Krawalle überschatten CL-Spiel Warum der Tag in Neapel so eskalieren musste
16.03.2023, 10:25 Uhr
Neapels Bürgermeister Gaetano Manfredi sprach von "verrückten und inakzeptablen Verwüstungen".
(Foto: IMAGO/ZUMA Wire)
Erstmals spielt Eintracht Frankfurt ein Rückspiel im Achtelfinale der Königsklasse. Doch das Duell wird von Ausschreitungen der Fans überschattet, in der Innenstadt Neapels gibt es im Vorfeld der Partie heftige Krawalle. Das Konzept der italienischen Behörden geht nicht auf.
Es kam also doch so, wie es sich schon in den Tagen zuvor angedeutet hatte: Nicht nur hat Eintracht Frankfurt das Wunder von Neapel verpasst und auch das Achtelfinal-Rückspiel in der Königsklasse mit 0:3 (0:1) deutlich und chancenlos verloren, die Partie wurde auch von schweren Fan-Ausschreitungen in Neapels Innenstadt überschattet. Bürgermeister Gaetano Manfredi sprach von "verrückten und inakzeptablen Verwüstungen".
Dem ging eine wilde Gemengelage voraus: Neapel-Ultras kämpften gegen die der Eintracht, die wiederum attackierten die italienische Polizei. "Es waren die Ausschreitungen, die wir seit dem Tag der Auslosung befürchten mussten", sagte Eintracht-Vorstand Philipp Reschke. Es schien "ein bisschen so", erklärte er, "dass sich die Gruppen, die sich gesucht haben, auch gefunden haben". Auch Frankfurt-Trainer Oliver Glasner und Sportvorstand Markus Krösche verurteilten die Bilder, die schnell in den sozialen Medien kursierten.
Das Ganze begann schon bei der Ankunft des Frankfurter Anhangs. Die Busse, die Hunderte Ultras vom Bahnhof zum Hotel brachten, wurden von Napoli-Fans mit Pyrotechnik beschossen. Am Nachmittag ging es weiter: In der Innenstadt spielten sich wilde Jagdszenen zwischen vermummten Personen beider Fanlager und der Polizei ab. Wie der "Corriere dello Sport" berichtete, hätten sich Eintracht-Fans dort versammelt und seien von Napoli-Fans mit Steinen beworfen worden, während sie von der Polizei geschützt wurden.
In der Folge kommt es zu Straßenschlachten. Immer wieder waren Berichten zufolge Detonationen zu hören, Rauchschwaden durchzogen die engen Gassen rund um die Piazza del Gesu. Mehrere Autos, darunter ein Polizeiauto, sollen laut "Gazetta dello Sport" von deutschen Fans angezündet worden sein. Zudem seien Lokale in der Umgebung beschädigt sowie Tische, Stühle und Schaufenster von Bars und Restaurants zerstört worden.
Eine seltsame Ticketposse
Auch nach dem Spiel fand das unwürdige Schauspiel kein Ende. Bei der Rückkehr ins Teamhotel wurden die Eintracht-Profis von einem riesigen Polizei-Aufgebot in Empfang genommen. Erst kurz zuvor hatten die Sicherheitskräfte mit Wasserwerfern neuerliche Ausschreitungen beendet. Wie italienische Medien berichteten, hatten Neapel-Anhänger versucht, zum benachbarten Hotel vorzudringen, in dem einige Hundert Ultras aus Frankfurt abgestiegen waren und sich für die Abreise mit Bussen fertig machten. Die Napoli-Ultras zündeten demnach Feuerwerkskörper und warfen Steine auf die Einsatzkräfte.
Dabei war das alles absehbar. Die italienischen Behörden, die eigentlich gerne die Fußball-Europameisterschaft 2028 oder 2032 austragen würden, befeuerten die Eskalation noch selbst. Denn dass der Auswärtsblock im Diego-Armando-Maradona-Stadion leer blieb, war das Ergebnis eines skurrilen Hin und Her. Die Präfektur Neapel wollte mit aller Macht verhindern, dass es deutsche Fans auf die Tribünen schaffen. Ihr Ziel hat sie erreicht, jedoch nicht mit juristischen Mitteln - die Eintracht verzichtete freiwillig auf ihre 2700 Auswärtstickets.
