EU opfert Trump die Alubranche "Unsere Schrottexporte in die USA sind blanker Wahnsinn"
27.09.2025, 16:41 Uhr Artikel anhören
Kein Schrott, sondern ein wertvoller Rohstoff - um den ein globaler Kampf tobt.
(Foto: picture alliance / imageBROKER)
Aluminium ist der versteckte Superstar des Alltags und unverzichtbar für Mobilitäts- sowie Energiewende. Aluminium kann außerdem perfekt recycelt werden, unendlich oft und mit geringem Energieverbrauch. Niemand beherrscht den Prozess besser als Europa, der Technologievorsprung ist riesig. Doch die Werke stehen leer und die Jobs verschwinden: Händler verkaufen das Altmetall neuerdings lieber an die USA. "Über den Zolldeal kann man nur den Kopf schütteln", sagt Rob van Gils. Der Aluunternehmer beschreibt im "Klima-Labor" von ntv eine Branche, die für den Green Deal viele Millionen Euro in ihre Werke investiert hat, jetzt aber am Abgrund steht. Ihm zufolge lässt sich Europa von den USA und auch von China über den Tisch ziehen. "Die EU-Kommission lebt gerne in ihrer regelbasierten Welt, aber leider hält sich sonst niemand an diese Regeln", sagt van Gils. Seine Warnung ist deutlich: Ohne Exportverbot steht die Branche vor dem Aus.
ntv.de: Aluminium ist ein Alleskönner. Wo steckt das überall drin?
Rob van Gils: Aluminium begegnet man im Alltag ständig, ohne es wahrzunehmen, weil es oft als Konstruktion dient. Im Auto wird Aluminium in der Struktur verbaut: in den Stoßstangen, im Seitenaufprallschutz und bei den Batteriebahnen. Das ist sicherheitsrelevant, das schützt Sie bei einem Unfall. Die E-Mobilität ist eine Anwendung, die in den vergangenen Jahren stark gewachsen ist. Aluminium steckt in Zügen, Flugzeugen, Handys, Fenstern …

Rob van Gils ist Vorstandsvorsitzender von Hammerer Aluminium Industries, Präsident von Aluminium Deutschland und Vizepräsident von European Aluminium.
(Foto: Hammerer Aluminium Industries)
Vielleicht hätten wir fragen sollen, wo es nicht drin steckt …
Das wäre einfacher gewesen. Aluminium wurde bewusst als kritisches Material eingestuft. Ohne geht nichts, auch in der Energiewende. Es ist wichtig für Solar und Wind.
Was macht es so flexibel einsetzbar?
Aluminium lässt sich gut verformen. Man kann es pressen, walzen, gießen und beliebig oft recyceln: Es ist kein Problem, wenn das Produkt nicht mehr benötigt wird. Man schmilzt alte Alufolie ein und macht neue daraus, und zwar mit sehr geringem Energieaufwand. Aluminium ist eines der nachhaltigsten Metalle überhaupt.
Und wo kommt es her?
Das ist in riesigen Mengen in der Erdkruste vertreten, nahe unter der Oberfläche. Man muss nicht sehr tief gehen. Regionen wie Afrika, Australien oder Brasilien sind prädestiniert für den Abbau. Das würde auch in Europa gehen, das Problem ist: Man baut Bauxit ab und gewinnt daraus Tonerde, das Aluminium liegt also gebunden vor und muss abgespalten werden. Dieser Prozess ist energieintensiv. Aufgrund der Energiekosten ist diese Primärerzeugung in Europa in den vergangenen Jahrzehnten stark geschrumpft. In Deutschland ist ein Unternehmen übrig. Stattdessen hat man sich eher in Richtung Recycling und Kreislaufwirtschaft bewegt.
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Was ja nicht unbedingt schlecht sein muss, oder?
In einer globalisierten Welt sollte man Produkte dort erzeugen, wo es ökonomisch am meisten Sinn ergibt. Gleichwohl wäre es aus Gründen der Innovation, der Abhängigkeit und der Resilienz wichtig, die verbliebenen Primärkapazitäten zu halten. In Kombination mit dem Recyclingsystem könnte man den europäischen Bedarf im Wesentlichen ohne Importe aus dem Ausland bedienen.
Wie sieht das Recyclingsystem aus?
