Der "Tatort" im Schnellcheck Kinderpornos im Kloster
30.11.2024, 15:28 Uhr Artikel anhören
Ermitteln eher aneinander vorbei als miteinander: Pötter (Lena Lauzemis) und Falke (Wotan Wilke Möhring).
(Foto: NDR/Kai Schulz)
Während die Aufarbeitung immer neuer Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche mittlerweile seit gut 15 Jahren läuft, war das Thema im "Tatort" bislang außen vor. "Schweigen" ändert das nun.
Was passiert?
Während Kommissar Falke (Wotan Wilke Möhring) noch versucht, im Kloster-Retreat den Mord an seiner Kollegin Grosz zu verwinden, ist ihm der Tod längst nachgeeilt: Pastor Otto (Hannes Hellmann), Trainer einer Jungen-Fußballmannschaft, verbrennt in seinem Wohnwagen im Klosterhof quasi vor den Augen des Ermittlers. Ob der schlampigen Arbeit der Feuerwehr und der lethargisch wirkenden örtlichen Mord-Ermittlerin Pötter (Lena Lauzemis) schlüpft Falke direkt aus dem Schlafanzug in seine Lederjacke - und findet im Keller des verbrannten Pastors Berge von Kinderpornografie.
Nach der Sichtung von Hunderten Dias, Fotos und Kassetten ist Falke klar: Der Pastor war kein Einzeltäter, inner- und außerhalb der Klostermauern muss es einen ganzen Ring aus kriminellen pädophilen Kirchenvertretern geben - geschützt von anderen, denen die Institution der Kirche wichtiger ist als die geschundenen Seelen der Betroffenen. Nicht nur Falke kommt deshalb im Laufe der Ermittlungen an seine Grenzen.
Worum geht es wirklich?
"Schweigen" ist kein klassischer Whodunit-Krimi, im Fokus steht "ein uraltes, antikes kirchliches System, das Missbrauch begünstigt und die Täter in Schutz nimmt", wie Hauptdarsteller Möhring sagt. Dabei steht die Kirche als solche gar nicht am Pranger, sondern vielmehr "ihre schlimmsten Auswüchse, der Missbrauch von Macht, das System von Vertuschen und Verheimlichen, und das fatale Schweigegelübde, das noch heute über dem Gesetz steht."
Wegzapp-Moment?
Das Thema als solches ist schwer zu ertragen und dürfte sicher nicht allen Zuschauern liegen, zumal an einem Sonntagabend. Regisseur Lars Kraume hat es aber filmisch so feinfühlig und gekonnt aufgefangen, dass es keinen echten Grund zum Wegzappen gibt.
Wow-Faktor?
In einer langen Einstellung klickt sich Falke auf einem alten Dia-Projektor durch das kinderpornografische Material. Der Zuschauer sieht dabei nicht das Grauen selbst, sondern Falkes Reaktion darauf - ein sensibles und gleichzeitig wuchtiges Stilmittel, das Eindruck hinterlässt.
Wie ist es?
8 von 10 Punkten. "Schweigen" ist ein gut gemachter Film zu einem wichtigen Thema, der bei aller Kritik an der Kirche nicht die Zwischentöne vergisst. Umso unverständlicher, dass vor diesem Hintergrund ausgerechnet die letzten zehn Minuten mit einem öffentlich-rechtlichen Wohlfühl-Schluss leben müssen.
Quelle: ntv.de