
Das gibt es nur von Blackberry: Ein aktuelles Highend-Smartphone mit Tasten.
(Foto: jwa)
Blackberry hat auf dem Smartphone-Markt schon vor Jahren den Anschluss verloren. Mit dem neuen Gerät "Priv" wollen sich die Kanadier zurück in den Markt kämpfen. Dabei haben sie vier Asse im Ärmel.
Das Blackberry Priv ist nichts für jedermann. Es will nicht auf dem Schulhof herumplärren, es will nicht nur spielen, es will beißen. Es möchte von Machern aus einer Manteltasche gezogen werden, von Leuten, die viel zu tun haben und keine Zeit für Mätzchen haben. Es ist immerhin ein Blackberry. Es will, dass sein Besitzer aufatmet, wenn er im Business-Flieger eine Powerpoint-Präsentation auf dem riesigen Display bearbeitet. Es will, dass seine Besitzerin lächelt, wenn sie im Erste-Klasse-Abteil eine lange E-Mail tippt. Es will Spionage-Angriffe von Apps abwehren. Es will, dass sein Besitzer denkt: Endlich wieder Blackberry.
Das erste Android-Smartphone der Kanadier trägt eine schwere Last auf seinen Kunststoff-Schultern. Es soll das Unternehmen wieder in die Erfolgsspur führen. iPhone und zahllose Androiden haben Blackberry längst aus dem Markt gedrängt, selbst Windows Phone scheint für viele Kunden attraktiver. Blackberry hat nun seinen Stolz heruntergeschluckt, sein eigenes erfolgloses Betriebssystem zur Seite gelegt und sich ganz Android hingegeben. Das Ergebnis ist das Blackberry Priv. Es soll das Comeback der Kanadier einleiten. Nur - gelingt ihm das auch?
Selbstbewusst liegt es auf dem Tisch. Das kantige Design ist aus einem Guss, schwarz ist dieses Handy natürlich, bunt dürfen andere sein. Stylisch wirkt das gebogene Glas an den Rändern des 5,4-Zoll-Displays, mutig verzichtet es auf gebürstetes Aluminium. Doch sein Geheimnis gibt es erst preis, wenn man es in die Hand nimmt. Damit ist nicht die griffige, gummierte Rückseite gemeint, auf der eine 18-Megapixel-Kamera der deutschen Nobel-Marke Schneider-Kreuznach residiert. Nein, mit dem Daumen lässt sich das Display nach oben schieben, das daraufhin eine physische Tastatur entblößt. Tasten? Ja, ist ja ein Blackberry. Im Jahr 2016? Ähm, ja.
Tasten können mehr als tippen
Die Tastatur ist viel mehr als nur eine Tastatur. Sie funktioniert wie ein Trackpad am Laptop. Surft man etwa auf die n-tv.de-App, lässt sich mit einem Wisch übers Tastenfeld durch den Text scrollen. Das ist ein cooles Feature, das Spaß macht und einen großen Vorteil hat: Man kommt nicht mehr versehentlich auf Links zu anderen Webseiten. Außerdem lassen sich alle Tasten mit einem Shortcut belegen, etwa das B für den Browser. Hält man die Taste gedrückt, startet das gewünschte Programm. So effizient ist sonst kein Smartphone auf dem Markt.
Königsdisziplin der Tastatur ist aber natürlich das Tippen. Das ist erstmal gewöhnungsbedürftig, vor allem dann, wenn man die Alt-Taste mitdrücken muss, um dem Gerät einen Großbuchstaben zu entlocken. Aber innerhalb von Tagen kommt man immer besser damit zurecht. Die Tasten sind allerdings deutlich kleiner als auf dem bisherigen Blackberry-Flaggschiff, dem "Passport", und damit für Leute mit großen Händen eher unkomfortabel. Mit ein bisschen Übung schafft es manch einer vielleicht sogar, schneller als auf der virtuellen Tastatur zu tippen. Die entspricht dem Keyboard aus dem hauseigenen Betriebssystem Blackberry 10 und ist hervorragend. Sie punktet mit cleverer Worterkennung und Swipe-Gesten zur Wortvervollständigung und macht das ein bisschen eleganter als andere Android-Brüder.
