Fußball

Das einmalige Finalturnier 2020 Spart euch die Champions-League-Träumerei!

Wenn der Flitter weggeräumt ist, wird schnell klar werden: Das Champions-League-Finalturnier 2020 bleibt einmalig.

Wenn der Flitter weggeräumt ist, wird schnell klar werden: Das Champions-League-Finalturnier 2020 bleibt einmalig.

(Foto: Panoramic / POOL / UEFA)

Das Finalturnier der Champions League ist ein Spektakel: Überraschungen, toller Fußball, kuriose Ergebnisse und eine Konzentration von Quasi-Endspielen. Sogar die Funktionäre deuten an, verstanden zu haben, was sich Fans wünschen. Aber: Das Format wird keinen Bestand haben.

Wenn sogar die notorischen Wettbewerbs-Verwässerer von der Uefa es verstanden haben, muss ja was dran sein: "Wir haben gesehen, dass die Menschen spannende Spiele wollen, dass in einem Spiel jedes Team in der Champions League oder Europa League jedes Team schlagen kann", brachte Uefa-Präsident Aleksander Ceferin jüngst eine nicht ganz so überraschende Erkenntnis auf den Punkt.

Deshalb begeisterte das mit einem Triumph des FC Bayern zu Ende gegangene Finalturnier der Champions League Fernsehzuschauer und Funktionäre - mit Überraschungen, Kuriositäten und hochklassigem Fußball, alles konzentriert auf wenige Tage. Die übertragenden Pay-TV-Anbieter konnten ihr Glück kaum fassen. Ja, Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge hatte recht, als er ankündigte: "Der Modus wird wie eine Bombe einschlagen." Und doch wird man sich von diesem Format schnell wieder verabschieden.

Ja, oft genug produziert die übliche Champions-League-Choreografie quälend langweilige Begegnungen, vor allem in den Achtel- und Viertelfinals, die sich ohnehin über Monate hinstrecken. In den Hinspielen versuchen die Außenseiter allzu häufig, irgendein Ergebnis zu produzieren, das fürs Rückspiel die Aussicht auf den Lucky Punch hält. Und dennoch gibt es zu viele Rückspiele, die dank der Vorleistung bedeutungslos sind. Und wird es doch mal eng, weil im Hinspiel irgendetwas Unvorhergesehenes passiert - ein Glückstor, ein Torwartpatzer, Abschlusspech oder Strategieschwächen - reparieren die Favoriten das routiniert in den zweiten 90 Minuten.

Champions League zerstört nationalen Wettbewerb

Ja, die gewaltigen Beträge, die in der Champions League an die immer gleichen Vereine ausgeschüttet werden, haben in den nationalen Ligen längst Langeweile einkehren lassen. In Italien wird immer Juventus Turin Meister, in Deutschland der FC Bayern, in Frankreich hat sich Paris St. Germain ein Titel-Abo teuer erkauft. In Spanien duellieren sich immerhin noch zwei Großklubs. Nur in England herrscht noch bisweilen so etwas wie Wettbewerb, weil Eigner und Pay-TV dort ihr Geld überall kübelweise verteilen.

Ja, die Tage von Lissabon brachten eine Idee des guten, alten Fußballs zurück - auch wenn manche da angesichts der vielfach ungeliebten, weil mit viel Konzern- und Scheichgeld gepamperten Fußballkonstrukte im Halbfinale widersprechen würden. Olympique Lyon, bei Abbruch Siebter der französischen Liga, hatte erst Juventus Turin und dann Manchester City ausgeschaltet. Auch, weil das hochveranlagte, hochambitionierte Starensemble von der Insel mit gewaltigem Abschlussunvermögen zu kämpfen hatte. Es war nicht mehr zu reparieren. Auch das 8:2 des FC Bayern gegen den FC Barcelona wäre im gewohnten Modus unvorstellbar gewesen, denn irgendwann hätte sich sogar das stolze Barça um eine Begrenzung dieses Maximalschadens bemüht.

Ja, es waren fast glückliche Tage, an denen die meisten der teuersten und populärsten Spieler der Welt gegeneinander antraten, vorbereitet und gelenkt von einigen der besten Trainer. Mehr Weltklasse wird man in so kurzer Zeit nie wieder versammeln, auch nicht bei einer Weltmeisterschaft. All das begeisterte die Fußballfans, auch die mächtigen Funktionäre ließen sich zeitweise anstecken.

