"Wir sind die nächsten Alten" Mit Glanz und "Glow" gegen Altersarmut


Traurig: Viele Rentner müssen sich ihre Rente mit Flaschenpfand aufbessern.
(Foto: imago/Udo Gottschalk)
Gegen Altersarmut und soziale Isolation: Bei einer Gala in Berlin machen sich viele unbekannte und einige bekannte Menschen für ein Thema stark, das die meisten von uns betreffen wird: alt werden. Wenn es gut läuft, ist man gesund, vermögend, beliebt - wenn es schlecht läuft, nicht. Davon betroffen sind meist Frauen.
Mehr als jede fünfte Frau über 65 in Deutschland ist armutsgefährdet. Nicht aus eigenem Versagen, sondern infolge struktureller Ungleichheiten - etwa durch unbezahlte Care-Arbeit für Kinder und Angehörige, durch den Gender-Pay-Gap sowie durch prekäre Arbeitsbedingungen wie Teilzeit- oder Minijobs.
Die Folgen sind allgegenwärtig, werden jedoch häufig tabuisiert. Reicht die Rente nicht aus, werden selbstverständliche Ausgaben zur Herausforderung: die Miete zur Belastung, Lebensmittel zum Luxus, kleine Extras wie ein Friseurbesuch oder ein Geschenk für die Enkelkinder zur Ausnahme.
Viele Betroffene ziehen sich zurück, meiden Begegnungen und verzichten auf kulturelle Angebote. Aus finanzieller Not entsteht so häufig auch soziale Isolation, die ältere Menschen zunehmend aus dem öffentlichen Leben verdrängt - 15 Prozent der über 80-Jährigen leiden unter Einsamkeit.
Arm und alt macht einsam
So geht das nicht, hat sich die "Glow"-Foundation auf die Fahnen geschrieben und setzt sich gegen Altersarmut und soziale Isolation im Alter ein. Besonders betroffen sind Frauen, Alleinlebende und andere marginalisierte Gruppen.
"Ich hätte nie gedacht, dass ich mich einmal um Altersarmut und soziale Isolation kümmern würde. Doch als mir klar wurde, wie schnell insbesondere Frauen, darunter auch meine Mutter, durch das System fallen können, konnte ich nicht mehr wegschauen", sagt Lavinia Steinfels, stellvertretende Stiftungsvorsitzende. Ihre Mutter hat über 30 Jahre als Friseurin gearbeitet - und dennoch gezeigt bekommen, dass die zu erwartende Rente kaum zum Leben reicht. Diese persönliche Erfahrung hat Steinfels zur Gründung der "Glow"- Foundation veranlasst.
Würde im Alter ist ein Grundrecht
Auch Rafael Frenk dachte sich, dass Kollagen und ein gutes Aussehen allein nicht genügen, um Frauen bis ins hohe Alter zu begleiten. Entstanden ist die Stiftung 2024 daher aus der Überzeugung, dass unternehmerischer Erfolg gesellschaftliche Verantwortung mittragen sollte. Die Initiative "Glow25" will über gute Produkte hinaus auch gute Strukturen schaffen - für mehr Sicherheit, Sichtbarkeit, Teilhabe und Würde im Alter.
Katja Burkard, RTL-Moderatorin und Autorin von "60 ist das neue 60" ist Markenbotschafterin des Nahrungsergänzungsmittels: "Meine Mutter ist 91, ich war sofort dabei, als ich gefragt wurde, ob ich mich einsetzen möchte. Denn Altersarmut und Altersisolation sind Themen, die in unserer Gesellschaft sehr vernachlässigt und verdrängt werden." Aber ab wann ist man eigentlich alt? Und ab wann wird man altersdiskriminiert? "Also ich bin über 60, ich weiß, wovon ich rede", sagt Burkard und lacht. "Ich fühle mich aber nicht altersdiskriminiert. Noch nicht." Und fährt fort: "Wir tun für alte Leute zu wenig."

