USA zerrupfen Mitfavorit Serbien Superstar-Team sendet Schockwellen ins olympische Turnier
28.07.2024, 22:35 Uhr
Superstars unter sich: LeBron James und Kevin Durant.
(Foto: REUTERS)
Zumindest eine Halbzeit lang zeigen Nikola Jokić und Serbien, warum sie zu den Mitfavoriten auf eine olympische Medaille gezählt werden. Dann brausen die unschlagbar wirkenden USA davon - auch weil einer der besten Scorer aller Zeiten zurückkehrt.
"Das erste Spiel ist wichtig, aber nicht entscheidend." Mit diesen Worten hatte Serbiens Nationaltrainer Svetislav Pešić im Vorfeld auf die Auftaktpartie seiner Mannschaft gegen den großen Turnier-Favoriten USA geblickt. Am Sonntag setzte es für Pešić, Nikola Jokić & Co. im ersten Spiel beider Teams bei diesen Olympischen Spielen eine am Ende überdeutliche und sehr schmerzhafte 84:110-Niederlage - weil die Superstars LeBron James und Kevin Durant individuell, und die USA kollektiv, in Sachen Shooting einen absoluten Sahnetag erwischten.
James und Durant erzielten zusammen 44 Punkte und trafen gemeinsam 18 ihrer 22 Versuche aus dem Feld. Durant kam auf 23 Punkte bei 8 von 9 Feldkorbtreffern, James auf 21 Punkte (bei 9/13 FG), 7 Rebounds und 9 Assists. Team USA versenkte 62 Prozent seiner Würfe und 56 Prozent seiner Dreierversuche (18/32) auf dem Weg zu den 110 Punkten insgesamt. Jrue Holiday (15 Zähler), Devin Booker (12) sowie Steph Curry (11) und Anthony Edwards (11) punkteten ebenfalls zweistellig für die bestens aufgelegten NBA-Stars, die am Spiefeldrand lachten, flachsten und sich mit Videospiel-Gesten gegenseitig anstachelten.
"Ich habe Kevin drei Jahre lang gecoacht (Anmerk. d. Red.: bei den Golden State Warriors). Er kommt immer zurück, als wäre nichts gewesen. Er hat seit Monaten nicht gespielt und sah so aus, als hätte er nie pausiert. Einfach unglaublich", freute sich US-Coach Steve Kerr über die Rückkehr seines vielseitigen Megastars.
"Durantula" als ultimativer Cheat-Code
"KD (Anmerk. d. Red.: also Kevin Durant) an meiner Seite zu haben ist definitiv ein Schmankerl", diktierte ein zeitlos dominanter James nach dem Auftaktsieg ins Mikro. Die Story des Tages war in der Tat die Rückkehr des "Slim Reaper", wie der filigrane Durant dank seiner tödlichen Wurfgenauigkeit genannt wird. Erst am Nachmittag hatten die Amerikaner offiziell grünes Licht für einen Rückkehr Durants aufs Parkett gegeben.
Obwohl der zweifache Meister und Finals-MVP (2017 und 2018) seit Wochen um einen Einsatz buhlte und sowohl im Training als auch beim Shootaround vor den Testspielen in exzellenter Verfassung wirkte, hielten ihn die Teamverantwortlichen bei allen fünf Partien während der Vorbereitungsphase in Las Vegas, Abu Dhabi und London aus der Live Action auf dem Parkett heraus. Das sorgte beim Superstar für zunehmende Irritation, er selbst wollte schon längst wieder mitmischen.
Sein Debüt in diesem Sommer hätte indes nicht perfekter ablaufen können. Durant kam nach knapp acht Minuten zum ersten Mal ins Spiel und brannte sofort lichterloh. Einer der besten NBA-Scorer aller Zeiten - sein Punkteschnitt von 27,3 PPG ist der vierthöchste hinter Michael Jordan, Wilt Chamberlain und Elgin Baylor (Minimum 500 Partien) - jagte seine ersten acht Wurfversuche durch die Maschen und beendete Halbzeit eins mit 21 Punkten in weniger als neun Minuten. Als er zu Ende der ersten Hälfte mit einem Fadeaway zur 58:49-Pausenführung traf und zu Boden ging, hatten die USA ihre Gegner bereits niedergerungen.
Serben verlieren den Rhythmus
Viel enger wurde es nämlich nicht mehr nach der Pause. Die Serben konnten das Pensum der ersten 20 Minuten nicht weiter gehen, verfehlten 13 ihrer Würfe im dritten und zwölf Würfe im letzten Spielabschnitt, während die USA ihre Führung immer weiter ausbauten. Dreifach-MVP Nikola Jokić von den Denver Nuggets kam auf 20 Punkte, 5 Rebounds und 8 Assists. NBA-Veteran Bogdan Bogdanović (Atlanta Hawks) erzielte 14 Punkte, Ognjen Dobric steuerte 13 Zähler bei.
