gedanken machen. Vorher nicht!"
Was war gestern los?
Der VfL Wolfsburg hat im Nordduell den SV Werder Bremen empfangen. Ein Spiel, das wohl für eine Sensation in der Autostadt gesorgt hätte, glaubt zumindest Wolfsburgs Trainer Oliver Glasner: "Bei diesem tollen Spektakel mit so vielen Emotionen wäre das ein Spiel gewesen, bei dem das Stadion gebebt hätte." Mit Verlaub, er spricht von der Volkswagen-Arena, in die gerade einmal 26.000 Zuschauer passen, die selbst vor Corona selten ausverkauft war. Es muss also schon ein gewaltiges Spiel gewesen sein, wenn Glasner annimmt, dass die Stimmung förmlich explodiert wäre. Bei einem 5:3 ist es ihm allerdings erlaubt, davon zu sprechen. Fünf Tore in der ersten Halbzeit, drei in der zweiten, trotz eines Eigentors von John-Anthony Brooks mit dem besseren Ende für die Gastgeber. Es war der dritte Heimsieg hintereinander, der 300. Sieg in der Liga, der VfL steht jetzt vorerst auf Platz fünf. Auch das hätte die Fans wohl mindestens zu rhythmischem Klatschen animiert.
Wer spielt das beste Phrasenschach?
"Nach dem Anpfiff ist er zu oft ein König ohne Reich. Ein General, dem die Truppe nicht folgt." (Toni Schumacher greift im "Kicker" tief in die rhetorische Trickkiste, wenn er die Situation von Markus Gisdol beschreibt. Der Kölner Trainer ist arg angezählt - und dürfte sich kaum königlich fühlen.)
Quelle: ntv.de