FC Bayern hat jetzt schon Unruhe Ob Jérôme Boateng wirklich eine gute Idee ist?
02.10.2023, 09:58 Uhr
Er kehrt nun als Trainingsgast zum FC Bayern zurück: Jerome Boateng.
(Foto: Tom Weller/dpa)
Der FC Bayern macht kein großes Geheimnis um einen spektakulären Trainingsgast: Weltmeister Jérôme Boateng ist zurück an der Säbener Straße und womöglich ein Kandidat, um den Kader zu verstärken. Doch um den 35-Jährigen gibt es privat viel Aufregung - und damit jetzt schon Unruhe.
Noch ist längst nicht klar, ob Jérôme Boateng wieder Fußball in der Bundesliga spielen wird. Aber weil es nicht auszuschließen ist, weil der Ex-Spieler des FC Bayern wieder beim FC Bayern trainiert, ist das Thema schon jetzt übergroß. Und das liegt weniger an der spektakulären Vergangenheit des Fußballers, sondern vielmehr daran, dass es (a) um Boatengs Privatleben viel Aufregung gibt und (b) der Rekordmeister einigermaßen verzweifelt versucht, seinem dünnen Kader doch noch etwas mehr Gewicht zu verleihen. Was kein versteckter Seitenhieb auf die Form des 35 Jahre alten Abwehrspielers ist. Kurzum: Die Lage ist kompliziert, brisant sogar.
Das Kader-Thema lässt den FC Bayern nicht los. Seit dem Sommer trägt der Verein Diskussionen mit sich herum, ob das Aufgebot reicht, um den großen Zielen zu genügen. Trainer Thomas Tuchel hat immer wieder laut darauf hingewiesen, dass es schwierig werden könnte, dass nichts passieren dürfte. Die Bosse baten den Coach hernach bei einer Sitzung darum, das Thema nun mal ruhen zu lassen. Doch die Probleme verschwanden damit natürlich nicht, im Gegenteil, im DFB-Pokal traten sie mit Wucht auf. In der Innenverteidigung war die Situation so fatal, dass Mittelfeldspieler Leon Goretzka und Rechtsverteidiger Noussair Mazraoui das zentrale Duo bildeten.
Reicht es noch fürs höchste Niveau?
Womöglich war das der endgültige Erweckungsmoment für die Münchner, das Eingeständnis, dass die Dinge in der Abwehr in der sommerlichen Transferperiode nicht so aufgearbeitet worden waren, wie es nötig gewesen wäre. Ein Plan B muss also her. Und der heißt vorerst Boateng. Als Trainingsgast soll er genaustens beobachtet werden, soll er seinen Leistungsstand unter Beweis stellen. Nach seinem Aus in Lyon hat er sich mit einem persönlichen Trainer fit gehalten. Ob das für das höchste Niveau noch reicht? Boateng traut sich das offenbar noch zu. In der Vorsaison bestritt er allerdings nur magere 430 Pflichtspielminuten, nur einer seiner acht Einsätze ging über die volle Distanz, von Anfang Februar bis Ende Mai wechselte er ausschließlich zwischen Bank und Tribüne.
Zuletzt hatte es trotzdem wilde Gerüchte gegeben, der 35-Jährige habe sich bei Real Madrid als Ersatz für den verletzten David Alaba ins Gespräch gebracht. Einer katalanischen Online-Zeitung zufolge habe Boateng den allmächtigen Klubboss Florentino Pérez angerufen und seine Dienste angeboten. "Jérôme hat sich in seiner ganzen Karriere bei keinem Verein je persönlich angeboten, oder gar Präsidenten angerufen, grundsätzlich nicht. Dafür hat er einen Berater", entgegnete Boatengs Berater Tolga Dirican auf X, vormals Twitter.
