Studien geben Hinweise Was bringen nächtliche Ausgangssperren?
30.03.2021, 18:31 Uhr
Das Prinzip der nächtlichen Ausgangssperre: Ohne triftigen Grund darf niemand das Haus verlassen.
(Foto: imago images/lausitznews.de)
Ein Flickenteppich regionaler Maßnahmen bringt die Pandemie in Deutschland bisher nicht unter Kontrolle. Der Ruf nach einer bundesweiten nächtlichen Ausgangssperre wird lauter. Aber wie viel würde diese tatsächlich bringen? Verschiedene Studien haben diese Frage untersucht.
Lockdowns und Ausgangssperren gehören seit dem Beginn der Corona-Pandemie zu den von Entscheidungsträgern am häufigsten genutzten Maßnahmen, um das Virus einzudämmen. Bis heute: Denn noch gibt es in den meisten Ländern zu wenig Impfstoff, um die Pandemie damit einzudämmen. Angesichts weiter steigender Infektionszahlen wird daher in Deutschland über weitere Maßnahmen diskutiert - auch über eine bundesweite nächtliche Ausgangssperre. Bürger dürfen sich dann generell nicht mehr außerhalb einer Wohnung aufhalten. Aber was bringt eine Maßnahme wie diese eigentlich?
Eine aktuelle Studie von Forschern der Universität Oxford und anderen europäischen Wissenschaftlern hat untersucht, wie stark nächtliche Ausgangssperren und andere, sogenannte nicht-pharmazeutische Interventionen die Ausbreitung des Erregers eindämmen können. Dazu berechneten die Wissenschaftler die Wirkung verschiedener Corona-Maßnahmen im Zeitraum August 2020 bis zum 9. Januar 2021 in sieben europäischen Ländern.
Dabei stand eine Kennzahl im Fokus: die Reproduktionszahl, auch R-Wert genannt. Der R-Wert gibt an, wie viele andere Menschen ein Infizierter im Schnitt ansteckt. Liegt der R-Wert über 1, steigt die Zahl der Infizierten, liegt er darunter, nimmt sie ab. Ziel aller Corona-Maßnahmen wie Lockdowns, Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren ist es daher, den R-Wert unter 1 zu drücken. Die Forscher hatten in ihrer Studie berechnet, wie stark einzelne Maßnahmen den R-Wert reduzieren können.
Effekt von Ausgangssperren moderat
Das Ergebnis: Den größten Effekt hat demnach die Schließung aller nicht-essenziellen Geschäfte - darunter fallen demnach Restaurants, Bars und Cafés, Clubs, Freizeit- und Kulturangebote sowie der Einzelhandel und körpernahe Dienstleistungen wie Friseure und Schönheitssalons. Zusammengenommen würde deren Schließung den R-Wert um etwa 35 Prozent reduzieren. Auch Kontaktbeschränkungen gehören laut der Studie zu den wirksamsten Corona-Maßnahmen. Allerdings nur, wenn es sich um strenge Verbote handelt - etwa die Begrenzung aller Treffen auf maximal zwei Personen. Dadurch würde der R-Wert um geschätzt rund 26 Prozent verringert.
Einen eher moderaten Einfluss weist die Studie jedoch nächtliche Ausgangssperren zu. Ihr Beitrag zur Reduktion des R-Werts wird auf rund 13 Prozent geschätzt. Damit ist ihr Einfluss ähnlich hoch wie der einer strengen Maskenpflicht, etwa in allen öffentlichen Bereichen. Bei beiden Maßnahmen sei jedoch auch ein Wechselspiel mit anderen Einschränkungen wahrscheinlich, geben die Forscher zu bedenken. Die Studie ist bisher nur als Preprint erschienen und wurde noch nicht durch unabhängige Experten geprüft.
Eine ebenfalls bisher nur als Preprint veröffentlichte Studie kam zu dem Schluss, dass Ausgangssperren in Frankreich im Januar durchaus einen Effekt gehabt hätten. Allerdings vor allem auf den Wildtyp von Sars-CoV-2 - die neue Variante B.1.1.7 habe sich unterdessen weiter ausgebreitet. Eine weitere Studie aus Frankreich fand heraus, dass es auch auf den Zeitpunkt ankommt, ob eine Ausgangssperre einen positiven Effekt auf die Infektionszahlen hat. Demnach ist ein späterer Beginn um 20 Uhr sinnvoller als ein früherer ab 18 Uhr. Die Forscher vermuten, dass dies mit größeren Menschenansammlungen etwa beim Einkaufen in Supermärkten vor Beginn der Ausgangssperre zusammenhänge.
Ausgangssperre erhält Aufwind
Auch wenn der genaue Effekt von nächtlichen Ausgangssperren noch nicht klar beziffert werden kann: Der Ruf nach Ausgangsbeschränkungen, zu denen in ihrer strengsten Form auch nächtliche Ausgangssperren zählen, wurde zuletzt wieder lauter. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach etwa hatte bereits bundesweite Ausgangssperren gefordert. Mit Blick auf die auch von ihm auf Twitter geteilte internationale Studie, welche der Ausgangssperre einen Effekt von "circa 15 Prozent" auf den R-Wert attestierte, schrieb er: "Das würde im Moment für uns als zusätzliche Maßnahme genau reichen, Wachstum zu brechen."
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Sonntag in der ARD Ausgangsbeschränkungen als ein "ganz wichtiges Mittel" bei hohen Infektionszahlen bezeichnet, besonders in den Abendstunden. Bereits jetzt sind Ausgangsbeschränkungen als Maßnahme im jüngsten Beschluss von Bund und Ländern enthalten. Demnach sollen sie in Städten und Kreisen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 100 greifen. Allerdings kritisierte Merkel, dass dieses Instrument noch nicht konsequent umgesetzt werde. Bisher hatten vor allem Kreise in Sachsen, Bayern und Baden-Württemberg Ausgangssperren verhängt. Städte und Kreise in anderen Bundesländer planen dies jedoch bereits ebenfalls.
Quelle: ntv.de