Redelings Nachspielzeit

"Mir ist angst und bange" Die "Schnauze voll"-Schalker hoffen auf den großen Knall

Leere in den Augen.

Leere in den Augen.

(Foto: IMAGO/Jan Huebner)

Nach der Demontage beim 1. FC Magdeburg wackelt auf Schalke der Stuhl von Trainer Karel Geraerts mächtig. Doch selbst wenn sich der Belgier noch einige Spiele in der 2. Fußball-Bundesliga hält: Spätestens zum Saisonende wird nicht nur der Trainer bei den Königsblauen gehen müssen.

"Das hat nichts mit Zweitliga-Fußball zu tun". Das Urteil des ehemaligen Bundesliga-Profis und bekennenden Fan des FC Schalke 04, Maik Franz, war zur Halbzeit der Partie der Königsblauen beim 1. FC Magdeburg am vergangenen Samstag hart - aber auch vollkommen gerechtfertigt. Zu diesem Zeitpunkt lag der Erstligaabsteiger bei einem Mitkonkurrenten um den Klassenverbleib nach 45 grottenschlechten Minuten bereits mit 0:3 hinten. Und es hätte locker höher stehen können, wenn nicht sogar müssen. Der 1. FC Magdeburg machte mit den Schalker, was er wollte. Und die Mannschaft der Königsblauen schien zeitweise komplett hilf- und führungslos.

Der vor der Saison von Union Berlin nach Gelsenkirchen gekommene Paul Seguin musste nach der Partie stellvertretend für sein Team vor die TV-Kameras treten - und obwohl er eigentlich sprachlos war ("Mir fehlen da einfach die Worte"), sagte er anschließend doch eine ganze Menge: "Ich habe die Schnauze echt voll. Es ist ein ständiges Auf und Ab. Es tut mir einfach nur leid, was für eine Scheiße wir da spielen Woche für Woche. Ich bin echt bedrückt." Und dann sagte er noch etwas, das bundesweit für Schlagzeilen sorgen sollte: "Ich hoffe, es knallt die Woche ordentlich. Wir haben Druck auf dem Kessel, wir müssen die Eier auf den Tisch legen."

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Das alles hört sich nicht gut an, denn es klingt nach einer Mischung aus Abgesang und Durchhalteparolen. Und auch seine weiteren Sätze machen die Sache im Kern nicht besser: "Wir müssen uns auch mal die Meinung sagen, unangenehm sein - auch, wenn es mein Freund ist. Ich muss ihn auch mal anschnauzen, das gehört einfach dazu. Wir dürfen nicht alles schönreden und die Verantwortung wegschieben." Das tat Paul Seguin anschließend auch tatsächlich nicht, als er meinte: "Wir Spieler sind schuld, kein anderer." Doch das sehen offensichtlich nicht nur die Experten von außen mittlerweile anders - sondern wohl auch große Teile des Teams. Und so verwundert es nicht, dass Trainer Karel Geraerts bereits öffentlich ("Hat der S04-Trainer die Kabine verloren?", "RevierSport") angezählt wird.

Trainer weist Spielern die Schuld zu

Was die Schalker Offiziellen allerdings alarmieren sollte: Es sind die ähnlichen Stimmen wie damals im Herbst, als rund um den Schalker Markt die Tauben von den Dächern gurrten, dass Coach Thomas Reis die Mannschaft nicht mehr geschlossen hinter sich habe. Auch damals kritisierten die eigenen Spieler mal mehr, mal weniger offen die Taktik des eigenen Trainers. Und tatsächlich hat sich Geraerts in Magdeburg bereits zum wiederholten Mal mit seiner taktischen Marschroute verzockt. Zur Pause änderte Geraerts seine Ausrichtung, meinte hinterher allerdings auf Nachfrage, dass es eigentlich auch mit seinem ursprünglichen 3-5-2-System hätte besser laufen müssen. Eine klare Schuldzuweisung an seine Profis: "Die Spieler kennen sich, die Fünferkette ist nicht neu für sie, sie sind eigentlich erfahren genug. Es muss besser sein."

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Seguin hatte noch gesagt, dass "wir alle in einem Boot sitzen", doch davon ist beim FC Schalke 04 schon lange nichts mehr zu spüren. Und man kann Maik Franz nur zustimmen, wenn er meint: "Der Vorsprung auf die Abstiegsplätze ist nach wie vor nicht groß. Wenn man die 2. Liga kennt, dann weiß man, wie tückisch sie ist. Ehrlich gesagt ist mir angst und bange um Schalke. Der Abstieg bleibt ein Thema." Genau darin liegt, je länger die Saison fortschreitet und je weniger Partien zu spielen sind, ein ganz großes Problem auf Schalke. Denn im Falle des Abstiegs würde kein einziger Spieler des FC Schalke 04 einen gültigen Vertrag für die 3. Liga besitzen. Eben an dieser Stelle beginnt das schöne "Alle in einem Boot"-Bild von Paul Seguin schief zu hängen. Die Spieler-"Ich AGs" werden sich zunehmend beruflich für ihre eigene Zukunft absichern wollen, je länger der S04 potenziell im nächsten Jahr eine Klasse tiefer spielt.

"Das Schlechteste aus den Spielern rausholt"

Jan Kirchhoff, der vor zehn Jahren einmal knapp anderthalb Jahre bei den Königsblauen spielte, ordnete die Tage die Situation auf Schalke gut ein, als er meinte: "Von der Qualität der Spieler her ist das eine gute Zweitliga-Mannschaft. Mit einem sehr guten Trainer könnte sie auch um den Aufstieg mitspielen. Man schafft es nicht, ein Gebilde zu entwickeln, das das Beste aus den einzelnen Spielern rausholt. Es wirkt eher so, dass man das Schlechteste aus den Spielern rausholt." Was Kirchhoff damit indirekt sagt, ist klar. Und so wird es selbst in der Führungsriege um den neuen Sportdirektor Marc Wilmots keine Zweifel mehr daran geben, dass die (nahe) Zukunft auf Schalke nicht mehr mit Trainer Geraerts bestritten werden wird.

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Wie lange der Belgier noch bei den Königsblauen an der Seitenlinie stehen wird, hängt sicherlich maßgeblich von den Ergebnissen am nächsten Wochenende ab. Sollte Schalke zu Hause gegen den FC St. Pauli verlieren (Freitag, 18.30 Uhr/Sky und im ntv.de-Liveticker) und die Konkurrenz im Abstiegskampf punkten, wird es vermutlich ganz schnell gehen. Die Frage wird dann nur sein, wer kann mit dieser Mannschaft kurzfristig die Klasse halten und langfristig eine Truppe formen, die endlich wieder die hohen Ansprüche des Klubs an sich selbst erfüllen kann?

Doch das wird vermutlich eh ein Ding der Unmöglichkeit sein, wie Jan Kirchhoff die Tage ebenfalls noch sagte: "Es gibt auf Schalke immer eine latente Unzufriedenheit, das war auch zu meiner Zeit so. Rund um den Verein ist es nie genug." Doch jetzt geht es erstmal darum, die "Eier auf den Tisch" zu legen, wie Seguin meinte. Man darf gespannt sein, ob das dann am Ende auch für das Minimalziel Klassenerhalt reichen wird.

Quelle: ntv.de

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