Redelings Nachspielzeit

Hermann-Gerland-Effekt Der FC Bayern sucht seine altbewährte Nestwärme

Kennen sich von früher: Herrmann Gerland und Max Eberl.

Kennen sich von früher: Herrmann Gerland und Max Eberl.

(Foto: imago/Team 2)

Lothar Matthäus hat Hermann Gerland als Nachfolger von Thomas Tuchel ins Gespräch gebracht. Ein Gedanke, der verständlich ist. Denn den Bayern fehlt dessen spezielle Form der Menschlichkeit. Man darf vermuten, dass Max Eberl dieses Problem bereits erkannt hat.

"Ich habe mit Didi Hamann Pakete packen müssen, weil Herman Gerland nicht wollte, dass wir in den Sommerferien rumlungern." Als Max Eberl diese kleine Anekdote im Rahmen seiner ersten Pressekonferenz als neuer Sportvorstand des FC Bayern München erzählte, war dies sicherlich kein Zufall. Er war nach seinem "Lebenstraum" gefragt worden und holte etwas weiter aus. Eberl sprach über den wachsenden Verein, den er viele Jahre als ebenfalls Heranwachsender begleiten durfte.

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In all diesen Jahren war auch der knorrige und doch so sympathische Mann aus Bochum, Hermann Gerland, beim FC Bayern München allgegenwärtig. Die allermeisten Fußballfans lernten Gerland allerdings erst kennen, als er Ende April 2009 zusammen mit Jupp Heynckes zum ersten Mal als Co-Trainer die Übungseinheit beim Rekordmeister leitete.

Damals hatten sich die Bayern von Jürgen Klinsmann trennen müssen - und Uli Hoeneß war auf die Idee gekommen, das ungleiche Duo Jupp Heynckes und Hermann Gerland auf den Platz zu schicken. Nüchtern kommentierte der Bayern-Manager damals seine Entscheidung: "Wir haben versucht, alles in die Waagschale zu werfen, was der Verein hat." Doch das war nur eine formelle Umschreibung für einen genialen Schachzug zurück in alte Zeiten.

Auf Lebenszeit eine Carte blanche der Hilfe

Denn damals wie heute war dem FC Bayern etwas die Seele des legendären "Mia san mia"-Gefühls abhandengekommen. Denn neben aller Professionalität verkörperte insbesondere Uli Hoeneß immer auch ein Stück besonderer Nestwärme. Hoeneß selbst hat diese spezielle Art der Menschlichkeit einmal in einen einzigen Satz gegossen: "Wer beim FC Bayern war und sich seriös verhalten hat, hat auf Lebenszeit eine Carte blanche der Hilfe."

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Als nun 2009 Not am Mann war, erinnerte sich Uli Hoeneß an seinen "alten Kumpel" Heynckes. Doch den immer noch als etwas "streng und unnahbar" geltenden Ex-Bayern-Trainer wollte der Erfolgsmanager nicht alleine auf die Mannschaft loslassen - und so hatte Hoeneß den genialen Einfall, Hermann Gerland an seine Seite zu stellen. Die "Zeit" schrieb damals: "Heynckes sorgt für die Erfahrung, Gerland für die Lockerheit." Und genau so war es. Der Plan von Uli Hoeneß ging komplett auf. Die beiden ergänzten sich perfekt und alles gipfelte im Triple-Triumph 2013.

Auf der Party danach zeigte Hermann Gerland noch einmal, wieso die Idee von Uli Hoeneß im April 2009 so großartig gewesen war. Ein launiger Gerland zu einem milde lächelnden Heynckes: "Josef, Champions-League-Sieger, ich habe einen Wunsch. Ich möchte, dass du mal ein wenig lockerer wirst. Denn irgendwann kommt der Sensenmann. Du kommst in den Himmel, ich komme in die Hölle. Davor müssen wir noch mal richtig die Sau rauslassen!"

"Es passiert, dass zwei Menschen sich nicht abkönnen"

Und weil der Einfall so wunderbar funktioniert hatte, blieb Hermann Gerland auch der Co-Trainer der Bayern, als man Männer wie Louis van Gaal, Pep Guardiola, Carlo Ancelotti oder Hansi Flick verpflichtete. Die menschelnde Art Gerlands kam an. Intern wie draußen. Es waren viele Jahre des großen Erfolgs und eine Zeit, in der man immer das Gefühl hatte, dass der FC Bayern München das "Mia san mia" in all seinen Facetten lebte. Im Sommer 2021 verabschiedete sich Hermann Gerland nach so vielen Jahren vom FC Bayern. Einer der Gründe: Sein angespanntes Verhältnis zum Sportdirektor Hasan Salihamidzic. Gerland: "Es passiert doch, dass zwei Menschen sich nicht abkönnen, oder?"

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Natürlich ist nicht der Abgang Gerlands vom Rekordmeister schuld an der aktuellen Lage des Vereins, aber ein Typ wie Hermann Gerland fehlt dem FC Bayern München in diesen Tagen dennoch an allen Ecken und Kanten. Dem neuen Sportvorstand Max Eberl darf man zutrauen, dass er dieses Problem bereits erkannt hat. Er wird vermutlich dennoch nicht Hermann Gerland bei einem vorzeitigen Ausscheiden von Thomas Tuchel zurückholen (so charmant der Gedanke Matthäus' auch ist). Wenigstens nicht alleine. Doch für die Zukunft wird Eberl wissen, dass diese Komponente des "Mia san mia" wieder mehr in den Vordergrund gerückt werden muss.

Wahrscheinlich kann Max Eberl selbst viel dazu beitragen. Denn er hat nicht nur in jungen Jahren bereits Hermann Gerland kennenlernen dürfen, sondern aus nächster Nähe auch Uli Hoeneß erlebt. Und egal, wer in Zukunft auch der neue Trainer des FC Bayern München sein wird, alle wissen nun: Ohne diesen speziellen Teil des Bayern-Gens wird es beim Rekordmeister nicht vorangehen.

Quelle: ntv.de

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