Es gibt zwei Ströme: einmal eine geschlossene Anwendung, bei der Lieferanten und Kunden Produkte erzeugen. Bei dieser Produktion fällt Schrott an, der sofort in den Kreislauf zurückgeführt wird, um mit derselben Qualität dasselbe Produkt herzustellen. Der andere Strom ist das klassische Recycling: Aludosen und Alufolie werden entsorgt, aufbereitet und ebenfalls wiederverwendet. Dieser Prozess ist etabliert, sprich: Aus der Dose wird eine neue Dose, aus der Folie eine neue Folie. Bei Bauschutt ist es nichts anderes: Das Material kommt in einen Ofen, bis es schmilzt. Dann gibt man wie beim Kochen verschiedene Zutaten hinzu, in diesem Fall verschiedene Schrotte. Am Ende kommt ein Produkt heraus, das der Kunde benötigt. Europa ist in dem Bereich weltweit führend. Das machen wir seit Jahrzehnten, der Vorsprung ist riesig.
Nur mit Recycling kann man den europäischen Bedarf aber nicht decken?
Kurzfristig nicht, das Geschäft wächst zu stark. Solange das der Fall ist, ist man immer auf neues Primäraluminium angewiesen. Man darf auch nicht vergessen: Die Aludose ist schnell zurück im Kreislauf. Ein Auto fährt dagegen 15 oder 20 Jahre, ehe es verschrottet wird. Sobald der Markt gesättigt ist, wäre es zumindest technisch möglich, den Bedarf komplett mit Recycling zu decken, aber das dauert noch einige Jahrzehnte.
Die Lage ist aktuell aber: Europa führt beim Recycling, trotzdem wird immer mehr Aluminiumschrott exportiert. Warum das?
Die kurze Antwort ist: Wir nehmen das in Kauf, weil wir Freihandel unterstützen. Ausführlicher sieht es so aus: Manche Schrotte sind stark verunreinigt. Die kann man entweder sehr teuer oder sehr manuell separieren, sprich: Man bezahlt Leute dafür, dass sie das von Hand erledigen. Das passiert zum Beispiel in Indien.
Wo die Lohnkosten niedriger sind?
Ein gutes Stück, ja. In Indien wird das außerdem unter Bedingungen gemacht, unter denen wir Menschen in Europa nie arbeiten lassen würden. Das braucht man nicht schönzureden. Wir haben uns in dem Bereich hohe Standards auferlegt. Das ist grundsätzlich toll, aber nur, wenn andere Länder mitziehen. Machen sie das nicht, können sie mehr für diesen Schrott bezahlen und ihn später trotzdem günstiger aufbereiten und mit Gewinn weiterverkaufen. Das zweite Problem ist ganz frisch: Einer unserer wichtigsten Handelspartner hat Aluminium auf die Liste der Rohstoffe gesetzt, die der nationalen Sicherheit dienen.
Die USA?
Ja. Aluminium wurde mit einem 50-prozentigen Zoll belegt. Auf Schrott gilt aber nur ein Zoll von 15 Prozent, der ist explizit davon ausgenommen. Damit entsteht ein Preisunterschied auf dem Aluminiummarkt, der ein sogenanntes Arbitragegeschäft ermöglicht und diesen Schrott verstärkt in die USA zieht. Das muss die EU unbedingt stoppen. Sonst waren alle Investitionen der Branche im Recyclingbereich für den Green Deal der EUumsonst. Unsere Anlagen stehen leer und Europa macht sich abhängig, weil man neues Primäraluminium mit einem viel höheren CO2-Abdruck importieren muss, um den Bedarf zu decken. Das kann nicht sein. Darüber kann man nur mit dem Kopf schütteln.
Ihre Branche ist mit der Kritik am Zolldeal mit den USA nicht allein. Die EU-Kommission verteidigt sich, indem sie sagt: Das Abkommen schafft immerhin Stabilität. Das Argument zieht nicht?
Welche Stabilität denn? Auf Schrott gilt ein Zoll von 15 Prozent, auf Aluminium 50 Prozent. Fertige Produkte? 15 Prozent. Beinhalten diese Produkte allerdings Aluminium, werden auf diesen Anteil ebenfalls 50 Prozent hinaufgeschlagen. Das ist ein Wirrwarr … Deshalb jammern die Maschinenbauer doch so, die haben de facto keine Planungssicherheit. Dazu kommt das erwähnte Arbitragegeschäft. Das ist das Worst-Case-Szenario. Uns kommt quasi unser Rohstoff abhanden, weil die Amerikaner deutlich mehr bezahlen können.
