Sechs Dinge, die wir gelernt haben Streber Guardiola und Keller, der Masochist
06.10.2014, 12:29 Uhr
Maßvoll: Josep Guardiola.
(Foto: imago/ActionPictures)
Während sie sich beim FC Bayern in Oktoberfeststimmung schießen, haben Dortmunder und Schalker schlechte Laune. Der Umgang mit dem Schmerz divergiert. Gladbachs Favre flippt aus, Frankfurts Schaaf bleibt cool.
1. Eine Maß ist nicht genug
Josep Guardiolas Deutsch ist ja immer noch in etwa so verständlich wie das Abwehrverhalten von Werder Bremen. Die Formel "Oans, zwoa, gesuffa" wird er aber mittlerweile kennen. Bayern-Urgestein Thomas Müller murmelte den Wiens-Schlachtruf sicherlich die gesamte zweite Halbzeit auf der Bank vor sich hin - sonst hatte der rausrotierte Stürmer an diesem siebten Spieltag der Fußball-Bundesliga in der Partie gegen Hannover ja nicht viel zu tun. "3:0 zur Halbzeit, da sitzt man ganz locker draußen und schaut sich das genüsslich an".
Am Ende stand es dann 4:0 für den FC Bayern, was einen Reporter zur Frage an Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge veranlasst, ob die Spieler pro Tor eine Maß trinken dürfen. "Ich weiß nicht, ob jeder von den Burschen vier Maß verträgt", sagte der, "aber jeder hat sich die Maß verdient". Von so viel Laissez-Faire hält Sportvorstand Matthias Sammer bekanntlich nichts, er dekretierte: "Es muss gefeiert werden, das ist eine Vorgabe von mir und vom Trainer."
Wahrscheinlich stand er mit einem Alkoholtester vor dem Ausgang und schickte jeden zurück, der nicht mindestens einen Patrick-Ebert-Gedächtniswert aufwies. Vor lauter Oktoberfest-Laune ging das Ergebnis ein wenig unter, wie auch der auch im Münchner Kosmos durchaus bemerkenswerte Fakt, dass der Rekordmeister nun schon 658 Pflichtspielminuten hintereinander ohne Gegentor überstanden hat. Bestwert in der Ära Guardiola. Der Trainer gönnte sich übrigens der Überlieferung nach nur eine Maß im Käfer-Festzelt. Danach ging es ab in den Flieger, den Champions-League-Gegner AS Rom bei der Niederlage in Turin beobachten. Streber.
2. Klopp ist kein Masochist - Keller schon
Es läuft nicht rund, nicht für die Dortmunder Borussia und auch nicht für den FC Schalke 04. Interessant ist, wie die Trainer damit umgehen. Wer sich das anschaut, der sieht einen, der sich seiner Sache sicher ist. Das ist Jürgen Klopp. Der andere hingegen befindet sich, seit er vor knapp 22 Monaten den Job in Gelsenkirchen bekam, in der Defensive. Jens Keller ist einer, der glaubt, sich ständig über die Schmerzgrenze hinaus rechtfertigen zu müssen. Vielleicht muss er das ja auch. Aber er tut sich damit keinen Gefallen. Mit 1:2 hatten seine Schalker in Sinsheim verloren, die Hoffenheimer hatten gezeigt, wie intelligenter Fußball aussieht. Und Keller sagte dem Bezahlsender Sky Dinge wie: "Das ist ein geiler Verein, der lebt. Ich bin gerne Schalke-Trainer. Wir haben zweimal die Champions League erreicht und sind Dritter geworden. Ich habe einen richtig guten Job, und es gibt viele Trainer, die mich darum beneiden. Im Moment ist eine Vertragsverlängerung überhaupt kein Thema. Ich denke nicht, dass der Verein ohne mich plant. Wir sind immer offen miteinander umgegangen, und ich bin immer noch Trainer."
Weit weniger masochistisch ist da der Kollege Klopp veranlagt. Eben drum verzichte er dankend darauf, sich die Tabelle anzusehen, sagte er nach der Niederlage gegen den Hamburger SV. Dort findet sich der BVB nämlich auf Rang 13 wieder - noch hinter den Schalkern. Das tut weh und ist "kilometerweit entfernt von dem, was wir wollen". Überhaupt sind Schmerzen ein großes Thema in Dortmund. Marcel Schmelzer hat sich die Hand gebrochen. Der nächste Verletzte, vier Wochen wird er fehlen. Und Klopp? Ist weit davon entfernt, sich zu rechtfertigen. Aber froh ist er schon, das die Bundesliga am nächsten Wochenende aussetzt, weil die Nationalmannschaften in der EM-Qualifikation spielen. "Wir müssen diese zwei Wochen nutzen. Dann ist dieser 4. Oktober der Tiefpunkt und der Startpunkt für den Rest der Saison." Und: "Kritik kann ja auch hilfreich sein und nicht ausschließlich dazu führen, dass sich jemand schlechter fühlt. Im Idealfall machen wir was aus dieser Situation, dass es danach anders läuft." Es läuft nicht rund.
