Mit Adolf Hitler auf du und du "Jojo Rabbit" bläst zur Hasenfuß-Jagd
23.01.2020, 14:35 UhrDer kleine Jojo ist zehn, ein Fan des Nazi-Regimes - und ein Hasenfuß. Doch zum Glück gibt es ja Adolf Hitler, seinen imaginären Freund. Der neuseeländische Regisseur Taika Waititi liefert mit "Jojo Rabbit" eine neue Parodie auf das NS-Regime ab. Gelungen?
Es kann ein Kobold à la "Pumuckl" sein. Ein kleiner Drache wie "Grisu". Oder einfach ein Junge oder Mädchen im gleichen Alter. Doch was, wenn der imaginäre Freund eines Kindes ausgerechnet Adolf Hitler ist? Mit dieser schaurig-skurrilen Vorstellung spielt der Streifen "Jojo Rabbit" von Regisseur Taika Waititi, basierend auf dem Roman "Caging Skies" von Christine Leunens. Und das so gekonnt, dass er bei der kommenden Oscar-Verleihung schon mal für sechs Trophäen nominiert ist.

Ein guter Freund, das ist das beste, was es gibt auf der Welt: Jojo (Roman Griffin Davis, r.) und Adolf Hitler (Taika Waititi).
(Foto: Twentieth Century Fox)
Darf man Hitler, das sogenannte "Dritte Reich" und die Schrecken der Nazi-Herrschaft parodieren? Darf man darüber Witze machen? Diese Fragen scheinen längst positiv beantwortet zu sein. Beweise dafür gibt es genug, angefangen von Charlie Chaplins "Der große Diktator" über Robert Benignis "Das Leben ist schön" bis hin zur deutschen Komödie "Er ist wieder da" von David Wnendt.
Es geht nicht um das Ob, sondern um das Wie. Wenn ein Hitler-Imitator auf einem Biker-Treffen unter dem Gejohle von Teilnehmern und sogar eines Polizisten in voller Montur aufläuft, hat das durchaus das Geschmäckle der Verharmlosung und Glorifizierung und sorgt deshalb zu Recht für Empörung. Ein Film wie "Jojo Rabbit" erreicht durch die Verballhornung des größten Massenmörders der Geschichte dagegen genau das Gegenteil. Zugleich begegnet er dem Terror, indem er die stärksten Waffen überhaupt gegen ihn ins Feld führt: Herzenswärme und Menschlichkeit.
Zwischen Fantasie und Realität
Der Junge Jojo Betzler (Roman Griffin Davis) erlebt die letzten Monate des Zweiten Weltkriegs in einem fiktionalen Ort namens Falkenheim. Voller Begeisterung schließt er sich der Hitlerjugend an, wo er auf den desillusionierten, fatalistischen und saufenden Ausbilder Hauptmann Klenzendorf (Sam Rockwell) trifft. Aber der schmächtige und mit seinen gerade mal zehn Jahren natürlich auch noch naiv-kindliche Jojo trifft auch auf Kameraden, die es nicht allzu gut mit ihm meinen. Alsbald wird er als Hasenfuß verspottet. Doch obwohl er so die gnadenlose NS-Ideologie vom Recht des Stärkeren und der Ausgrenzung Schwächerer auch am eigenen Leib zu spüren bekommt, ist sein Enthusiasmus für das Regime zunächst ungebrochen.
Der Verbleib von Jojos Vater irgendwo an der umkämpften Front ist ungeklärt. So erschafft sich der Junge in seiner Fantasie einen imaginären Freund, der ihm dabei helfen soll, den Alltag und all seine Widrigkeiten zu meistern. Der Kumpel ist kein Geringerer als Adolf Hitler höchstpersönlich, gespielt von Regisseur Waititi.
Doch das ist nicht Jojos einzige Bezugsperson. Da wäre schließlich auch noch seine ganz reale Mutter Rosie (Scarlett Johansson), die ihm zwar seine kindlichen Freiheiten lassen möchte, von der NS-Euphorie ihres Sohnes aber wenig angetan ist - auch wenn sie sich das in der Diktatur natürlich nicht anmerken lassen darf. Vollends zu eskalieren droht die Situation, als Jojo eines Tages herausfindet, dass seine Mutter in einem Verschlag unter dem Dach die 15-jährige Jüdin Elsa (Thomasin McKenzie) versteckt. Infiltriert von den Klischees und dem Judenhass der Nazis will er sie zunächst der Gestapo überstellen. Damit jedoch würde er auch seine Mutter den Henkern ausliefern. Stattdessen baut er heimlich eine Verbindung zu Elsa auf - und gerät zusehends in Konflikt mit seinen aufoktroyierten Idealen und zwangsläufig auch seinem Kumpel Hitler ...
Grotesk, wirr, überzeichnet
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Problematisch wird es, als plötzlich Elsa (Thomasin McKenzie) auftaucht.
(Foto: Twentieth Century Fox)
"Jojo Rabbit" kann sich unter anderem Hoffnungen auf den Oscar für den besten Film und für die beste Nebendarstellerin (Scarlett Johansson) machen. Doch auch die Auftritte von Roman Griffin Davis und Taika Waititi wären eigentlich oscarverdächtig gewesen. Klar, der neuseeländische Regisseur mit Maori-Abstammung liefert keine authentische Hitler-Darstellung im Stile eines Bruno Ganz in "Der Untergang" ab. Sie ist stattdessen grotesk, wirr und überzeichnet, legt aber gerade damit den Wahnsinn des einstigen "Führers" genüsslich offen. Ach, wären die Schrecken des NS-Regimes doch nur das Produkt einer kindlich überdrehten Fantasie gewesen und kein grauenvoller Teil der Weltgeschichte.
Es gibt bereits erste Vorschläge, "Jojo Rabbit" zum Unterrichtsgegenstand an Schulen zu machen. Vielleicht nicht die schlechteste Idee. In den Köpfen mancher Zuseher mögen Filme wie dieser womöglich mehr erreichen als der erhobene Zeigefinger.
"Jojo Rabbit" läuft ab sofort in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de