Wie muss man sich dieses Arbitragegeschäft vorstellen?
Ein Schrotthändler kann entscheiden, wem er seinen Schrott verkauft. In Europa zahlen wir einen Preis x. Der US-Händler kann den Schrott dank Zöllen für x plus 50 Prozent verkaufen und somit ein Vielfaches dessen verdienen, was er normalerweise bekäme. Der Käufer kann sich das auch leisten, weil seine Kunden das Aluminium natürlich benötigen und den Aufschlag deshalb ebenfalls bezahlen. Ob das für die Inflation der USA so schlau ist, sei mal dahingestellt.
Es gab die Hoffnung, dass sich die USA mit den Zöllen hauptsächlich selbst schaden, aber in diesem Fall ist die Strategie der Trump-Regierung perfekt aufgegangen: Die USA sichern sich diesen kritischen und sicherheitsrelevanten Rohstoff, während die EU sich veräppeln lässt?
Ich habe diese Strategie nie infragegestellt, denn ich kenne einige Firmenbosse in den USA mit direktem Kontakt ins Weiße Haus. Die haben diesen Plan auf den Tisch gelegt und wurden gehört: Den Schrott sollte man niedrig besteuern, denn den benötigen wir. Bei den Produkten wäre ein hoher Zoll dagegen super, dann können wir lokale Kapazitäten wieder hochfahren.
Ausnahmsweise haben wir sehr wertvollen Schrott. Um diesen Schrott haben wir eine weltweit führende Branche aufgebaut, aber statt diese damit zu füttern, verkaufen wir ihn für viel Geld ins Ausland, um ihn später noch teurer zurückzukaufen?
Wenn man so will, ist "Schrott" in diesem Fall wirklich der falsche Begriff. Das ist ein wertvoller Rohstoff, aus dem wir hochwertige Produkte herstellen, ohne dass man am Ende weiß: War es Altmetall oder neues? Und beim Recycling wird nur fünf Prozent des Energieverbrauchs benötigt, der bei der Primärerzeugung anfällt. Wir werden in Europa immer vergleichsweise hohe Energiekosten haben. Den Schrott dann zu exportieren, ist blanker Wahnsinn. Fairerweise muss man sagen, dass China und Indien seit einigen Jahren ebenfalls große Mengen einkaufen. Die USA eskalieren die Situation zusätzlich. Damit muss Schluss sein. Die EU-Kommission lebt gerne in ihrer regelbasierten Welt. Leider hält sich sonst niemand mehr an diese Regeln. Deshalb benötigen wir dringend Exportrestriktionen, damit wir diesen wertvollen Rohstoff in Europa halten können.
Diese Nachteile bei den Energiekosten und Umweltstandards möchte die EU eigentlich mit dem CBAM ausgleichen. Das ist eine Art CO2-Steuer für energieintensive Importe, die vor gut zwei Jahren in Kraft getreten ist. Das bringt auch nichts?
Der CBAM ist sicherlich gut gemeint, aber auch hier ist das Problem: Brüssel glaubt, dass wir in einer regelbasierten Welt leben und alle diese Regeln akzeptieren. Die Realität ist, dass globale Unternehmen immer einen Weg finden, diese Regeln zu umgehen. China hat seinen Marktanteil bei der Aluminiumproduktion in den vergangenen 20 Jahren von 10 auf fast 70 Prozent gesteigert. 90 Prozent dieses Aluminiums wird mit Kohlestrom hergestellt. Das ist das Schmutzigste, was man machen kann. Inzwischen betreiben die Chinesen aber auch Aluminiumhütten mit Wasserkraft. In Zukunft könnte China das Kohle-Aluminium einfach bei sich behalten und das Hydro-Aluminium nach Europa exportieren, dann ist das CBAM-Problem gelöst, ohne dass sich am globalen CO2-Fußabdruck etwas geändert hätte.
Und beim Recycling?
Dort besteht dieses Problem durch den niedrigen Energieverbrauch gar nicht. Der chinesische CO2-Fußabdruck ist auf oder sogar unterhalb des europäischen Niveaus. Sorry, aber unsere Regeln sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen.
Das ist keine Regulierungslücke, die ganze Regulierung ist überflüssig?
