Katy, Frankie, Eurovision Nach der Krönung ist alles nur noch Pop
08.05.2023, 03:51 Uhr Artikel anhören
Kaum ist ihr König unter die Krone gebracht, zünden die Briten auch schon die nächsten Party-Raketen. Während in London noch zu Ehren von Charles III. gefeiert wird, dreht sich in Liverpool bereits alles um den ESC. Und um ein Comeback, das eigentlich nicht der Rede wert ist.
Auf Twitter sorgte Katy Perry am Wochenende für einige Lacher, weil sie bei der Krönungsfeier von König Charles in der Westminster Abbey offenbar erst einmal ihren Platz nicht finden konnte - trotz strenger Sitzordnung. Am Sonntagabend auf Schloss Windsor wusste sie dann wohl aber doch, wo sie hingehört. Kein Wunder, schließlich war sie hier in ihrem Metier. Zu Ehren des frisch gekrönten Königs trat sie mit einigen ihrer größten Hits auf. Und nicht nur sie: Auch Lionel Richie, Olly Murs und Take That zählten etwa zu denen, die dem Monarchen ihre musikalische Aufwartung machten.
König und Königin scheint es gefallen zu haben. Jedenfalls gerieten Charles und Camilla mit ihren Union-Jack-Fähnchen in der Hand zu den Klängen von Richies "All Night Long" für ihre Verhältnisse geradezu in Wallung. Nach der stocksteifen Krönungsfeier sind die beiden nun offenbar in bester Party-Laune. So wie ihre Untertanen. Schließlich macht man sich im von London knapp 300 Kilometer Luftlinie entfernten Liverpool bereits für die nächste Sause im Vereinigten Königreich warm: den Eurovision Song Contest (ESC).
Mit dem Schaulaufen der diesjährigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer fiel am Sonntagnachmittag der offizielle Startschuss für den Wettbewerb, den die Briten 2023 in Vertretung für den ESC-Vorjahressieger Ukraine ausrichten. Auf einem türkisfarbenen Teppich genossen die Interpretinnen und Interpreten aus den lediglich 37 teilnehmenden Ländern in diesem Jahr ausgiebig ihren kurzen Augenblick des Ruhms. Und das bei bestem Wetter. Kein Regentropfen, Sonnenschein, frühlingshafte Temperaturen - der König dürfte am Tag nach seiner durchnässten Krönung neidisch nach Liverpool gelugt haben.
Let 3 schießen den Vogel ab
Vielleicht hat er dabei ja auch die deutschen ESC-Hoffnungsträger von Lord of the Lost wiedererkannt. Schließlich hatte die Hamburger Band den König vor Kurzem getroffen, als er noch ungekrönt auf Stippvisite in Deutschland war. Nicht nur darüber durfte Frontmann Chris Harms im kurzen Plausch mit dem britisch-ukrainischen Moderations-Duo auf dem türkisfarbenen Teppich sprechen, sondern zum Beispiel auch über den Fakt, wie er und seine Kollegen sich nach einem schweißtreibenden Auftritt aus ihren Latex-Klamotten schälen. Apropos Klamotten: Die Veranstaltung mischten die Gothic-Metaler standesgemäß in Schwarz auf.
Und was waren die sonstigen Highlights auf dem Teppich mit der komischen Farbe? Zum Beispiel die XXL-Schleppe und das Geständnis ihrer "Kerzen-Sucht" von Polens Sängerin Blanka, die im Handstand umherlaufende Isländerin Diljá oder Österreichs erstes - echt jetzt?! - Frauen-Duo Teya & Salena. Definitiv angetreten, um den Vogel in diesem Jahr abzuschießen, sind zudem Let 3 aus Kroatien. Eine erste Geschmacksprobe, was von ihrem Auftritt irgendwo zwischen Adolf-Hitler-Karikatur in Haute Couture, Schwulen-Comic und Burlesque-Show im Tutu im ersten ESC-Halbfinale zu erwarten ist, haben sie schon einmal abgegeben.
Einen Moment der Fremdscham bescherte auch der ESC-Einstand des ukrainischen Duos TVORCHI - vor allem der britischen Moderatorin sei Dank. "Fantastic Outfits" bekam sie sich über die Klamotten der beiden kaum noch ein, während deren Erklärung, was es mit den auf ihrer Aufmachung aufgedruckten Namen auf sich hatte, unterzugehen drohte: Es waren Namen von ukrainischen Kindern, die während des russischen Angriffskrieges geboren wurden und nun auf Hilfe angewiesen sind. Doch das war dann offenbar schon beinahe zu viel politisches Statement für den ESC, der ja am liebsten stets komplett unpolitisch wäre und sich damit - erst recht in der aktuellen Gemengelage rund um die Ukraine - regelmäßig hoffnungslos verheddert.
"United in Music"
Etwas irritiert verfolgte der kontinentaleuropäische Beobachter dann auch die "Welcome Party" für den ESC, die am Sonntagabend vor dem Hintergrund der monumentalen St. George's Hall in Liverpool geschmissen wurde. Zwar bemühten sich die Macherinnen und Macher durchaus, die Ukraine ins Programm einzubinden - Auftritte von Jamala, der ukrainischen ESC-Siegerin von 2016, Flüchtlingshelfern und der ukrainischen Botschafterin in Großbritannien inklusive. Auch Moderatorin AJ Odudu verwies immer wieder darauf, dass man den ESC ja nur stellvertretend für die Ukraine veranstalte. Aber wenn man sich dann wiederholt selbst für seine Hilfsbereitschaft auf die Schulter klopfte und betonte, wie großartig es getreu dem diesjährigen ESC-Motto "United in Music" ja sei, zusammenzustehen, mutete das dann doch befremdlich an. Waren der Widerstand gegen die Immigration und die Loslösung vom vereinten Europa nicht die Haupttriebfedern des Brexits?
In erster Linie war die "Welcome Party" aber natürlich ein Show-Event, bei dem sich mehr oder weniger bekannte Künstlerinnen und Künstler die Klinke in die Hand gaben. Liverpooler Lokalgrößen wie die Gruppe Lightning Seeds und die zum Duo geschrumpften Atomic Kitten durften etwa ebenso in die Bütt steigen wie die österreichische ESC-Gewinnerin Conchita Wurst und Schwedens Popstar Zara Larsson.
Vor allem aber wurde das Comeback von Frankie Goes to Hollywood mit Spannung erwartet. Erstmals seit 36 Jahren sollten sie wieder in Originalbesetzung gemeinsam auftreten. Doch die Rückkehr der 80er-Jahre-Helden geriet zur Enttäuschung. Und das nicht etwa, weil es sich bei ihnen inzwischen um ein paar graumelierte Herren im Rentenalter handelt, Tänzer Paul Rutherford auf der Bühne eigentlich noch immer nichts zu tun hat oder Sänger Holly Johnson das Singen komplett verlernt hätte.
Nein, das Quintett performte tatsächlich gerade mal einen Song. Und das war noch nicht einmal einer seiner größten Hits, sondern der Titelsong seines Debütalbums "Welcome to the Pleasuredome". Einst für ihre Großmäuligkeit berühmt und berüchtigt, schlichen Johnson und Co. dann auch schon wieder geradezu schüchtern von dannen. Eigentlich war dieses Mini-Intermezzo kaum der Rede wert. Trotzdem haben Frankie Goes to Hollywood gegenüber den meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmern am ESC, dem zu Ehren sie sich nun tatsächlich noch einmal zusammengetan haben, natürlich einen Vorteil: An sie erinnert man sich - auch noch nach 36 Jahren.
Quelle: ntv.de