WM-Debakel und Özil-Debatte Rummenigge feuert, DFL-Boss will Reformen
01.08.2018, 18:11 Uhr
Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß attackieren den DFB derzeit bei jeder Gelegenheit. Ihre Motive? Unklar.
(Foto: dpa)
Reform der Verbandsstrukturen, mehr Profis im Präsidium, gründliche Aufarbeitung der aktuellen Krise: Der DFB bleibt nach dem WM-Fiasko und Özils Rücktritt unter Zugzwang. Der Tenor ist: Nicht nur im sportlichen Kader von Bundestrainer Löw muss sich einiges ändern.
Immer mehr Top-Funktionäre im deutschen Fußball fordern den DFB nach dem historischen WM-Aus der Nationalelf in Russland zu Veränderungen und Reformen auf. Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge prangerte bereits zum zweiten Mal in weniger als zwei Wochen die Spitze des Verbandes an und attackierte Präsident Reinhard Grindel. Der Chef der Deutschen Fußball Liga (DFL), Christian Seifert, forderte eine strukturelle Neuaufstellung, und auch der frühere Trainer Matthias Sammer will beim größten Sportfachverband der Welt mehr Fachmänner in der Spitze sehen. Der Druck auf den DFB und dessen Präsidenten Grindel sowie den sportlich verantwortlichen Bundestrainer Joachim Löw wächst.
"Ich habe grundsätzlich ein gutes Verhältnis zu Herrn Grindel. Aber er neigt zum Populismus, um öffentlich Beifall zu bekommen. Das hängt womöglich damit zusammen, dass er nicht aus dem Fußball, sondern der Politik kommt", sagte der Vorstandschef des FC Bayern der "Sport Bild". So konsequent sich die DFB-Spitze nach dem PR-Desaster beim folgenschweren Abgang von Nationalspieler Özil zurückhält und damit die Zahl der offenen Fragen und den Druck wachsen lässt, so konsequent rügen Rummenigge und Bayern-Präsident Uli Hoeneß seither Verband, Strukturen - und auch Özil.
Dieser spiele "seit Jahren einen Dreck", urteilte Hoeneß Anfang vergangener Woche. Und musste sich anschließend für fehlendes Feingefühl kritisieren lassen. Rummenigge legte nun gegen die Berater des Arsenal-Profis nach. "Bitte: Er ist doch nicht kritisiert worden, weil er türkischer Abstammung ist. Das ist eine Fabel, die von seinen Beratern erzählt wird. Das geht mir ohnehin zunehmend auf die Nerven: Die Berater geben immer mehr die Statements und die Interviews. Das ist teilweise wie Märchenstunde", sagte der Bayern-Chef. Die komplette Rassismus-Diskussion halte er für eine Phantomdebatte, äußerte Rummenigge. "Mit der Nummer und diesem Statement hat sich Özil endgültig ein Eigentor geschossen."
"Sein Twittern irritiert die gesamte Branche"
In der so schwierigen Aufarbeitung des WM-Debakels samt den Folgen hat der Verband in Rummenigge und Hoeneß zwei externe Ratgeber gefunden, auf deren öffentliche Kritik er wohl gerne verzichten könnte. Zwar erklärte Grindel nach Rummenigges erster Attacke, er arbeite "sehr gut" mit dem Bayern-Boss zusammen. Jedoch treiben ihn die vielschichtigen Angriffe der Mächtigen aus München weiter in die Enge. Zudem bringt Rummenigge immer wieder Bayerns Weltmeister-Kapitän Philipp Lahm für einen DFB-Posten ins Spiel. "Eine interessante Option" sei Ehrenspielführer Lahm im DFB-Präsidium oder in anderer Funktion im Verband. Der frühere Bayern-Profi Lahm in den hohen DFB-Gremien, das könnte verbandsintern den Einfluss des deutschen Rekordmeisters erhöhen.
Die Social-Media-Aktivitäten des DFB-Präsidenten gefallen Rummenigge dabei nicht. "Sein Twittern irritiert die gesamte Fußballbranche. Ein Fußballpräsident muss über den Dingen stehen, wie das bei Franz Beckenbauer immer der Fall war", sagte Rummenigge. Das ist aber auch nicht die Stärke von Bayern-Präsident Hoeneß: Zwölf Stunden nach dem Özil-Rundumschlag polterte er wie wild und ohne Gespür für eine gesellschaftliche Debatte gegen den Profi und dessen Leistungen in den vergangenen Jahren. Der 56 Jahre alte Grindel hat sich bis auf eine über den DFB verbreitete persönliche Stellungnahme nicht erklärt. Auch einige Vorwürfe des 29-jährigen Özil stehen deshalb weiter unkommentiert im Raum.
Rücktritte nein, Reformen ja
Und nicht nur Rummenigge wünscht mehr Profis in der Verbandsspitze. "Wir brauchen Fußball-Kompetenz in den Top-Positionen", forderte nun Matthias Sammer beim Internationalen Trainer-Kongress in Dresden, dem Bundestrainer Löw wie gewohnt fernblieb - was nicht nur Sammer bedauerte. DFL-Geschäftsführer Seifert stellte sich immerhin vor Grindel und betonte: "Ich sehe keinen Grund für irgendeinen Rücktritt. Ich habe aber verstärkt den Eindruck, dass es durchaus innerhalb des DFB möglicherweise Akteure gibt, die daraus gerne einen Anlass kreieren würden", sagte der 49-Jährige in seinem ersten Statement nach dem WM-Aus.
Er werde weitere, "sehr klare" Gespräche mit den DFB-Funktionären intern führen. Nicht intern, sondern öffentlich forderte Seifert neue Strukturen beim Deutschen Fußball-Bund ein. "Die Frage muss irgendwann gestellt werden, ob jahrelange Verbandsarbeit an der Basis automatisch dazu befähigt, einen DFB in der Ausprägung aus einem Präsidium heraus aktiv mitzuführen", sagte er.
Seifert fordert ein hauptamtliches Management sowie ein Aufsichtsgremium bestehend aus Amateur- und Profivertretern, "das sich aber auch auf die Aufsicht konzentriert". Chefkritiker Rummenigge hatte dazu schon vor eineinhalb Wochen gesagt, dass der DFB "eigentlich nur noch von Amateuren durchsetzt" sei. Bevor einschneidende Maßnahmen ergriffen werden, will der DFB am 27. September zunächst den Zuschlag für die EM 2024 erhalten. Auch deshalb ist vom Verband derzeit deutlich weniger zu hören als von seinen Kritikern und Ratgebern.
Quelle: ntv.de, tno/cwo/dpa