
Christian Sewing hat der Deutschen Bank den Umbruch befohlen. Womöglich kommt er zu spät.
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Niemand in der Chefetage der Deutschen Bank sollte sich selbst bemitleiden: Die Top-Manager haben das Geldhaus zu Grunde gerichtet - deshalb folgt nun der radikalste Umbruch der Firmengeschichte. Doch die Notoperation kommt womöglich zu spät.
Nicht mal die Deutsche Bank selbst versucht noch kleinzureden, was da gerade in Frankfurt passiert. "Den wohl umfassendsten Umbau seit Jahrzehnten" nennt es ihr Sprecher. Als "nichts anderes als eine grundlegende Transformation", bezeichnet es ihr Chef Christian Sewing, mit der man "eine neue Epoche für unsere Bank einleiten" werde.
Denn dank gravierender Management-Fehler rutscht die Bank seit Jahren ungebremst auf den Abgrund zu. Das einstmals wichtigste deutsche Unternehmen geht vom Krisenmodus in den Überlebenskampf. Die "Deutsche Bank rollt ein letztes Mal die Würfel", wie die britische "Financial Times" schreibt, um nicht unterzugehen. Obwohl Sewing nun endlich den Mut zum radikalen Umbruch findet, kann es gut sein, dass die Deutsche Bank trotzdem nicht mehr zu retten ist.
Die Deutsche Bank hat sich selbst zerstört
Seit ihrem Höhenflug vor der Finanzkrise ist der Aktienkurs um mehr als 90 Prozent eingebrochen. An der Börse wird sie nur noch mit einem Viertel ihres Buchwerts gehandelt. In den Frankfurter Zwillingstürmen sollte sich niemand bemitleiden. Die Bank jammert zwar gerne über Niedrigzinsen und die digitale Veränderung der Branche. Aber an ihrer dramatischen Misere ist nur einer Schuld: sie selbst.
Die Bank hat die strategische Kehrtwende jahrelang verschlafen. Viel zu spät amputiert Sewing nun einen Großteil des Investmentbankings. Er dreht damit genau die Expansion in den zügellosen Kasinokapitalismus zurück, die die Bank vor zwanzig Jahren mit der Übernahme der US-Bank Bankers Trust begonnen hat und seitdem als große Verheißung feiert. Es ist die finale Abkehr vom Größenwahn der Ackermann-Ära, als die Bank mit Victory-Zeichen und 25 Prozent Eigenkapitalrendite an die Weltspitze wollte - koste was es wolle.
Den Preis zahlt die Deutsche Bank bis heute: Die krummen Deals der einst bejubelten Trader schlagen seit der Finanzkrise wie Bumerangs in die Bilanz ein. Die Deutsche Bank hat faule Hypothekenanleihen in Milliardenhöhe verkauft. Sie hat deutsche Städte und Mittelständler mit dubiosen Zinswetten abgezockt. Sie hat Leitzinsen und Währungskurse manipuliert. Sie hat US-Sanktionen gegen den Iran, Libyen, Syrien und Sudan unterlaufen, rund zehn Milliarden Dollar Schwarzgeld von russischen Oligarchen gewaschen, darunter wahrscheinlich Putins Judo-Kumpels. Sie soll Kunden bei Cum-Ex-Steuerdeals geholfen haben. Und sie hat offenbar für Donald Trump und seinen Clan fragwürdige Transaktionen vertuscht.
Die milliardenschweren Rekordstrafen für diese endlose Skandalserie lähmen die Bank seit Jahren. Sie zehren das Kapital auf, das ihre Aktionäre immer wieder nachgeschossen haben - und ihr Vertrauen. Die Chefetage hätte dem außer Kontrolle geratenen Investmentbanking längst den Stecker ziehen müssen. Doch sie wollte diese dunkle Vergangenheit lange nicht wahrhaben. Und schon gar nicht die für Milliarden mühevoll aufgebauten Handelssäle zertrümmern und all die teuer rekrutierten Trader feuern - auch wenn sie längst nicht mehr zu den schwächelnden Erträgen passten.
Mit dem damaligen Chef-Investmentbanker Anshu Jain machte die Bank nach der Finanzkrise gar den Brandstifter zum Feuerwehrmann. Drei Jahre lang predigte er zwar den Kulturwandel, hielt aber faktisch die schützende Hand über seine Getreuen. Denn insgeheim wetteten er und sein Co-Chef Jürgen Fitschen darauf, dass der einstige Gewinnmotor schon wieder anspringen würde.
Ihr Nachfolger John Cryan versuchte, reinen Tisch zu machen: Er zeigte sich "persönlich verantwortlich" für die Exzesse und Milliardenverluste der Bank, und kaufte sie mit Rekordstrafen aus den größten Skandalen raus. Zum Frontalangriff auf die Handelssäle fehlte aber auch ihm der Mut. Gedeckt hat das alles der Mann an der Spitze: Aufsichtsratschef Paul Achleitner, der bis heute so tut, als hätte er mit all dem nichts zu schaffen.
Ein Ex-Azubi soll die Bank retten
Erst Christian Sewing traut sich nun zu tun, wovor Ackermann, Jain, Fitschen und Cryan zurückschreckten: Der ehemalige Azubi aus der Bielefelder Filiale schmeißt die Masters of the Universe an der New Yorker Wall Street und in der Londoner City raus. Die Konkurrenz wagte den Sprung schon vor Jahren: Die Schweizer UBS, die ebenfalls durch krumme Geschäfte und Milliardenverluste glänzte, dampfte ihr Investmentbanking gleich nach der Finanzkrise radikal ein. Heute ist sie einer der größten Vermögensverwalter der Welt - mit dem die Deutsche Bank nun womöglich ihre Vermögensverwaltungstochter DWS fusionieren will.
Als Nachzügler bleibt der Deutschen Bank nun nur noch, sich gesundzuschrumpfen. Geld für die Aktionäre soll nicht etwa aus Gewinnen, sondern aus dem Abverkauf von Bilanzmüll kommen. PR-trächtig versucht sie, diese Niederlage als Erfolg zu verkaufen: "Capital Release Unit" nennt sie die Resterampe, über die durch Verkäufe Kapital freigesetzt werden soll, das bisher der Absicherung von Zockerdeals dient.
Gerettet ist die Deutsche Bank damit aber keinesfalls. Die horrenden Umbaukosten werden ihr weiter rote Zahlen bescheren. Ihr Aktienkurs wird weiter dahinsiechen. Und Niedrigzinsen und die Konkurrenz von Sparkassen und Volksbanken werden ihr weiter zusetzen. Auch wenn die Wende richtig ist, ist der Karren womöglich schon zu festgefahren, als dass die Deutsche Bank ohne fremde Hilfe wieder herauskommt. Ihren Aktienhandel wird sie im Zuge des Umbaus bereits an die BNP Paribas auslagern. Es wäre nicht verwunderlich, wenn die französische Großbank in ein paar Jahren den Rest auch noch übernimmt.
Quelle: ntv.de