"Da ist so eine Sehnsucht, mit dem, was wir tun auch auf andere abzustrahlen. Ich hoffe, diese Sehnsucht in anderen Menschen wecken zu können", sagt Katja Burkard (hier mit Lavinia Steinfels).
(Foto: IMAGO/Eventpress)
Dass ein Unternehmen, das Produkte für Frauen herstellt, die es sich leisten können, aktiv für ihre Gesundheit und ihr Aussehen zu sorgen, auch die anderen nicht aus dem Blick verliert, beeindruckt die RTL-Moderatorin sehr. Seit 2022 spendet die Stiftung monatlich 10.000 Euro an wohltätige Organisationen, dazu zählen die Initiativen "mehr zusammen", "Oll Inklusiv", "Gitti & Gerda" sowie die Organisation "LichtBlick Seniorenhilfe", die sich seit vielen Jahren für bedürftige ältere Menschen einsetzen.
Gesagt, getan
"Armut und Einsamkeit können nicht warten. Wir wollen gleich im Gründungsjahr zeigen, dass wir anpacken und Verantwortung übernehmen", so Rafael Frenk. Im Hotel Luc am Berliner Gendarmenmarkt fand nun die erste Benefizgala statt: Unter anderem Vicky Leandros und Kim Fisher mit dem Generationenchor der Deutschen Oper Berlin waren dabei, Katja Burkard führte durch den emotionalen Abend - sicher nicht zum letzten Mal.

"Wofür bin ich verantwortlich als Mensch und wie möchte ich Gemeinschaft tragen", fragt Milka Loff Fernandes.
(Foto: IMAGO/Marja)
Auch die ehemalige Viva-Moderatorin Milka Loff Fernandes möchte dazu beitragen, das Tabuthema Altersarmut ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. "Ich habe alte Eltern", erzählt sie ntv.de. "Das heißt, ich habe schon sehr früh begonnen, darüber nachzudenken, was ich tun kann. Ich war schon in meinen 20ern in so einer Kümmererfunktion. Als dann meine eigenen Kinder geboren wurden, hatte ich diese doppelte Verantwortung."
Ein Moment der Klarheit
Als ihr Vater starb, war ihm wichtig, dass für alle gesorgt war – hätte ihre Mutter aber nicht so lange als Beamtin in Portugal gearbeitet, wäre dem nicht so. "Meine Mutter lebt inzwischen mit einer Freundin in einer WG in Portugal", so Loff Fernandes, "das ist natürlich auf der einen Seite schön, aber nicht so einfach, sie zu besuchen. Und für sie sind die Flüge zu teuer." Die Tochter war der Vormund des Vaters, "deswegen wusste ich auch, was er bekommen hat und auch, was meine Mutter bekommt." Eines Tages dachte sie: "Hey, das wird mir eines Tages genauso gehen." Die Mutter von zwei kleinen Mädchen arbeitet zwar nebenbei, aber "wenn ich nicht aufpasse, wenn ich nicht irgendwie vorsorge, dann wird meine Rente noch schlechter als die meiner Eltern sein."
"Das war so ein Moment der Klarheit, würde ich sagen. Früher war "später" irgendwie romantisch, denn eigentlich denkt man darüber nicht viel nach", so Milka Loff Fernandes. "Doch wer seine Miete bezahlen muss, die Krankenkasse, Medikamente, der wird merken, dass es allein mit der Rente nicht klappen kann", stellt sie nüchtern fest.
Loff Fernandes hat sich, genau wie Burkard, inzwischen mehr mit dem Thema auseinandergesetzt. "Es bedeutet, dass du deinen Enkeln zu Ostern keinen Osterhasen kaufen kannst, dass du keine Tasse Kaffee an der Münchner Freiheit trinken kannst, auch wenn die nur 1,50 Euro kostet. Weil du einfach nicht weißt, ob dein Geld bis zum Monatsende reichen wird und du dann zur Tafel gehen musst, um dir dort dein Gemüse zu holen." Was bedeutet das für die Würde und den Selbstwert eines Menschen, fragt sich nicht nur die 45-Jährige.