- System: Android 5.1.1
- Display: 5,4 Zoll, AMOLED (2560 x 1440 Pixel), 540 ppi
- Prozessor: Snapdragon 808, Hexa-Core, 64 Bit, Adreno 418, 600 MHz GPU
- Arbeitsspeicher: 3 GB
- Interner Speicher: 32 GB + microSD
- Akku: 3410 mAh
- Kamera: 18 MP, f/2,2
- Frontkamera: 2 MP, f/2,8
- WLAN b/g/n, LTE, Bluetooth 4.1
- Abmessungen: 147 x 77,2 x 9,7 mm
- Gewicht: 192 g
Apropos Android. Auf dem Priv läuft noch immer die Version 5.1.1, Android 6.0 soll es aber bald geben. Mit ein paar Features haben die Kanadier das Google-Betriebssystem aufgepeppt. Allen voran gilt das für den "Hub" - das ist eine Nachrichtenzentrale, in der sich alle Nachrichten sammeln sollen. SMS, WhatsApp, Facebook, E-Mail-Adressen und Anrufbenachrichtigungen tummeln sich dort. Das ist eine geniale Idee, zumal der Hub von überall erreichbar ist. Blackberry hat ihn in die Google-Now-Funktion integriert, sodass er immer nur einen Wisch entfernt ist. So ist man immer mindestens einen Schritt schneller als auf einem anderen Android-Gerät.
Neue Software-Tricks
Ähnlich verhält es sich mit dem "Productivity Tab". Dabei handelt es sich um eine Kurzvorschau auf die letzten E-Mails, Termine und andere Benachrichtigungen. Diesen Tab kann man ebenfalls von überall mit einem Wisch nach rechts (oder links, je nach Einstellung) aufrufen. Wer viele Termine hat, viele Mails und andere Nachrichten bekommt, für den dürfte dies eine Wohltat sein.
Interessant für alle, die sich um ihre Daten sorgen, ist die dritte große Software-Innovation: die App "Dtek". Diese zeigt an, wie oft und wann Apps wie Facebook, Google Maps und alle anderen auf persönliche Daten zugreifen. Verhindern kann man das allerdings nicht. Eine entsprechende Einstellung soll es erst mit der kommenden Android-Version geben.

Mit solchen Geräten war Blackberry einst Marktführer - für Nostalgiefreunde hat der Smartphone-Pionier das Modell "Classic" m Portfolio. Foto: Andrew Gombert/Archiv
(Foto: dpa)
Das alles sind coole Tricks - ein Dauerläufer ist das Blackberry Priv aber leider nicht. Das Arbeitstempo ist zwar flott, dafür saugt der Hexacore-Prozessor Snapdragon 808 den stattlichen Akku mit 3400 Milliamperestunden für gewöhnlich in einem Tag leer. Ärgerlich ist, dass sich trotzdem gelegentlich Mikroruckler einstellen, zum Beispiel bei Games wie Asphalt 8. Aber dieses Telefon ist sowieso nichts für Zocker, sondern für alle, die ihr Büro in der Manteltasche verschwinden lassen wollen. Telefonieren kann man mit dem Teil auch, dabei blieb die Gesprächsqualität in Testgesprächen etwa hinter dem Blackberry Z10 zurück. Auch der Lautsprecher des Phones ist zwar in Ordnung, aber bei weitem nicht so gut wie die Stereo-Speaker des Blackberry Z30.
Genau das Richtige für ... wen?
Dass Blackberry es ernst meint mit diesem Gerät, zeigt auch die Kamera. Der Sensor löst mit 18 Megapixeln auf und beendet die Ära eher mauer Knipsen an den Smartphones der Kanadier. Die Bilder sind detail- und kontrastreich und sehen auch am Computer-Bildschirm klasse aus. Die f/2,2-Linse sorgt auch bei wenig Licht für gute Bilder, ein optischer Bildstabilisator hilft dabei mit. Gerade im High-End-Berich gibt es da allerdings schon einige Kameras mit f/1,8- oder f/2,0-Linse – sprich: die Kamera ist sehr gut, aber keine einsame Spitze. Die Frontkamera enttäuscht dagegen mit ihren zwei Megapixeln und ist nichts für Selfie-Freunde.
Ist Blackberry nun also zurück auf dem Weg nach oben? Ist das Priv ein iPhone- oder Galaxy-Killer? Das kommt darauf an – es ist ein gutes Smartphone, mit ein paar neuen Features. Ist es besser als die anderen? Nein, es ist anders: Physische Tastatur, Hub und Sicherheitsfeatures machen alle glücklich, die mit dem Gerät vor allem produktiv sein wollen. Mit seiner soliden, aber auch nicht überragenden Verarbeitung bleibt es jedoch hinter anderen Top-Smartphones zurück. Wer also auf die Blackberry-Trümpfe verzichten kann, darf die stattliche Summe von rund 760 Euro auch getrost für ein anderes Gerät ausgeben. Eine Alternative für Effizienzfreunde bietet Blackberry selbst: Wer zu Abstrichen bei der App-Verfügbarkeit bereit ist, sollte sich das Blackberry Z30 oder das Passport ansehen.
Quelle: ntv.de