Auch der dritte Landtagswahlabend des Jahres bot Überraschungen auf - vom deutlichen Sieg der CDU bis hin zum Beinahe-Desaster für die Liberalen. Die waren in ihrer Enttäuschung alles andere als allein, während sich nur eine der Ampelparteien im Bund im Glück wähnt.
Die CDU hat einen Lauf
Das bevölkerungsreichste Bundesland bleibt in schwarzer Hand, zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit. Lag der CDU-Landesverband dort nach Armin Laschets verkorkstem Kanzlerwahlkampf im Herbst noch am Boden, so wie auch die übrige Bundespartei, hat Laschet-Erbe Hendrik Wüst die Seinen wieder aufgerichtet: Beinahe zweistellig ist der Vorsprung der CDU auf die SPD, auch weil im prognostizierten Kopf-an-Kopf-Rennen mit SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty viele FDP-Wähler zu den Christdemokraten umgeschwenkt sind. Das hat eine Fortführung von Schwarz-Gelb zwar verunmöglicht, doch Wüst wird es verkraften können. Und erst recht ein anderer CDU-Promi aus NRW: Der Unionsfraktionschef und CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz hielt sich am Wahlabend von Kameras fern und ließ andere strahlen. Wohin die Reise aber geht, wenn Merz am Montag vor die Presse tritt, zeigt sein Tweet: "Diese Landtagswahl war auch ein politischer Stimmungstest", lässt Merz die Menschen wissen. Nach dem überragenden Wahlsieg seiner Partei vor einer Woche in Schleswig-Holstein muss man konstatieren: Es läuft bei den Christdemokraten.
Der Kanzler zieht nicht
Das einstige Stammland ist noch immer Herzland der SPD: Wie gerne die Sozialdemokraten Nordrhein-Westfalen zurückerobert hätten, zeigt schon das hohe Engagement von Olaf Scholz, der in Zeiten des Krieges nun wirklich genug auf der Agenda hat. Dennoch unterstützte der Kanzler den Spitzenkandidaten Thomas Kutschaty nach Kräften, posierte auch neben ihm auf zahlreichen Wahlplakaten und rückte mit seinen Wahlkampfauftritten auch das Thema Ukraine-Krieg noch mehr in den Fokus der Wählerinnen und Wähler. Doch ausgerechnet bei diesem Thema waren Scholz und die SPD zuletzt mehrfach ins Schleudern geraten. Dass die Partei nach ARD-Umfragen 330.000 Stimmen an die Grünen verloren hat, muss der SPD zu denken geben. Der kleine Koalitionspartner im Bund hat in Sachen Russland-Politik die stringentere Linie aufzubieten. Ihre Bundesminister Baerbock und Habeck genießen die höchsten Zustimmungswerte - standen aber für Wahlkampfplakate mit Kutschaty verständlicherweise nicht zur Verfügung.
Die Grünen setzen sich als dritte Volkspartei fest
Historisch bestes Ergebnis in Schleswig-Holstein, historisch bestes Ergebnis in Nordrhein-Westfalen, keine Regierungsbildung ohne die Grünen: Die von ihrem Bundestagswahlergebnis noch so enttäuschte Partei steht in diesem Frühjahr glänzend da. Ihre Bundesminister gehören zu den beliebtesten in allen Umfragen, im Bund robbt sie sich an die SPD heran. Die Affäre um Anne Spiegel hat keinen Flurschaden hinterlassen und mehr und mehr sticht die Partei CDU und SPD in deren Kernkompetenzfeldern aus. "Welcher Partei trauen Sie am ehesten zu, die Energieversorgung zu sichern?", fragte etwa infratest dimap im ARD-Auftrag die NRW-Wähler. Mit 26 Prozent lag die Partei von Bundeswirtschaftsminister Habeck vor der CDU mit 24 Prozent und vor der SPD mit 18 Prozent. Die Grünen formen eine Art neuer politischer Mitte, eigenständig im Auftritt und nach allen Seiten anschlussfähig.
Die FDP hat ein Problem
Nordrhein-Westfalen ist nicht nur Heimatland, sondern auch Glücksland von Bundesfinanzminister Christian Lindner. Sein Ergebnis als Spitzenkandidat im Frühjahr 2017 markierte seinen ersten großen Erfolg und war Vorspiel zum Comeback der FDP im Bund. Fünf Jahre später hätte der FDP-Vorsitzende beinahe erklären müssen, warum die Liberalen aus dem Landtag von NRW geflogen sind. Ganz so schlimm kam es nicht. Und wie schon bei der Schleswig-Holstein-Wahl ist die Partei auch unter die Räder eines beliebten konservativen Kandidaten geraten. Dennoch dürfte das Grummeln in der Partei lauter werden: Lindner hat in Berlin seinen Traumjob, aber was hat die Partei davon? Sollten die Umfragewerte im Bund auch noch zu sinken anfangen, könnte es bald ungemütlicher zugehen in der Ampelregierung. Andererseits: Für Zoff im Bund hat die FDP schon wiederholt gesorgt, ob in der Corona-Politik oder beim Schnüren der Energiepreis-Entlastungen. Genützt hat das der Partei bislang wenig.
AfD kann nicht feiern, die Linke nicht zulegen
Es stimmt schon: Nach dem Ausscheiden der AfD aus dem Landtag von Schleswig-Holstein ist der Wiedereinzug der AfD im Düsseldorfer Parlament keine Selbstverständlichkeit, wie Spitzenkandidat Markus Wagner hernach betonte. Dennoch hat die Partei bei der neunten Wahl in Folge Stimmenverluste erlitten. Dass es in sozial schwierigen Wohngebieten mit hohem Migrationsanteil immer wieder zu schweren Gewalttaten kommt, war kein Wasser auf die Mühlen der AfD. Denn CDU-Innenminister Herbert Reul hat sich ein Image als Sheriff von NRW erarbeitet, wodurch die CDU wenig Angriffsfläche bei der Inneren Sicherheit bot. Auch die Kritik am Umgang der Bundesregierung mit Russland half nicht weiter. Das hat die AfD mit der Linken gemein, die in NRW immerhin Sahra Wagenknecht zu ihren Zugpferden zählt. Die Linke-Kritik an Waffenlieferungen für die Ukraine entfaltete als Wahlkampfargument aber keine Wirkung. Die innerlich zerrissene Partei taumelt weiter der vollkommenen Bedeutungslosigkeit im Westen entgegen.
Quelle: ntv.de