Ohne Fans fehlt der Resonanzboden

Aber: Nun darf man aber über dem Träumen drei Dinge nicht vergessen, die gegen eine Etablierung des Formats sprechen: Fans, Funktionäre, Vereine.

Der Fußball gehört niemandem, auch wenn man allerhand Rechte dafür einkaufen, den Zugang beschränken und an seiner Präsentation herumdoktern kann. Er gehört auch nicht den Fernsehzuschauern, die die größten Nutznießer dieser großen Konferenz ohne Gurkenspiele waren, selbst wenn sie dafür bezahlen.

Irgendwann dürfen auch wieder Menschen in die Stadien, sie sorgen für die großen Bilder, die Atmosphäre. Nicht Kameraeinstellungen, nicht Tonspuren. Ihr Raunen, ihre Gesänge, ihre Farben sind die Kulisse für die Dramen, ihre Emotionen schaffen die Fallhöhe. Ohne Fans fehlt dem Fußball der Resonanzboden. Die Uefa kann noch so viel um ihre Premiumspiele heruminszenieren, vor allem sind sie eine Feier des Fußballs. Und ein wichtiger Teil des Fußballs sind Fans, in den Stadien und in den Städten. Euphorisiert von der Aussicht auf ein großes Spiel und einen großen Sieg.

Ein Finalturnier in der Form des Jahres 2020 ist eine logistische Zumutung für reisende Fans. Die Reise kann schnell vorbei sein oder vor Ort nach dem Weiterkommen noch überraschende Herausforderungen bieten. Es fehlte die Zeit für Vorfreude, für Vorbereitung, es fehlte möglicherweise das Geld. Es wäre eine Zumutung. Möchte man auf organisierte Fans verzichten und stattdessen die Stadien notfalls mit Fußball-Touristen und Liebhabern des Spiels an sich füllen, könnte man diesen Punkt vernachlässigen. Auch, wenn es ein fatales Signal wäre.

"Keine radikale Überarbeitung erforderlich"

Dass man sich die Diskussion sparen kann, dafür werden die Großfunktionäre schon sorgen. Der FC Bayern kassiert mutmaßlich mehr als 120 Millionen Euro für den verdienten dritten Champions-League-Titel. So was lässt man sich natürlich nur ungern durch einen schlechten Tag oder ein bisschen Pech kaputtmachen. Auch Ceferin hat seine Aussagen schon längst wieder eingefangen: Die Königsklasse sei "der beste Clubwettbewerb der Welt - wir sollten nicht glauben, dass eine radikale Überarbeitung erforderlich ist", sagte er "Sport Bild" mit Blick auf Gedankenspiele, vor allem die Gruppenphase zu verändern.

Rummenigge sagte dem "Kicker": "Wenn ich eines empfehlen darf: Wir müssen etwas tun, wenn es in die K.-o.-Phase kommt. Ich glaube nicht, dass wir eine vergrößerte Gruppenphase brauchen, sie ist jetzt schon mit acht Gruppen und vier Mannschaften am vierten oder fünften Spieltag entschieden. Das haut die Zuschauer nicht von den Sesseln. Wir müssen schauen, dass wir an die K.-o.-Phase mehr Fleisch an die Knochen bringen."

Alles bleibt, wie es war

Was Rummenigge mit "Fleisch an die Knochen bringen" meint? Unklar. Klar ist dagegen, dass weder Verband noch Vereine ein Interesse daran haben, die Anzahl der Champions-League-Spiele zu reduzieren. Weniger Spiele bedeuten weniger Ticketeinnahmen und weniger TV-Geld. Mussten sich Großklubs und Verbands-Funktionäre bisher zwischen Geld auf der einen und Wettbewerb, Spannung, sportlicher Attraktivität auf der anderen entscheiden, fiel die Wahl meistens sehr leicht.

Also bleibt hier alles, wie es ist. Oder eher: Es wird alles wieder, wie es war.

Und so sollten sich alle Fans schleunigst von dem Gedanken verabschieden, dass es auch in den kommenden Jahren zu Champions-League-Festwochen kommt, mit ausschließlich Endspielen, ausgetragen im 24-Stunden-Takt von den besten Teams der Welt. Irgendwann wird man sich an Lissabon erinnern als die Tage, an denen im europäischen Fußball noch einmal für wenige Tage Dinge passiert sind, die niemand so geplant hatte.

Quelle: ntv.de

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