"Tatort" im Hip-Hop-Milieu Rappend aus der Sommerpause
15.09.2024, 21:54 Uhr Artikel anhören
Sorgt mit seiner Expertise für die nötige Glaubwürdigkeit: Der Rapper "Yugo" spielt den Rapper "Ted Candy".
(Foto: ARD Degeto / ORF / Petro Domenigg)
Ein Auffrischungskurs in Sachen Hip-Hop und Rap, verpackt in einem Mordfall, das klingt erstmal nicht besonders unterhaltsam. Ist es dann aber doch - aber gerade nicht des Mordes wegen.
Kommissar Eisner (Harald Krassnitzer) ermittelt zwar erst seit ein paar Stunden im Wiener Rap-Milieu, sein Urteil über den Zustand der Szene im Jahr 2024 ist dafür ebenso prägnant wie vernichtend: "Aufgeblasene Muskelkasperl, sexistische Texte, teure Autos. Komplett aus der Zeit gefallen." Und es stimmt ja auch: Das Musikvideo zum Track von Akman 47 (Murat Seven), das sich Krassnitzer da eben angeschaut hat, könnte ebenso gut im Berlin der 2000er spielen. Nur steht Gangsta-Rap eben längst nicht stellvertretend für das ganze Genre - und genau das will "Deine Mutter", der erste "Tatort" nach der langen Sommerpause, herausarbeiten.
Ein Sonntagabendkrimi als Auffrischungskurs in Sachen Hip-Hop und Rap? Ganz schön gewagt, was Regisseurin Mirjam Unger und Drehbuchautorin Franziska Pflaum da versuchen. Dass es größtenteils funktioniert, liegt einerseits an der Genreaffinität der Macherinnen: Unger arbeitete viele Jahre als Musikjournalistin und gründete 1995 den (immer noch beliebten) österreichischen Jugendsender FM4 mit.
Andererseits aber vor allem daran, dass mit Aleksandar Simonovski aka "Yugo" und "Jugo Ürdens" jemand an Bord war, der tatsächlich fest im Rapgame etabliert ist. "Es ist definitiv stimmig", urteilt Yugo über den Film, in dem er selbst als Mordopfer Ted Candy mitspielte. "Ich durfte ja quasi als Experte meinen Senf zu fast allem abgeben."
Als Krimi funktioniert es nur halbgut
"Kein Musikgenre hat weltweit so viel Gewicht, seine Protagonistinnen und Protagonisten sind Stars mit den unterschiedlichsten Stilen, Attitüden und Haltungen", erklärt Regisseurin Unger ihren Ansatz. "In unserem Film steht Ted Candy für den modernen Hip-Hop als Mainstream-Pop und Social-Media-Phänomen." Dessen Gegenspieler Akman 47 ist eher ein "Veteran des harten Gangster-Raps, der besonders um 2010 in Deutschland erfolgreich war". Und dann wäre da noch Bashir (Francis Ayozieuwa aka "Frayo 47"), der erst später im Film eine tragende Rolle spielt: "Als Dritter im Bunde gehört er zu der jungen politischen Generation, die um die alte Authentizität kämpft und sich auf die Realness von Hip-Hop beruft."
Dass "Deine Mutter" neben zeitgenössischer Musikgeschichte auch noch Themen wie Queerness, Homophobie und Frauenfeindlichkeit im Rap glaubhaft und erstaunlich leichtfüßig behandeln kann, ist eine starke Leistung. Darüber könnte man fast vergessen, dass der Film als Krimi nur so halbgut funktioniert, weil im Mittelteil arge Längen entstehen. Aber eben nur fast.
Quelle: ntv.de