Strikte Rangordnung Sozialer Status beeinflusst Erbgut von Tüpfelhyänen
01.04.2024, 09:25 Uhr Artikel anhören
Tüpfelhyänen sind die größte Hyänenart. Charakteristisch ist eine "Vermännlichung" des Genitaltraktes der Weibchen.
(Foto: Sarah Benhaiem)
Tüpfelhyänen leben in Rudeln mit bis zu 100 Tieren. In diesen gibt es eine klare Rangfolge, die von Weibchen angeführt wird. Der damit verbundene soziale Status wird von den Muttertieren an ihren Nachwuchs weitergegeben. Ob sich dieser auch im Genom der Tiere ablesen lässt, untersucht ein Forschungsteam.
Der soziale Status wildlebender weiblicher Tüpfelhyänen entscheidet nicht nur darüber, welches der Tiere sich zuerst auf ein gemeinsam gerissenes Beutetier stürzen darf - er spiegelt sich auch in ihrem Genom wider. Das ist das Ergebnis einer Studie unter deutscher Leitung, für die Kotproben von Tieren im Serengeti-Nationalpark eingesammelt wurden. Demzufolge hinterlassen die unterschiedlichen Lebensumstände von Hyänen an der Spitze und am Ende der Hackordnung Spuren in deren Erbgut.
Tüpfelhyänen (Crocuta crocuta) leben in komplexen sozialen Gruppen mit klar ausgeprägten Hierarchien, in denen die Weibchen den Ton angeben: In den Rudeln, die mehr als hundert Tiere umfassen können, stehen selbst die schwächsten von ihnen im Rang über den Männchen. Die genaue Position im Verband hängt dabei stark von ihren sozialen Netzwerken ab - und die erben sie von ihren Müttern, wie eine andere Studie bereits 2021 beschrieb.
Die Hierarchien bleiben dabei über Generationen hinweg bestehen. Ob sich der soziale Status der Tiere allerdings auch auf molekularer Ebene zeigt, war bislang unklar. Überraschend wäre ein solcher Befund nicht: Dominanzhierarchien führen in Säugetiergesellschaften zu Ungleichheiten bei Gesundheit, Zugang zu Nahrung, Fortpflanzung und Überleben. Entsprechend wäre zu erwarten, dass sich der Sozialstatus von Tüpfelhyänen auch körperlich und hier ebenso in der sogenannten Epigenetik zeigt.
Epigenetik beschreibt das Zusammenspiel von Genen und Umwelteinflüssen. Eine besondere Rolle spielen hierbei DNA-Methylierungen: Diese verändern nicht grundsätzlich das Erbgut, sondern markieren bestimmte DNA-Abschnitte, um unter anderem zu signalisieren, ob ein Gen aktiviert oder stumm geschaltet werden soll. Äußere Einflüsse wie Ernährung und Umweltfaktoren können die DNA-Methylierung verändern.
Proben von jungen und älteren Tieren
Eben jene Methylierungen standen nun im Fokus der aktuellen Studie, deren Ergebnisse im Fachblatt "Communications Biology" veröffentlicht wurden. Für diese untersuchte ein Team um Alexandra Weyrich vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) DNA aus Zellen der Darmschleimhaut von 42 Tüpfelhyänen im Serengeti-Nationalpark im nördlichen Tansania. Diese extrahierten sie aus frischen Kotproben. 18 Proben stammten von hochrangigen Weibchen (neun Erwachsene und neun Jungtiere) und 24 Proben von niedrigrangigen Weibchen (neun Erwachsene und 15 Jungtiere).
Die Forschungsgruppe identifizierte 149 Genomregionen, bei denen sich der Grad der Methylierung zwischen hoch- und niedrigrangigen Hyänen unterschied. "Wir konnten erstmals epigenetische Signaturen sozialer Ungleichheit sowohl bei jungen als auch bei erwachsenen Tüpfelhyänen nachweisen", wird Weyrich in einer Mitteilung des Leibniz-IZW zitiert.
Der Studie zufolge sind jene epigenetischen Signaturen über mehrere Lebensstadien hinweg stabil und mit wichtigen physiologischen Prozessen verbunden. So enthielten 44 dieser Regionen Gene, die in erster Linie unter anderem mit der Energieumwandlung und der Funktion des Immunsystems in Verbindung stehen. "Wir vermuten, dass dies auf Unterschiede im Verhalten bei der Nahrungssuche zurückzuführen ist. Rangniedrige Weibchen müssen dafür häufiger lange Strecken zurücklegen und haben daher einen erheblich höheren Energiebedarf für die Nahrungsbeschaffung als ranghohe Weibchen, die Ressourcen in ihrem Clanterritorium monopolisieren", erläutert Co-Autorin Sarah Benhaiem.
Bemerkenswert sei in diesem Zusammenhang, dass diese Gene bei rangniedrigen Weibchen im Erwachsenenalter mehr methyliert waren, nicht jedoch bei den Jungtieren. Erst erwachsene Weibchen, die in der Rangordnung unten stünden, müssten mit den hohen energetischen Kosten des häufigen Pendelns über große Entfernungen umgehen - ein Verhalten, das die Jungtiere noch nicht zeigen. "Obwohl die genauen physiologischen Folgen der beobachteten Hypermethylierung noch untersucht werden müssen, stimmen diese Ergebnisse mit unseren Beobachtungen überein und weisen auf die gesuchte fehlende Verbindung zwischen sozialen und physiologischen Faktoren hin", schließen Weyrich und Benhaiem.
Noch keine Verallgemeinerungen möglich
Insgesamt, so die Studie, ließen die identifizierten Genomregionen vermuten, dass der soziale Status einzelner Hyänen buchstäblich "unter die Haut" - oder "unter das Fell" - gehe. Ob die festgestellten Methylierungsereignisse den sozialen Status der Tiere allerdings genau widerspiegelten oder sich verallgemeinern ließen, sei bislang nicht bekannt.
Auf Nachfrage erklärt Weyrich darüber hinaus, dass sich ein Vergleich mit anderen Arten lohnen würde: "Wären ähnliche Gene und/oder Stoffwechselwege rangspezifisch methyliert zwischen Arten, würden diese ein generelles Muster aufdecken, was enorm spannend wäre." Dabei sei allerdings zu beachten, dass Tiere verschiedener Arten in verschiedenen sozialen Strukturen lebten, die nicht alle so klar strukturiert seien wie bei Tüpfelhyänen, in der jedes Tier einen Rang innehält. "Die größten Gemeinsamkeiten würden wir bei Arten vermuten deren Individuen in einer ähnlichen sozialen Struktur leben, wie zum Beispiel bei Pavianen oder Rhesusaffen", so Weyrich.
Auch bei diesen stünden die Weibchen in einer linearen Dominanzhierarchie und ihre weiblichen Nachkommen würden den sozialen Rang knapp unter dem der Mutter erben, ergänzt Sarah Benhaimen. Jener soziale Rang hänge in derartigen Gesellschaften mit dem Zugang zu Ressourcen, Gesundheit und Überleben zusammen, wobei Tiere mit hohem Rang deutliche Vorteile und ein intensiveres soziales Leben hätten. Benhaimen betont: "All diese Aspekte beeinflussen wahrscheinlich bis zu einem gewissen Grad, wie sich der soziale Status letztendlich auf die DNA-Methylierung auswirkt."
Quelle: ntv.de, Alice Lanzke, dpa