Schreiben über die Liebe Eine "Zugfahrt" mit Daniel Glattauer oder Eduard Brünhofer


Daniel Glattauers neuer Roman "In einem Zug" ist bei Dumont erschienen.
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Eduard Brünhofer ist ein erfolgreicher Schriftsteller. Doch seit Jahren hat er keinen Roman mehr veröffentlicht. In seinem neuesten Roman "In einem Zug" lässt Daniel Glattauer den Autor von einer Psychotherapeutin befragen. Doch dem ist die Fragerei suspekt.
Eduard Brünhofer fährt mit dem Zug von Wien nach München. Der Schriftsteller, der für seine Liebesromane berühmt ist, hat am Zielort einen Termin, der ihm offenkundig Unbehagen bereitet. Deshalb lässt er sich gern von der Frau "frühen mittleren Alters" in ein Gespräch verwickeln, die mit ihm im gleichen Abteil sitzt.
Auch, wenn sie ihn gar nicht als Promi zu erkennen scheint, was dem Ego des Autors einen Stich versetzt. Im inneren Selbstgespräch leiert er die Entgegnungen herunter, die er normalerweise für diese Begegnungen parat hat. "Ich werde antworten: Ja, das bin ich. Ich werde ihr zublinzeln, nicken, schüchtern schmunzeln, aber nicht wirklich schüchtern, nur damit sie weiß, dass ich mir nichts darauf einbilde, Eduard Brünhofer zu sein." Doch die Mitreisende liefert keine Stichworte für die eingeübten Antworten, sie ist kein Fan, hat nicht gerade eines seiner Bücher gelesen oder wenigstens schon mal in der Hand gehabt, obwohl sie genau in die Zielgruppe seiner Leserinnen zu passen scheint.
Die Begegnung scheint in peinlichem Schweigen zu enden, nachdem Brünhofer nicht der vermutete frühere Englischlehrer ist und sich die beiden auch offenbar nicht vom Berlin-Marathon kennen können. Der Autor muss sich vorstellen, trotz aller Berühmtheit. Doch dann beginnt die Frau zu fragen. Ausgerechnet und ganz banal danach, wie man ein erfolgreicher Schriftsteller wird.
Nach dem Halt in Amstetten hat sich die Peinlichkeit gelegt, Brünhofer weiß inzwischen, dass er es mit einer Psychotherapeutin zu tun hat und ist mit seiner vertrauten Erzählung wieder in der Spur. Solange die Frau "frühen mittleren Alters" fragt, vergeht die Reise etwas schneller und er muss sich nicht mit dem Unbehagen seines Münchner Termins beschäftigen, auch wenn er sich einredet, er wünschte, sie würde einfach aussteigen.
Eheglück und Schreibkrise
Stattdessen werden die Fragen drängender. "Und Sie schreiben gern über die Liebe?", fragt sie, während vor dem Fenster des Zuges die österreichische Landschaft vorbeigleitet. "Was befähigt einen Autor, über die Liebe zu schreiben?" "Was stellen Sie sich vor, wenn Sie über die Liebe schreiben?" Brünhofer ist lange genug im Geschäft, um relativ geschliffene Antworten zu liefern. Doch in ihm startet ein Parallelprozess, in dem er die Beziehung zu seiner Regina "Gina" und Tochter Tanja, sein Schreiben und Sein reflektiert. Das Kind ist erwachsen, viele Jahre sind vergangen, seit er Gina kennengelernt hat. Noch immer ist er froh über diese Ehefrau, die Zeit, die er mit ihr hat.
Doch so intakt seine Beziehung zu ihr ist, so angeschlagen ist sein Schreiben. 13 Jahre ist es her, dass sein letzter Roman erschienen ist, obwohl er sich redlich bemüht, die besten Gedanken für einen neuen Roman herbeizudenken. "Aber wenn man einmal 13 Jahre auf der Suche nach einem besten Gedanken ist, dann bringt man es schwer übers Herz, Gedanken zu nehmen, die einem schon 13 Jahre auf der Oberfläche herumtanzen."
Davon weiß seine Mitreisende Catrin Meyr nichts, deren Namen er inzwischen kennt und mit der er im Zugrestaurant Kaffee getrunken hat. Die ihm zuschaut, wie er versucht, würdevoll ein Baguette zu essen, mit der er später noch einige der kleinen Rotweinflaschen leeren wird. Und die mit ihm immer noch über die Liebe reden will.
München rückt näher, Brünhofer hat leicht einen sitzen. Hinter Rosenheim beantwortet er die Frage nach seinem Beziehungserfolg mit Gina mit dem "Drei-Leben-Modell" aus einem Ich, einem Du und einem Wir. "Ich lebe erstens mein eigenständiges Leben. Ich lebe zweitens das eigenständige Leben von Gina als ihr Lebensbegleiter mit. Und ich lebe drittens das Leben zu zweit mit ihr, also unter gemeinsames Leben." Einmal ausgesprochen, wundert sich der Autor selbst, wie er mit seiner Frau dorthin gekommen ist.
Bestsellerautor mit argen Schwächen
In Brünhofer wächst der Verdacht, dass seine Gesprächspartnerin nicht so viel Glück in der Liebe hatte wie er. Vehement scheint sie in seine funktionierende Zweierbeziehung hineinzubohren, um zu beweisen, dass das einfach nicht sein kann. Die Fragerei und der Rotwein lassen den Schriftsteller zunehmend ungehalten werden. "Der Sex. Natürlich. Die Leidenschaft, klar, das ist bei ihm sicher alles auf der Strecke geblieben. Seine Frau langweilt sich daheim zu Tode. Oder vergnügt sich mit einem jungen, agilen Arbeitskollegen, von dem der müde Schriftsteller natürlich nichts weiß. Er und sie gehen höchstens noch wandern oder spazieren, wegen der Anstrengung. Oder Golf spielen, Gott behüte. Sonst läuft da nichts. Wenn er das Wort Sex nur hört, zuckt er schon zusammen. Schreiben kann er auch nicht mehr."
Mit dem Liebesroman "Gut gegen Nordwind" schaffte der österreichische Schriftsteller Daniel Glattauer 2006 den Durchbruch. Auch in seinem neuen Buch "In einem Zug" geht es um die Liebe, aber wie Brünhöfer scheint auch Glattauer ein wenig das Feuer abhandengekommen zu sein. Vielleicht nicht das der Liebe, aber das des Schreibens. Der Autor im Buch wirkt nicht halb so intellektuell scharf, wie er es gern wäre. Und auch die Liebe zu seiner Frau, das Wesen dieser Beziehung, bleibt seltsam unerzählt.
So wie der Zug Haltestelle um Haltestelle anfährt, hangelt sich die Dramaturgie mehr recht als schlecht München entgegen. Die Selbstironie Glattauers, die hier und da gegenüber seinem alter Ego aufzublitzen scheint, trägt einen leider auch nicht allzu weit. Zumal Catrin Meyr nicht mehr als die Rolle der unglücklichen Stichwortgeberin bleibt. An einer Stelle fragt sie: "Was befähigt einen Autor, über die Liebe zu schreiben?" Glattauer findet darauf keine erhellende Antwort.
Quelle: ntv.de