Erst hatte die Präfektur Neapel verboten, dass Deutsche Tickets für das Spiel kaufen können. Am vergangenen Samstag hob ein Verwaltungsgericht der Region Kampanien diesen Erlass auf. Die Frankfurter Freude währte jedoch nur kurz, denn daraufhin korrigierte die Präfektur das Verbot. Ausgeschlossen waren nun diejenigen, die ihren Wohnsitz in Frankfurt haben. Am Ende hatte sich die Eintracht nicht auf die behördliche Willkür eingelassen, auf Postleitzahlen zu achten, und ließ den Auswärtsblock leer.
Frankfurter Fanfreundschaft mit Bergamo
Die italienischen Behörden verteidigten ihr Vorgehen allem mit einer Sache: der Sicherheit. Mit dem Komplett-Ausschluss habe die Stadt "Risiken für den Schutz der Ordnung und der öffentlichen Sicherheit" vermeiden wollen, die möglicherweise bei der Anreise von Fans der Frankfurter nach Süditalien drohen könnten. Dabei bezogen sich die italienischen Behörden in erster Linie auf das Hinspiel.
Denn die Anhänger der Eintracht pflegen eine Fanfreundschaft mit dem norditalienischen Erstligisten Atalanta Bergamo, deren Anhänger mit denen von Neapel verfeindet sind. Auch deshalb war es am Rande des 0:2 der Eintracht in Frankfurt zu tätlichen Angriffen auf italienische Fans gekommen. Anhänger der Eintracht hatten Kleinbusse und Autos von Napoli-Fans mit Steinen und Glasflaschen attackiert. Neun Personen wurden kurzzeitig in Gewahrsam genommen.
Die Polizei fürchtete nun, dass sich die Italiener für die Vorkommnisse rund um das Hinspiel revanchieren würden. Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" mit Verweis auf eine italienische Zeitung berichtet, habe der DIGOS, ein auf Terrorismus spezialisierter Zweig der italienischen Staatspolizei, die interne Kommunikation der Napoli-Ultras abgehört. Darin hätten sie vom "Krieg" gesprochen. Auch deshalb hätten die Behörden versucht, den Ausschluss durchzudrücken. Nur ist unklar, was von der Drohung zu halten ist, warum sie nicht öffentlich kommuniziert wurde.
Am Ende verlieren alle
Ob es dann der Sicherheit zuträglich war, die Menschen auszuschließen, die tatsächlich ins Stadion wollten, ist zumindest sehr fragwürdig. Denn so reisten vor allem diejenigen in Richtung Vesuv, die sich vermutlich von Anfang an nicht wegen des Fußballs aufgemacht hatten. Dass sie dabei Unterstützung aus Bergamo bekommen würden, war auch keine sonderlich große Überraschung. Wer für die Krawalle nun verantwortlich war, wird noch zu ermitteln sein.
So rückt das eigentliche Problem in den Hintergrund: dass der Fan-Ausschluss ohnehin fragwürdig war. Im Vorfeld meldete etwa die deutsche Innenministerin Nancy Faeser schon Zweifel an, ob die Maßnahme wirklich zur Deeskalation beitragen würde. Selbst die deutsche Gewerkschaft der Polizei (GdP) äußerte Bedenken, "dass angesichts nicht seltener, oft höchst brutaler sogenannter Drittort-Auseinandersetzungen eine noch höhere Eskalationsstufe gezündet" würde. Auch die Spieler kritisierten das. Neapel habe "sich selbst keinen Gefallen damit getan, unsere Fans auszusperren", sagte etwa Eintracht-Kapitän Sebastian Rode.
Und die Frankfurt-Fans? So unwürdig die ganze Posse der Präfektur Neapel um die Auswärtstickets war, es hätte wohl auch bessere Wege gegeben, dagegen zu demonstrieren. Ob es wirklich Straßenschlachten sein mussten, ist ebenfalls mehr als fraglich. Mit ihrem Auftreten haben sie vermutlich eher denjenigen Argumente geliefert, die in Auswärtsfahrern immer noch Quarzsand-Handschuhe tragende Chaoten sehen - und nicht das, was sie in den allermeisten Fällen wirklich sind: einfach Fußballfans. Und so haben am Ende alle verloren: Die Eintracht ist sportlich aus der Königsklasse ausgeschieden, das Sicherheitskonzept der Präfektur Neapel ist krachend gescheitert, und die Ultras haben für beschämende Bilder gesorgt.
Quelle: ntv.de, mit sid