Zwei grandiose Ferien-Bücher "Das Fest" und "Furye" ziehen in ihren Bann


Man muss ja nicht die ganze Zeit lesen ...
(Foto: imago/Prod.DB)
Da in den Ferien ja etwas mehr Zeit ist zum Lesen, an dieser Stelle zwei Buchtipps: "Das Fest" von Lucy Fricke erzählt die Geschichte eines fortgeschrittenen Überraschungsgeburtstags. Die andere Story, "Furye" von Kat Eryn Rubik, von einem Sommer, der alles verändert - auch noch Jahrzehnte später.
Jakob und Ellen - beste Freunde. Immer mal verliebt ineinander gewesen, aber zu einer Beziehung ist es nie gekommen, mal war der eine, mal die andere vergeben, ein ewiges, latentes Schmachten also und im Hinterkopf immer die Frage: warum eigentlich nicht?
Naja, egal, Jakob auf jeden Fall hat Geburtstag, einen runder, und er ist nicht mehr ganz so jung, genau wie Ellen. Er lebt allein, er hat keinen Bock, auf gar nichts eigentlich, wie sie bedauernd feststellen muss, und seine Wohnung ist nicht als solche zu bezeichnen, sondern eher als Bude. Provisorisch wirkt er, zu viel rauchen tut er, auf Leute hat er keine Lust.
Ellen sieht das alles anders. Sie will ihren alten Freund aus seinem Schneckenhaus locken. Ellen ist eine gnadenlose und gleichzeitig sehr genaue Beobachterin ihrer Umwelt. Sie registriert, wie alle älter geworden sind, zuckt geradezu zusammen, wenn sie eine Person länger nicht gesehen hat, und beschreibt ihre Umwelt dennoch mit einem liebevollen Blick. Dass sie selbst nicht mehr die Jüngste ist, weiß sie, macht es jedoch mit ihrem jugendlichen Aktionismus und ihrem klugen Wesen wett. Wer das nicht kann, dem gnade Gott, denn der wird relativ in der Luft zerrissen. Egal, um Ellen geht es nur im Hintergrund, sie ist die Strippenzieherin, die ihren alten Freund sanft, aber dennoch bestimmt, wieder auf den Weg bringen will. Auf den Weg zu ihr?
Das Fest
Dass Ellen so viel Sympathie, ja Liebe, für den einst gefeierten und inzwischen als Kassengift geltenden Filmregisseur Jakob übrig hat, ist rührend. Er badet sich in Selbstmitleid, denn er wird alt, ja, wie alle anderen auch, und glaubt, alles verloren zu haben: Seine Karriere ist vorbei, seine letzte Beziehung über zehn Jahre her, die Haare sind grau, der Körper schwach und der Kopf ohne Ideen. Es gebe nichts zu feiern, leitet er dann auch alles seinen Geburtstag Betreffende an just demselben Morgen ein. Doch Ellen schickt ihn auf eine Reise durch sein Leben, die er bis zuletzt für eine Kette von Zufällen hält. Es sind Begegnungen mit Menschen, die er liebte, aber verloren glaubte.
Menschen, die in verschiedenen Phasen seines Lebens prägend für ihn waren. Es noch immer sind. Über die Lebenskrise, die der fünfzigste Geburtstag bei einigen Leuten auslöst, schreibt Lucy Fricke so schön, so warm, so mitfühlend, so witzig, so spannend, dass man "Das Fest" auf keinen Fall aus der Hand legen möchte. Wenn Sie von der Autorin nicht genug bekommen können, sind "Die Diplomatin" oder "Töchter" aus ihrer Feder ebenfalls wärmstens zu empfehlen.
"Das Fest" ist ein Buch über Verluste und Verzeihen, über Freundschaften, die nicht enden und ohne die wir nicht wären, wer wir sind. Mit tiefer Melancholie und unerschütterlicher Komik blickt ein Mann - dank einer Frau - zurück auf sein Leben. Sein fünfzigjähriges Leben, das doch gerade erst wieder beginnt.
Furye
Um Verluste geht es auch bei Kat Eryn Rubik. In "Furye" wird eine erfolgreiche Musikmanagerin von ihrer Vergangenheit eingeholt und gerät in einen Strudel aus Erinnerung, Schuld und Sehnsucht. Mit scharfem Blick und großer Intensität erzählt Rubik von den Abgründen hinter der glänzenden Fassade - damit ist ihr ein elektrisierender Roman über Vergebung, Rache und das Unumkehrbare gelungen. Es geht um Jugend, Liebe, Schuld, Sünde, Sex, Vergebung, Kinder oder keine Kinder. Es geht um Arm und Reich, um Schönheit, Emotionen und Depressionen, und das alles so spannend erzählt, dass man atemlos liest. Nicht nur wegen des Titelbildes ist es ratsam, den Roman in der Nähe eines Pools zu lesen - denn Abkühlung ist das, was Ihnen als Erstes einfallen wird, wenn Sie erstmal begonnen haben.
Unter dem Namen Kat Kaufmann veröffentlichte die Autorin, Komponistin und Fotografin bereits "Superposition" und "Die Nacht ist laut, der Tag ist finster". Sie lebt und arbeitet in Berlin. Kat Eryn Rubik, geboren 1982 in St. Petersburg, erzählt in "Furye" die Geschichte eines tragischen Unfalls - zumindest nannte es die Presse so, als ein Cabrio mitsamt Insassen an den steilen Klippen der Küste in die Tiefe stürzte. "Natürlich war das nicht die Wahrheit", schreibt die Erzählerin, die als Einzige weiß, was wirklich geschehen ist. Und begibt sich, nach einem Anruf, der ihr - wenn schon nicht glückliches, so wenigstens stabil geglaubtes - Leben in sich zusammenfallen lässt, auf eine Reise in ihre Vergangenheit. Ihr Roadtrip führt sie zurück in die trügerisch schöne Stadt am Meer, die sie vor zwanzig Jahren hinter sich gelassen hat. Dorthin, wo eine längst vergessen geglaubte Erinnerung begraben liegt. Dorthin, wo sie einst Alec, eine der Furien, war. Damals, als sie siebzehn Jahre alt war.
Stilsicher ist sie inzwischen, eine smarte Musikmanagerin und erfolgreiche Selfmadefrau, deren Gesicht das Cover der "VOGUE-Business" ziert. Doch die Realität hinter den Kulissen ihres nach außen hin beneidenswerten Daseins ist trist; der Vater tot, die Mutter, die sich langsam wieder ins Leben kämpft, ihre einzige Familie. Kein Mann, kein Kind - sie selbst glaubt, nichts mehr fühlen zu können. Dass Alec sich aus ihrem vermeintlich guten Leben auf den Weg ins Ungewisse macht, dass sie die Liebe sucht, in welcher Form auch immer, erzählt Kat Eryn Rubik spannend und nachvollziehbar. Wer "Furye" liest, begibt sich mit auf die Reise. Deswegen ist dieses Buch auch wirklich gut für alle, die jetzt keinen Urlaub haben.
Quelle: ntv.de