Der "Tatort" im Schnellcheck Das Leben ist kein Ponyhof
11.10.2025, 15:06 Uhr Artikel anhören
Leonie Winkler (Cornelia Gröschel, l.) und Peter Schnabel (Martin Brambach) ermitteln im Umfeld einer Jugendeinrichtung.
(Foto: MDR / MadeFor Film / Steffen Junghans)
Volle Jugendheime, überfordertes Personal, empathielose Mediziner - im ersten Dresdner Fall nach dem Ausstieg von Karin Hanczewski ist einiges los. "Siebenschläfer" vergisst vor lauter Sozial-Baustellen beinah, worum es im Sonntagabendkrimi eigentlich geht.
Was passiert?
Lilly (Dilara-Aylin Ziem), eine 16-jährige Heimbewohnerin, und ihr Freund Pascal (Florian Geißelmann) haben alles genau geplant. Die Taschen sind gepackt, alles schläft, jetzt wollen die beiden das triste Dasein in der Dresdner Jugendeinrichtung "Siebenschläfer" hinter sich lassen. Die Freiheit strahlt in schönsten Farben. Doch schon bald zeigen sich erste Risse in ihrer jungen Beziehung, am nächsten Morgen wird Lillys Leiche aus dem See eines nahen Steinbruchs geborgen. Hat der labile Pascal sie während eines seiner Wutausbrüche geschubst oder vielleicht sogar ertränkt?
Für Kommissarin Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) wird der Fall zur doppelten Belastungsprobe, denn nach dem Abgang der Kollegin Gorniak (Karin Hanczewski), muss sie nun - zumindest übergangsweise - gemeinsam mit ihrem Chef, Kommissariatsleiter Schnabel (Martin Brambach), zusammenarbeiten. Der beherrscht das Tagesgeschäft zwar nicht aus dem EffEff, bringt aber dank seiner Erfahrung eine ganz eigene Note in die Ermittlungen. Dann passiert, was so oft passiert: Es gibt einen weiteren Todesfall.
Worum geht es wirklich?

Nach dem Abgang von Kollegin Gorniak (Karin Hanczewski) agieren Winkler und Schnabel als Duo.
(Foto: MDR / MadeFor Film / Steffen Junghans)
Im Kinder- und Jugendheim "Siebenschläfer" gehört die Überforderung zum täglichen Leben, wie die Milch am Morgen und die Tabletten nach dem Frühstück. Nur mühsam hält Heimleiterin Saskia Rühe (Silvina Buchbauer) den Laden zusammen, die Erzieherin Jasmin Hoffmann (Aysha Joy Samuel) schiebt eine Überstunde nach der anderen. Freie Tage sind nicht drin, da es an allen Ecken und Enden an Personal fehlt. Bei so vielen Kriegsschauplätzen wird der Fall selbst fast an die Seite gedrängt, in (über)langen Dialogsequenzen werden hier die Brennpunkte seziert.
Wegzapp-Moment?
Die langen Dialoge, voller Erklärungen, Anekdotischem und Sozialdilemma, dürften nicht für jeden etwas sein. So vielschichtig und empathisch die Autorinnen Silke Zertz und Frauke Hunfeld auch ihre Geschichte erzählen, fällt dem Zuschauer die Entscheidung zwischen einer gewissen Geduld für das realistisch-brisante Sujet der Heimerziehung mit all seinen Sollbruchstellen und einer etwas packenderen Sonntagabend-Unterhaltung möglicherweise leichter, als es allen Beteiligten lieb ist.
Wow-Faktor?
Florian Geißelmann spielt so intensiv, dass nicht nur Schnabel ihm den zerrütteten Heimjungen abnimmt, dafür definitiv ein "Wow!". Dem Schnabel wiederum nimmt man eher nicht ab, dass er plötzlich aus dem Stegreif den legendären Schriftsteller Thomas Brasch rezitiert. Ein "Wow!" gibt es aber für dessen besagten Gedichtklassiker, hier in voller Länge zum Nachlesen:
"Was ich habe, will ich nicht verlieren"
Was ich habe, will ich nicht verlieren, aber
wo ich bin, will ich nicht bleiben, aber
die ich liebe, will ich nicht verlassen, aber
die ich kenne, will ich nicht mehr sehen, aber
wo ich lebe, da will ich nicht sterben, aber
wo ich sterbe, da will ich nicht hin:
Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin
(aus: Thomas Brasch: Kargo. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M. 1977)
Wie war's?
5 von 10 Punkten - ambitioniert und gegen Ende arg konstruiert, berührende Schicksale machen noch keinen spannenden Krimi
Quelle: ntv.de