Sollte es zu einer Verpflichtung kommen, müsste sich der Weltmeister von 2014 aber zunächst ganz am Ende der Abwehr-Hierarchie einreihen, wäre Innenverteidiger Nummer vier hinter Kim Min-jae, Dayot Upamecano und Matthijs de Ligt. Diese Wiedereingliederung beim Rekordmeister würde wohl mühelos gelingen. Auch das finanzielle Risiko dürfte für den Verein überschaubar sein. Denn es ist kaum vorstellbar, dass der vereinslose Boateng nach zwei Frust-Jahren inklusive vorübergehender Suspendierung wegen angeblicher Konflikte mit Mitspielern und Trainer Peter Bosz bei Olympique Lyon große Forderungen stellen wird.
Hoeneß wird zum Chefkritiker
Das sind die einfachen Dinge des Transfers. Aber es gibt noch zwei andere Dimensionen, die reichlich Fragen aufwerfen. So ist das etwa das unschöne Ende seiner erfolgreichen Zeit beim Rekordmeister im Sommer 2021. Uli Hoeneß, der mächtige Mann des Klubs, hatte sich intern zum großen Kritiker des Hünen aufgeschwungen. Obwohl Boateng noch beim FC Bayern unter Vertrag stand, sprach er sich gegen eine Rückkehr in die kriselnde Nationalmannschaft aus. Zudem hatte er dem Spieler im Jahr zuvor noch nahegelegt, "den Verein zu verlassen. Ich glaube, er braucht eine neue Herausforderung. Im Moment wirkt er wie ein Fremdkörper." Mit den Münchnern wurde der 76-malige frühere Nationalspieler 2013 und 2020 Triple-Sieger.
Das Thema, das rund um die mögliche Rückkehr zum FC Bayern aber am meisten Staub aufwirbelt, ist das Körperverletzungsverfahren gegen Boateng. In Fankreisen wird heftig debattiert, dabei selten pro Boateng. In dritter Instanz hatte das Bayerische Oberste Landesgericht am vergangenen Donnerstag die Verurteilung des 35-Jährigen durch das Landgericht München I aufgehoben. Das Gericht gab sowohl der Revision des derzeit vereinslosen Fußballers als auch jenen der Staatsanwaltschaft und der früheren Partnerin Boatengs statt. Zur Begründung erklärte das Oberste Landesgericht einem Sprecher zufolge, Boatengs Revision habe wegen eines fehlerhaften Befangenheitsantrags Erfolg. Über diesen Befangenheitsantrag sei unter Mitwirkung eines von Boateng abgelehnten Richters entschieden worden - dies sei unzulässig gewesen.
Verfahren gegen Boateng wird neu aufgerollt
Der 35-Jährige war im November 2022 zu einer Geldstrafe von 1,2 Millionen Euro wegen Körperverletzung und Beleidigung seiner Ex-Lebensgefährtin verurteilt worden. Da sich die Strafe aus 120 Tagessätzen zusammensetzt, wäre Boateng damit vorbestraft. In der ersten Instanz verurteilte das Amtsgericht München Boateng 2021 ebenfalls, allerdings nur zu 60 Tagessätzen. Damit wäre er nicht vorbestraft. Die Geldstrafe lag damals mit 1,8 Millionen Euro höher - dies lag allerdings daran, dass Boateng damals noch deutlich besser verdient hatte und ein Tagessatz von 30.000 Euro angesetzt worden war.
Eine andere Kammer muss nun also die Beweisaufnahme vollkommen neu starten. Als Folge der Revisionen von Staatsanwaltschaft und Ex-Partnerin könnte Boateng auch eine härtere Verurteilung als die angefochtene zu 120 Tagessätzen drohen.
In den beiden ersten Verfahren sahen es die Gerichte als erwiesen an, dass der damalige Spieler von Bayern München während eines Karibikurlaubs vor mehr als drei Jahren seine damalige Partnerin verletzt und beleidigt hatte.
Der Kader ist dünn, die Alternativen rar, die Fans nicht begeistert. Noch ist längst nicht klar, ob Jérôme Boateng wieder Fußball in der Bundesliga spielen wird. Und dennoch hat der FC Bayern jetzt schon (wieder) Unruhe.
Quelle: ntv.de, tno/dpa