Neuer Blick auf alte Menschen
Würde es denn etwas bringen, sich gegen das Alter zu stemmen? "Auf gar keinen Fall", sagt Katja Burkard, "und ja, ich nehme Nahrungsergänzungsmittel, aber ich weiß, dass ich damit nicht das Älterwerden aufhalte. Wir brauchen generell einen neuen Blick aufs Älterwerden." Burkard genießt ihre Sechzig und hat überhaupt keine Angst davor, älter zu werden. "Endlich herrscht Klarheit in meinem Kopf", lacht sie. "In diesem Alter wird doch alles besser, außer das Bindegewebe."
Loff Fernandes sagt: "Ich finde diesen Anti-Aging und Longevity-Hype meist übertrieben. Ja, ich möchte auch gerne lange leben. Vor allen Dingen möchte ich aber glücklich altern und nicht allein. Ich muss mit 55 nicht aussehen wie 25 und ich muss mit 85 auch nicht aussehen wie 40. Für mich ist der Maßstab eines erfolgreichen Lebens: Wie viele Leute konnte ich inspirieren? Und wie viele Leute habe ich noch um mich?"
Bedeutet arm zu sein, sozial isoliert zu sein? Ja, sagen beide Frauen, das ist leider so. Und hinzu kommt die Scham. Loff Fernandes: "Man will als alter Mensch ernst genommen werden. Auch mit einer Sprache, die "Alte" entweder als "die süße Omi" oder "den blöden alten Sack" abstempelt, kommen wir nicht weiter. " Burkard: "Ja, alt ist oft ein Schimpfwort." "Die Alte fährt total mies Auto, was will der Opa denn hier?", führt sie als Beispiel an. Dabei sei es doch viel wichtiger, dass man sich auf Augenhöhe begegne, "dass wir mit Empathie leben und einem tiefen Verständnis dafür, was es bedeutet, würdevoll behandelt zu werden."
"Meine große Hoffnung ist - und auch meine große Neugier, da wir ja nunmal die nächsten Alten sind - wie wir da wohl sein werden", fragt sich Burkard. "Neulich hat mir ein sehr intelligenter Mensch gesagt, dass das Alter ein Booster für unsere Eigenschaften ist. Also, wenn wir jetzt ungeduldig sind, dann sind wir es im Alter umso mehr. Wenn wir zu nachgiebig sind, dann auch das im Alter noch viel mehr. Und so weiter. Seitdem beobachte ich mich und meine Eigenschaften sehr genau (lacht). Wir wollen schließlich auch mit 80 oder 95 noch Spaß haben, neugierig und gesund sein, und dass man gerne mit uns zusammen ist."
All die Organisationen, die helfen, die unterstützen, sind großartig, aber ist es nicht ein Unding, dass so etwas überhaupt nötig ist? Wäre es nicht sinnvoller, die Energie und das Geld in die Förderung von Frauen zu stecken, den Gender-Pay-Gap endlich in Rente zu schicken, Care-Arbeit besser aufzuteilen unter Männern und Frauen, sodass es gar nicht dazu kommen muss, dass alte Leute Flaschen sammeln oder zur Tafel gehen müssen? "Wir verdrängen, dass auch wir sehr bald zu den Alten gehören werden", bemerkt Katja Burkard. Und Loff Fernandes ergänzt: "Es wird Zeit, dass wir die alten Menschen als kulturelles Erbe, als unterstützenswertes Gut sehen, dass wir uns austauschen, und voneinander lernen."
Es heißt ja, man braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen. Also bräuchte man auch ein ganzes Dorf, um alte Leute zu begleiten. Das wäre dann der Kreis, der sich schließen könnte.
Quelle: ntv.de