
Macht er's? Julian Nagelsmann gilt offenbar als heißester Kandidat für die Flick-Nachfolge.
(Foto: IMAGO/MIS)
Hansi Flick ist Geschichte, Rudi Völler soll nur ein Mini-Intermezzo sein: Der DFB sucht einen neuen Bundestrainer, möglichst schnell. Verfügbar ist Julian Nagelsmann, der Ex-Coach des FC Bayern. Er soll der heißeste Kandidat sein. Allerdings wären mit ihm auch einige Risiken verbunden.
Rudi Völler soll den deutschen Fußball retten. Dafür muss ein Spiel reichen. Dass der Gegner Frankreich heißt, macht die Sache nicht einfacher. Man kann auch sagen: Schwieriger geht es kaum. Der Vize-Weltmeister hat einen beeindruckend starken Kader und wenn der richtig Lust hat, die verunsicherte deutsche Mannschaft zu triezen, dann könnte das Debakel vom Samstagabend in Wolfsburg am Dienstagabend in Dortmund (21 Uhr in der ARD und im Liveticker bei ntv.de) sehr schnell vergessen werden. Dann könnte alles, im Ergebnis, noch viel schlimmer kommen. Aber was passiert eigentlich, wenn Deutschland nicht verliert? Vielleicht sogar gewinnt? Ist Dampfplauderer Völler dann vielleicht doch der Mann, der die Dinge zum Guten drehen kann?
Vorerst gibt es keine Anzeichen dafür. Bei der Suche nach einem Nachfolger für den freigestellten Bundestrainer Hansi Flick soll sich alles auf Julian Nagelsmann konzentrieren, auch weil der absolute Wunschkandidat (laut "Kicker") Jürgen Klopp nicht verfügbar ist. Der hatte bereits mehrfach signalisiert, seinen Vertrag bei den Reds bis 2026 erfüllen zu wollen. Das gilt auch für den früheren Leverkusener Roger Schmidt, der bei Benfica Lissabon ebenfalls noch knapp drei Jahre gebunden ist. Der Weg des 56-Jährigen werde von der Verbandsspitze "intensiv verfolgt", hieß es, er besitze jedoch eine für den klammen Verband nicht zu bezahlende Ausstiegsklausel in Höhe von 30 Millionen Euro.
Für den DFB wird alles sehr teuer
Dass also der Name Nagelsmann auftaucht, ist nur allzu logisch. Auch wenn der 36-Jährige beim FC Bayern in seiner zweiten Saison doch einigermaßen krachend gescheitert war, ist er weiter eines der größten Trainertalente des Landes. Und ist verfügbar. Auf einem ziemlich leer gefegten Markt ist das eine sehr gute Grundvoraussetzung. Und dennoch ist Nagelsmann auch eine Personalie, die mit Risiken verbunden ist. Für den Trainer, der mit großen Problemen im deutschen Fußball, unter anderem der mangelnden Weltklasse auf vielen Positionen, kämpfen muss. Diese sind auch nach Flick nicht verschwunden. Und für den Verband.
Sollte sich der DFB mit Nagelsmann wirklich einig werden - man weiß allerdings gar nicht, ob der 36-Jährige wirklich schon bereit für eine Nationalmannschaft ist, oder nicht doch lieber weiter im Vereinsfußball bleiben möchte - gibt es noch weitere brisante Themen. Denn im DFB-Team würde er auf einen großen Bayern-Block treffen. Mit einigen Spielern, wie Joshua Kimmich und Leon Goretzka hatte er ein sehr gutes Verhältnis, mit anderen offenbar weniger. Schon vor seiner Entlassung hieß es immer wieder, dass der Trainer Teile der Kabine verloren hatte. Immer wieder tauchten Gerüchte auf, dass es zwischen Manuel Neuer sowie Thomas Müller und dem Trainer geknirscht haben sollte. Immerhin: Beide sind in einem so weit fortgeschrittenen Alter, dass sie für einen Neuaufbau des am Boden liegenden Teams keine langfristigen Aufgaben mehr beanspruchen dürften. Aber auch um Musiala und Nagelsmann gab es Spannungsgerüchte. Das wäre dann schon eher ein Problem. Denn der Youngster gilt als größter (als einziger?) Hoffnungsträger auf eine erfolgreiche Zukunft. Die Beziehung zu Serge Gnabry und Leroy Sané war ebenfalls nicht immer einfach.
Oder doch einfach Völler?
Nagelsmann war in seiner Laufbahn bisher am erfolgreichsten, wenn er Teams aufbauen und entwickeln konnte. In der täglichen Arbeit. Wenn Stars wuchsen und nicht versuchten, ihre Plätze zu verteidigen. Beim DFB würde er eine Hybridrolle zwischen beiden Welten einnehmen. Ein Problem: Nagelsmann steht für einen komplexen und anspruchsvollen Fußball, im Verein hat er Zeit, diesen einzustudieren, bei DFB-Lehrgängen dagegen mangelt es eben genau daran. Eine neue Mannschaft zu entwickeln, ist unabdingbar, aber es braucht auch gewachsene Hierarchien. Führungsspieler, die diesen Anspruch nicht nur haben, sondern ihn auch wahrnehmen. An der Mittelfeld-Statik mit Goretzka, Kimmich und Neu-Kapitän İlkay Gündoğan haben sich zwei Bundestrainer erfolglos abgearbeitet. Eine nachhaltige Stabilität ist nicht entstanden. Einen jungen Trainer, der aus einer negativen Spirale kommt, für teures Geld zu verpflichten, ist für den klammen DFB auf jeden Fall ein Wagnis.
Bis zu zehn Millionen Ablöse könnte er kosten. Angeblich soll der FC Bayern, der weiter sein Gehalt bezahlt, aber bereit sein, Abstriche bei der einzunehmenden Summe zu machen. Und dennoch: teuer wäre er allemal. Zumal noch Gehalt hinzukommt und mögliche neue Assistenten auch bezahlt werden müssen. Und, nicht vergessen, bis zu einem neuen Engagement und dem Auslaufen seines aktuellen Vertrags steht auch Flick noch auf der Payroll - außer der DFB würde ihm eine saftige Abfindung zahlen.
Also doch Menschenfreund Rudi Völler? Zusammen mit Motivator Sandro Wagner und Taktiker Hannes Wolf, die am Dienstag in Dortmund als Co-Trainer auf der Bank sitzen werden? Oder vielleicht übernehmen die beiden Novizen auch komplett und alleine? Es wäre die günstigste Lösung, alle sind bereits beim DFB angestellt. Und sollen ohnehin strukturelle Reformen im Nachwuchs angehen. Gut für den Verband: Er kann die potenzielle Lösung am Dienstag unter den denkbar schwierigsten Bedingungen antesten.
Quelle: ntv.de