Die Regulierung hat auf jeden Fall so viele Lücken, dass wir sie in dem zeitlichen Rahmen, der uns zur Verfügung steht, nicht alle schließen können. Was machen wir denn mit fertigen Produkten wie einem E-Auto von BYD? Wie erwähnt, Aluminium steckt überall drin. Das ist ein Regulierungswahn … eine kurzfristige Lösung ist schlichtweg nicht realistisch.
Von welchen Zeiträumen sprechen wir?
Die Schrottpreise gehen durch die Decke. Die Mengen, die in die USA exportiert werden, steigen stetig an. Sie haben sich allein in diesem Jahr verdoppelt. Es gibt in der Branche eine gewisse Hoffnung, Zurückhaltung oder auch Angst, dass sich etwas an dem Zollabkommen ändert. Aber wenn Europa jetzt keine Exportrestriktionen einführt, ist der Schrott weg und wird so schnell nicht wiederkommen.
Die EU muss den Export von Aluminiumschrott verbieten?
Den Export von dem, was noch übrig ist. So ist es. Wenn sich die Nachfrage nicht erholt und wir weitere Recyclingkapazitäten streichen, sprechen wir über Werkschließungen. Wir haben unser Werk in Soest 2015 übernommen und seitdem 75 Millionen in innovative Produkte für die Automobilindustrie und Maschinenbauer investiert. Die waren sehr erfolgreich im Export, wir waren auf Wachstumskurs. Das bröckelt alles weg. Vor drei Jahren waren wir bei knapp 500 Mitarbeitern, aktuell bewegen wir uns in Richtung 400. Das sind 20 Prozent weniger.
Nur wegen des Zollabkommens?
Nein, die Probleme summieren sich. Die treibenden Faktoren sind die sinkende Nachfrage sowie die steigenden Energie- und Materialkosten. Die Personalkosten und der Bürokratieaufwand steigen ebenfalls. Das ist ein Gesamtpaket der Wettbewerbsfähigkeit, an das die Politik dringend ran muss.
Die Nachfrage sinkt? Sie sollte doch wachsen?
Die Automobilindustrie und die Solarwirtschaft sind zwei wichtige Märkte, für unseren Standort ist die E-Mobilität sogar der wichtigste: Batterien machen die Autos schwerer, deshalb wird Leichtbau wichtiger. Ein E-Auto enthält deutlich mehr Aluminium als ein Verbrenner. Deswegen haben wir so viel Geld in Soest investiert und hatten weitere Ausbaupläne. Die liegen jetzt wieder in der Schublade, weil die Politik einen Zickzackkurs fährt, statt Planbarkeit herzustellen.
Inwiefern?
Der Green Deal der EU-Kommission war Politik mit dem Vorschlaghammer. Es wurde massiv in den Markt eingegriffen. Trotzdem haben sich viele Unternehmen darauf verlassen und investiert. Beim E-Auto sieht man aber, dass der Markt nicht ausgereift war. Wir haben die Skalierung übersprungen und jetzt das Dilemma.
Die deutschen Autobauer drängen darauf, das Verbrenner-Aus zurückzunehmen. Das würde weiteren Schaden verursachen?
Ja, das schadet uns und den meisten anderen Unternehmen wahrscheinlich auch. Ich bin im engen Austausch mit den Autobauern, das sind unsere Kunden: Die halten an E-Mobilität fest, aber man hat schwer unterschätzt, wie lange der Wandel dauert. Jetzt müssen wir für Europa gemeinsam eine wettbewerbsfähige Lieferkette und Produktion aufbauen, damit wir uns gegen die Chinesen behaupten können. Das muss unser Anspruch sein.
Jetzt muss man den Green Deal konsequent unterstützen, auch wenn es ein zu starker Eingriff in den Markt war?
Ja, alles andere wäre der Worst Case. Die Politik muss konsequent bleiben, dann weiß jeder in der Lieferkette, wo die Reise hingeht. Es dauert nur länger, aber alle arbeiten gemeinsam daran. Ich traue uns und Europa zu, dass wir die Kurve kriegen und die Lage in zwei, drei Jahren deutlich positiver aussieht.
Mit Rob van Gils sprachen Clara Pfeffer und Christian Herrmann. Das Gespräch wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet. Das komplette Gespräch können Sie sich im Podcast "Klima-Labor" anhören.
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Quelle: ntv.de