Auf frischer Tat ertappt Europas größte Fledermaus frisst Vögel in der Luft
10.10.2025, 13:42 Uhr Artikel anhören
Ein Riesenabendsegler bei der Jagd.
(Foto: Jorge Sereno)
Ein Forschungsteam dokumentiert erstmals, wie Europas größte Fledermaus Singvögel in der Luft jagt und frisst. Schon länger gibt es Hinweise auf dieses Verhalten. Nun zeichnen kleine Bewegungssender und Mikrofone den Todeskampf der Beute live auf.
Fledermäuse, die auf Vogeljagd gehen: Einem internationalen Forschungsteam ist es erstmals gelungen, dieses seltene Verhalten von Europas größter Fledermaus, dem Riesenabendsegler, in Spanien zu dokumentieren. Mithilfe von Sendern konnten die Forschenden beobachten, wie die fliegenden Säuger kleine Vögel jagen und fressen, ohne dabei zu landen.
Milliarden von Singvögeln wandern jedes Jahr von ihren Brutgebieten zu ihren Überwinterungsgebieten und zurück. Viele Arten fliegen in großer Höhe und während der Nacht, um tagaktiven Raubtieren auszuweichen. Allerdings sind es nachts Fledermäuse, die sich auf die Jagd nach den Vögeln begeben, wie die im Fachmagazin "Science" veröffentlichte Studie belegt.
Die Forschenden hatten dafür die Riesenabendsegler (Nyctalus lasiopterus) mit winzigen "Rucksäcken" mit sogenannten Biologgern ausgestattet, welche Position, Beschleunigung, Höhe und die akustischen Signale der Fledermäuse und ihrer Umgebung aufzeichneten. Auf diese Weise offenbarte sich auch die Jagdtechnik der Tiere.
Jagd mit rasanten Sturzflügen
Unter den mehr als 600 erfassten Jagdflügen, die das Team auswertete, stachen zwei hervor: Im Gegensatz zur üblichen Jagd auf Insekten, die durch eine kurze Verfolgung von meist weniger als zehn Sekunden und niedrige Flughöhen über dem Boden gekennzeichnet ist, stiegen die Fledermäuse in diesen Fällen hoch in den Himmel. Dort starteten sie den Angriff durch eine schnelle Folge kurzer Echoortungsrufe und verfolgten Singvögel in steilen, rasanten Sturzflügen in Richtung Boden.
Eine Fledermaus gab die Jagd nach 30 Sekunden schließlich auf - Vögel sind in der Luft mindestens genauso wendig wie Fledermäuse. Die zweite Fledermaus jedoch fing ihre Beute, ein Rotkehlchen, in Bodennähe nach fast dreiminütiger Verfolgung. Das Mikrofon des Biologgers zeichnete 19 Rufe des verfolgten Vogels auf, gefolgt von 23 Minuten deutlich vernehmbaren Kaugeräuschen der Fledermaus, die noch immer in geringer Höhe flog.
"Wilde Ausweichmanöver und Loopings"
"Wir wissen, dass Singvögel tagsüber wilde Ausweichmanöver wie Loopings und Spiralen ausführen, um Beutegreifern wie Falken zu entkommen - und nachts wenden sie dieselben Taktiken gegen Fledermäuse an", sagte Erstautorin Laura Stidsholt von der Universität Aarhus laut einer Mitteilung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin. "Ein solcher Vogel wiegt etwa halb so viel wie die Fledermaus selbst - das wäre so, als würde ich beim Joggen ein 35 Kilogramm schweres Tier fangen und essen", so Stidsholt.
In Kombination mit Röntgen- und DNA-Analysen der Flügel von Singvögeln, die unter den Jagdgebieten der Fledermäuse gefunden wurden, konnte ein klares Bild von der Jagd zusammengestellt werden: Die Riesenabendsegler töten die Vögel mit einem kräftigen Biss und beißen ihnen dann die Flügel ab. Indem die Fledermäuse dann die Membran zwischen ihren Hinterbeinen wie einen Beutel nach vorn stülpen, können sie den Vogel während des Fluges fressen, vermuten die Forschenden.
Tonaufnahmen vom Todeskampf
Seit einigen Jahrzehnten ist bekannt, dass mindestens drei große Fledermausarten sich von kleinen Vögeln ernähren, die sie in der Luft jagen und fangen. Ein Großteil dieses Wissens stammt aus der Arbeit des spanischen Fledermausforschers Carlos Ibáñez und seiner Kollegen. Vor fast 25 Jahren entdeckte Ibáñez Federn im Kot von Riesenabendseglern und sammelte seitdem immer mehr Beweise dafür, dass diese Fledermausart Singvögel fängt und frisst.
Für Elena Tena, ebenfalls eine der Hauptautorinnen der Studie, war es nach so vielen Jahren der Arbeit ein intensiver Moment, die Tonaufnahme der Stressrufe des Vogels zu hören, gefolgt von plötzlicher Stille und langen Kaugeräuschen: "Es weckt zwar Mitgefühl für die Beute, aber es ist Teil der Natur. Wir wussten, dass wir etwas Außergewöhnliches dokumentiert hatten. Für das Team bestätigte es, wonach wir so lange gesucht hatten. Ich musste es mir mehrmals anhören, um vollständig zu begreifen, was wir aufgenommen hatten."
Quelle: ntv.de, kst