3. Schaaf wird auch kein Klopp mehr
Wenn die Spieler des FC Bayern nach ihrer Oktoberfest-Sause schnell ausnüchtern wollen, sollten sie sich einfach ein paar Statements von Thomas Schaaf anhören. Da besiegt die Frankfurter Eintracht den 1. FC Köln mit 3:2, seine Stürmer Alex Meier und Haris Seferovic liefern ein Topspiel, haben mittlerweile sieben von zwölf Toren der Eintracht erzielt - und was sagt ihr Trainer? "Wenn sie schon da vorne zusammenspielen, schadet es nicht, wenn sie sich auch verstehen und aufeinander aufpassen." Vielen Dank für die Blumen. Enthusiasmus Klopp'scher Prägung sieht anders aus. Ach so, noch was musste Schaaf zu seinen Torgaranten loswerden: "Beide haben noch viel Potenzial." Aber wo soll denn das noch hinführen? Momentan liegt die Eintracht, die einige Experten sogar als Abstiegskandidaten sahen, auf Rang fünf. Europapokal! Marco Russ sieht seinen Verein da, wo er hingehört: "Unser Anspruch muss es sein, oben dabei zu sein und nicht unten rumzudümpeln." Die glänzende Position in der Tabelle wird sicherlich auch Schaaf zufriedenstellen, oder? "Wir haben nicht damit gerechnet, so viele Punkte zu haben. Wir haben noch viel Arbeit vor uns."
4. Lucien Favre vielleicht schon
Es geht ja zum jetzigen Zeitpunkt schon wieder darum, welche Mannschaft in der Liga sich offiziell Verfolger des FC Bayern nennen. In Hoffenheim lehnen sie diesen Titel rigoros ab. Und in Mönchengladbach? Schließlich haben die Borussen in dieser Saison noch kein Spiel verloren und stehen auf Platz drei der Tabelle, vier Punkte hinter den Münchnern. Doch Trainer Lucien Favre hatte nach dem 1:1 gegen den FSV Mainz anderes zu tun, als sich mit diesen Spielereien zu beschäftigen. Er war sauer, richtig sauer. Nach einer halben Stunde war der Ball an die Hand des Mönchengladbachers Julian Korb geflogen, Schiedsrichter Manuel Gräfe hatte auf den Punkt gezeigt. "Das ist für mich ein Skandal, diese Regel hilft dem Fußball nicht. Das ist kein Fußball. Die Leute, die diese Regel gemacht haben, die haben nie in ihrem Leben Fußball gespielt", schimpfte Favre. Dass "Collinas Erben" die Entscheidung letztinstanzlich als regelkonform bewerten, konnte er da noch nicht wissen. Und murmelte im Weggehen hat er noch irgendwas von "Idioten". Der im Umgang mit den Schiedsrichtern erprobte Dortmunder Trainer Klopp zeigte übrigens Verständnis für den Kollegen: "Das Problem ist nicht die Regel, sondern die Auslegung. Die Schiedsrichter müssen mit zu viel Spielraum agieren. Dass sich Lucien Favre aufregt, kann ich absolut nachvollziehen", sagte er dem Bezahlsender Sky. "An die Regel muss drangegangen werden, sie ist noch nicht hundertprozentig."
5. Werder ist wirklich ein Abstiegskandidat
Die gute Nachricht für Robin Dutt ist: Der SV Werder Bremen, seines Zeichens Tabellenletzter, hält an seinem Trainer fest. Thomas Eichin sprach von "hundertprozentiger Unterstützung. Wir sind sicher, dass das Pendel wieder zu unseren Gunsten ausschlägt". Die schlechte Nachricht ist, dass der Bremer Sportchef diese Meinung exklusiv haben könnte. Gemeinsam mit Dutt allerdings. Der hatte nach dem 1:1 gegen den SC Freiburg von einer Ergebniskrise gesprochen und behauptet: "Dieser Tabellenplatz hat nullkommanull mit unserer Leistung zu tun." Das klingt nicht nur bitter, sondern ist es auch. Bremen hat unter Dutt in 41 Bundesligaspielen erst 43 Punkte geholt, in dieser Saison hat es in sieben Spielen noch zu keinem einzigen Sieg gereicht. Und nach der Länderspielpause geht es zum FC Bayern. Eichin sagte dann auch: "Wir wissen ganz genau, dass uns momentan nur Punkte helfen, um da ein bisschen Ruhe reinzukriegen. Wir kennen die Mechanismen der Fußball-Bundesliga." Die kennt auch Stuttgarts Armin Veh, der nach der Niederlage in Berlin ratlos wirkte. "Ich bin ja schon länger dabei, da fällt mir teilweise auch nichts mehr ein", sagte er zu den Fehlern seiner Profis. Der Jahrmarkt ist in der Stadt. Der mit dem extra großen Trainerkarussell.
6. Zinnbauer beglückt den HSV
Beim Hamburger SV hingegen hat Josef Zinnbauer als Nachfolger von Mirko Slomka das geschafft, was am Ende als Befreiungsschlag in die Historie der Saison eingehen könnte. Auch wenn der HSV immer noch auf dem vorletzten Platz der Tabelle steht: Ein Sieg in Dortmund, das kann sich sehen lassen, es war der erste Auswärtssieg seit einem Jahr, der einer kämpferischen, wenn auch spielerisch limitierten Leistung entsprang. Aber egal, in Hamburg sind sie glücklich und wollen handeln.
Sportchef Peter Knäbel stellte Zinnbauer nun einen Vertrag als Cheftrainer in Aussicht. "Ich finde, Joe Zinnbauer hat Werbung gemacht, ein Teil der HSV-Zukunft zu sein." Der neue Direktor Profifußball beim HSV kündigte an, die Punktspiel-Pause nutzen zu wollen. "Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, sich für die wichtigsten Mitarbeiter Zeit zu nehmen." Für Zinnbauer wäre es vielleicht gar nicht so schlecht, wenn das vor dem nächsten Spiel gegen Hoffenheim am 19. Oktober geschieht.
Quelle: ntv.de