Kölner Pyramiden-"Tatort" Powerseller auf Abwegen
14.01.2024, 21:51 Uhr Artikel anhören
Pushen sich auf einer Firmenfeier gegenseitig: Komann (Robin Sondermann, l.) und seine Nummer zwei Rocko (Oleg Tikhomirov).
(Foto: WDR / Bavaria Fiction GmbH / Thomas Kost)
Wenig Arbeit für extrem viel Rendite, dazu quasi gar kein Risiko: Klingt zu schön, um wahr zu sein? Ist es in der Regel natürlich auch. Aber was, wenn diesmal alles anders ist?
Wenn Christopher Komann einen Raum betritt, dann tut er das nicht leise und unauffällig. Stattdessen bringt der in feinste Anzüge gewandete "Concreta"-Chef eine ganz spezielle Energie mit in den Raum. Die kann man entweder als arrogant und aggressiv empfinden oder aber selbstbewusst und mitreißend finden, so wie Komanns Mitarbeiter. Pep-Talk bei "Concreta" geht auf jeden Fall so: "Ihr werdet nach Hause gehen und eure Frauen werden euch bespringen, weil ihr meine krassen Maschinen seid, die jetzt da rausgehen und richtig was ernten, richtig was reinholen! Holt euch eure Provisionen!"
Der Firmenchef aus dem neuen Kölner "Tatort" hält nicht umsonst eine dieser - meistens brüllend vorgetragenen - Ansprachen, die man von selbsternannten Businesscoaches und Powersellern aus dem Internet kennt. Die suchen vor allem über die sozialen Medien nach gieriger Kundschaft, der sie windige Anleihen und ähnliche Schrottpapiere mit dem Versprechen von gigantischen Renditen verkaufen können. Obwohl das Netz voll von ihnen ist, dürfte keiner so überzeugend sein wie dieser Komann, fantastisch gespielt von Robin Sondermann.
"Ein Pyramidensystem funktioniert am besten, wenn ein ideologischer Überbau den Blick auf die Realität vernebelt", sagt Jan Martin Scharf, der zusammen mit Arne Nolting das Drehbuch zu "Pyramide" geschrieben hat. "Und kaum etwas zieht da besser als der Appell an vermeintlich männliche Werte wie Erfolg, Stärke und Durchsetzungskraft inklusive aller Statussymbole. Aber (…) wenn man hinter die Oberfläche schaut, dann sieht man: Der eigentliche Antrieb für ein solches System ist immer die Gier - und die kann Männer wie Frauen packen."
Aufgepeitscht bis zum Limit

Charismatisch, toxisch, gierig: Komann (Robin Sondermann).
(Foto: WDR / Bavaria Fiction GmbH / Thomas Kost)
Auf Komanns gebrüllte Motivations-Rede aus der Eingangsszene reagieren die Mitarbeiter jedenfalls wie gewünscht: Der ganze Raum voller junger Männer (und einer Frau, der Social-Media-Managerin der Firma) brüllt und johlt dermaßen, dass das Ganze eher einen Touch von "Braveheart" als von Büro hat. Dass so viel toxische Männlichkeit auf einem Haufen kein gutes Ende nehmen kann, versteht sich von selbst: Aufgepeitscht bis zum Limit verkaufen die Möchtegern-Millionäre Komanns Schrottanleihen an Bekannte, Freunde und sogar Verwandte. Reich wird am Ende trotzdem nur Komann selbst, so wie das bei Pyramidensystemen nun mal so ist - und auch der nur materiell, wie das Ende zeigt.
"Pyramide" ist ein stark erzählter, ästhetisch ansprechender und sauber besetzter Krimi. Dass er gleichzeitig so nahbar wirkt, hat vielleicht auch mit den Erfahrungen der Beteiligten zu tun: "So gut wie jeder im Produktionsteam kannte Menschen aus dem persönlichen Umfeld, die in ein solches System geraten sind und dadurch viel verloren hatten", sagt Drehbuchautor Nolting. "Geld, Lebensjahre und vielleicht am schlimmsten: Das Vertrauen von Freunden und Familie. Da wir also sehr nah miterleben konnten, wie viel Leid diese Betrugssysteme verursachen, erschien uns die Geschichte erzählenswert. Zugleich hatten wir durch diese Erfahrungsberichte einen tiefen Einblick in die Methoden und die Verführungskraft der Betrüger, sodass wir auch wussten, wovon wir erzählen."
Quelle: ntv.de