Serbien führte früh (10:2) und zwang Kerr bereits nach drei Minuten zur ersten Auszeit. Das Team vom Balkan hielt die Partie in Halbzeit eins stets ausgeglichen und demonstrierte eindrucksvoll, warum es zu den Top-Favoriten in diesem hochklassigen Turnier gezählt werden muss. "Sie waren ein guter Test für uns", sagte Anthony Davis anschließend. "Sie kamen mit viel Intensität raus, spielten sehr gut. Durant hat uns mit seinem Scoring in Halbzeit eins im Spiel gehalten, und wir haben das dann ausgenutzt."
Zwei Minuten vor der Pause verkürzte der WM-Silbermedaillengewinner dank eines 8:0 Laufs auf 44:46, ehe Durant aufs Gaspedal drückte. Mit ein bisschen mehr Wurfglück wäre vielleicht mehr gegangen für die Serben. Vor allem aus der Distanz fiel für Pešićs Team aber so gut wie gar nichts. Am Ende standen mickrige 41,9 Prozent aus dem Feld und nur 24 Prozent von Außen zu Buche (9 von 37 Dreier).
"Wir haben nicht viel über Defense gesprochen. Wir wissen, dass Defense wichtig ist, das ist die Basis unseres Spiels", sagte Serbiens Coach nach der Partie. "Wir hatten viel mehr Fokus auf unseren Angriff gerichtet, wir wussten, dass sie uns aggressiv verteidigen würden. Als wir mit Rhythmus spielten, als wir unsere Strategie präzise ausführten, sahen wir gut aus. Das haben wir dann verloren, haben viel zu viele frühe Würfe genommen. 34 Dreier, das ist nicht unser Stil - und ein klarer Beweis dafür, dass wir die Organisation verloren haben."
Wiedersehen im Halbfinale?
Für Durant war es der erste Einsatz seit dem Olympia-Finale vor drei Jahren in Tokio, in dem er die USA mit 29 Punkten zur Goldmedaille geworfen hatte. Eigentlich wollte ihn Coach Kerr nur langsam wieder ans Geschehen heranführen - ehe ihm ein bestens aufgelegter Durant einen Strich durch die personaltaktische Rechnung machte. "Ich wollte es einfach machen. Und aggressiv sein, sobald der Ball meine Hand berührt."
"Ich war müde, aber ich habe mich gut gefühlt", sagte der Topscorer. "27.000 Fans, das ist verrückt. Ich liebe es, wenn so viele Leute zusammenkommen, um Basketball zu schauen. Das hat mich zu Beginn des Spiels emotional gemacht. Wir müssen einfach füreinander spielen. Niemand interessiert sich für Statistiken. Wir wollen nur gewinnen. Das ist das Schöne am Basketball - Teamwork."
Durant hat bereits drei Mal Olympia-Gold gewonnen (2012, 2016, 2020) und ist der All-Time Leader der Amerikaner bei den Punkten (458), Treffern aus dem Feld (154), Dreiern (79), Freiwürfen (71) und Punkten pro Spiel (19,9 PPG). Sollten die USA das Finale erreichen, wird er Carmelo Anthony (drei Mal Gold, ein Mal Bronze) als erfolgreichsten Olympioniken aller Zeiten unter den US-Basketballern überholen. Auch wenn der Vorsprung gegenüber anderen Nationen geschrumpft ist und die Testphase Luft nach oben offenbarte: Bisher scheint es nicht so, als würde jemand die US-Amerikaner ernsthaft gefährden können.
"Sie sind sehr gut, aber wir können definitiv besser spielen. Wir haben in der zweiten Halbzeit nicht gut begonnen, und sie haben einfach besser als wir gespielt, gereboundet, gekämpft. Wir wussten, dass sie besser als in Abu Dhabi auftreten werden", wahrte Serbiens Guard Bogdanovic notwendigen Abstand zur Niederlage. Die Serben müssen jetzt gegen Puerto Rico am Mittwoch und Süd-Sudan am Samstag gewinnen, um Gruppe C zu überleben und den Sprung ins Viertelfinale zu schaffen. Dank des eigenartigen Gruppenformats können sie aber frühestens im Halbfinale wieder auf die USA treffen. Es wäre mit Sicherheit wieder ein Spitzenspiel - dann vielleicht sogar über volle 40 Minuten.
Quelle: ntv.de