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Kampf gegen Klimawandel Studie warnt vor Millionen zusätzlichen Hitzetoten in Europa

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Barcelona könnte laut der Studie im ungünstigsten Szenario am stärksten betroffen sein.

Barcelona könnte laut der Studie im ungünstigsten Szenario am stärksten betroffen sein.

(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)

Worst-Case-Szenario des Klimawandels für Europas Städte: In diesem könnte es bis 2099 mehr als zwei Millionen zusätzliche Hitzetote geben, wie eine neue Studie vorrechnet. Ihre Autoren mahnen daher zu raschen Gegenmaßnahmen. Allerdings gibt es an ihrer Darstellung auch Kritik.

Als unumstritten in der Forschung gilt, dass es durch die zunehmende Erderwärmung auch in Europa mehr Todesfälle durch Hitze geben wird. Allerdings wird gerade für die nördlichen, kühleren Regionen, auch ein positiver Effekt erwartet: weniger kältebedingte Todesfälle. Doch wie sieht das am Ende in der Gesamtbilanz aus?

Diese Frage hat auch ein Forscherteam des Environment & Health Modelling (EHM) Lab an der London School of Hygiene & Tropical Medicine (LSHTM) gestellt. Mithilfe eines Modells haben sie die Folgen berechnet - und kommen zu einer dramatischen Einschätzung: Demnach könnte es im schlimmsten Fall in den kommenden 75 Jahren zu einem deutlichen Anstieg der hitzebedingten Todesfälle in Europas Städten kommen, der den Rückgang der kältebedingten Todesfälle bei Weitem übersteigt. Ihre Studie erschien nun in der Fachzeitschrift "Nature Medicine".

Für die Studie wurden verschiedene Szenarien modelliert: Im ungünstigsten Szenario, also beim stärksten Temperaturanstieg von vier Grad Celsius und ohne Anpassungsmaßnahmen, prognostiziert das Modell über 2,3 Millionen zusätzliche temperaturbedingte Todesfälle bis 2099. Auch in Deutschland würde die steigende Zahl der hitzebedingten Todesfälle in diesem Szenario den Rückgang der kältebedingten deutlich übersteigen.

Kein "vorteilhafter" Klimawandel?

"Diese Studie liefert überzeugende Beweise dafür, dass der steile Anstieg der hitzebedingten Todesfälle jeden Rückgang im Zusammenhang mit Kälte bei Weitem übertreffen wird", sagte Mitautor Antonio Gasparrini laut einer Mitteilung. Ihre Ergebnisse widerlegten zudem Theorien über mögliche "vorteilhafte" Auswirkungen des Klimawandels.

Gasparrini und das Team berechneten die Zahl der zusätzlichen Todesopfer für insgesamt 854 europäische Städte: Barcelona könnte im ungünstigsten Szenario mit fast 250.000 temperaturbedingten Todesfällen am stärksten betroffen sein. Auch für Rom, Neapel, Madrid und Mailand kommt die Studie auf sechsstellige Zahlen.

Außerhalb des Mittelmeerraums wird etwa für Paris mit 13.515 zusätzlichen Toten ein geringerer, aber immer noch auffälliger Anstieg prognostiziert. Andererseits könnten die meisten Städte auf den Britischen Inseln und in den skandinavischen Ländern einen Netto-Rückgang verzeichnen - darunter London mit 27.455 weniger temperaturbedingten Todesfällen als zuletzt.

Rasches Handeln gefordert

Die Forschenden betonen allerdings, dass bis zu 70 Prozent der modellierten Todesfälle verhindert werden könnten, wenn rasch gehandelt werde. So könne etwa eine rasche Reduzierung der Kohlenstoffemissionen, die die Temperaturen niedrig hält, die Zahl der Todesfälle durch extreme Hitze nachweislich senken, so die Forschenden.

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Von anderen, nicht an der Studie beteiligten Forschern gibt es aber auch Kritik an den Ergebnissen. So bemängelt Wolfgang Straff, Leiter des Fachgebiets Umweltmedizin beim Umweltbundesamt (UBA), den Ansatz der Untersuchung, Kälte- und Hitzesterblichkeit gegeneinander aufzurechnen. Zudem weist er darauf hin, dass mit der Einbeziehung vieler unsicherer Faktoren in eine Modellierung die Unsicherheiten für das Gesamtergebnis zunähmen, die "letztlich so bedeutsam werden können, dass das Modell kaum noch Aussagekraft hat".

Positiv bewertet hingegen Martin Röösli vom Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut Basel, dass die Studie "etablierte Methoden zur Abschätzung der hitze- und kältebedingten Sterblichkeit inklusive Unsicherheitsbetrachtungen" verwende. Zudem sei ihre "große geografische Abdeckung" eine Stärke. Barbara Schumann von der Linnaeus University im schwedischen Kalmar weist jedoch darauf hin, dass in der Studie die ländliche Bevölkerung Europas nicht miterfasst worden sei.

Quelle: ntv.de, kst

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