Politik

Ampel-Trio streitet um Posten Warum Lindner ein Klimaministerium ankündigt

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Habeck hat gegenüber Lindner wohl das Nachsehen beim Amt des Bundesfinanzministers.

(Foto: picture alliance/dpa)

Mit dem neuen, von Vertraulichkeit geprägten Stil zwischen den angehenden Regierungspartnern SPD, Grüne und FDP ist es wohl doch nicht so weit her: Liberale und Grüne streiten öffentlich um das Bundesfinanzministerium und FDP-Chef Lindner prescht beim Ressortzuschnitt vor. Und das ist erst der Anfang.

Wer hätte so viel Euphorie für die Ampelkoalition bis zum Abend der Bundestagswahl für möglich gehalten, zumal bei der FDP? Von einer "Zäsur der politischen Kultur in Deutschland" sprach FDP-Chef Christian Lindner nach erfolgreichen Sondierungsgesprächen, begeistert über das hohe Maß an Vertraulichkeit und Professionalität, das er in den Sondierungen erlebt habe. "Wenn man nachts lange redet, lernt man sich sehr gut kennen", deutete der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck eine neue Intimität zwischen den Parteichefs und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz an, nachdem sie alle bis 5 Uhr früh am Freitagmorgen zusammengesessen hatten.

Die Botschaft an die eigenen Parteien und an die Öffentlichkeit lautete: Der wertschätzende Umgang miteinander könne bei allen inhaltlichen Differenzen eine tragfähige Basis für vier gemeinsame und erfolgreiche Regierungsjahre bieten. Keine 24 Stunden später bekam dieser Boden erste Risse und weitere kamen bis Montag hinzu. Anlass ist der künftige Zuschnitt von Ressorts und die Verteilung der Ministerposten in der künftigen Ampelkoalition. Ganz schön banal für drei Parteien, die sich im Begriff wähnen, ein ganz besonderes, historisches Bündnis zu schmieden.

Schlechte Stimmung aus Schleswig-Holstein

Den Anfang machte Lindners Co-Chef Wolfgang Kubicki, der schon am Freitag nach der Präsentation des Sondierungsergebnisses als einziger und für alle sichtbar aus dem Tross der Sondierer ausscherte, um individuell Fragen wartender Journalisten zu beantworten. Als er am folgenden Morgen im NDR-Hörfunk sprach, lobte Kubicki zwar ebenfalls eine Stimmung und Professionalität, wie er sie in den vergangenen Jahrzehnten noch nicht erlebt habe. Dennoch müsse er "als Freier Demokrat und als Wolfgang Kubicki" sagen, dass Lindner als Finanzminister geeignet sei, die angepeilten Investitionen unter Wahrung der finanziellen Leitplanken umzusetzen.

Die Grünen-Finanzministerin von Schleswig-Holstein, Monika Heinold, die Kubicki aus der Jamaika-Regierung im eigenen Land kennt, versandte daraufhin eine Pressemitteilung, weil sie mit der "eigenen Meinung nicht hinter dem Berg halten" wolle: "Damit das Schließen von Steuerschlupflöchern tatsächlich gelingt und damit nicht nur in Straße, sondern vor allem in Klimaschutz investiert wird, wäre mit Sicherheit Robert Habeck als Finanzminister genau der richtige", erklärte die Habeck-Vertraute. Aus beiden Parteien folgten weitere Wortmeldungen zum Thema, wahlweise zugunsten von Lindner und Habeck.

Grünen-Schreck Lindner

In früheren Zeiten war der Posten des Außenministers in der Bundesregierung der attraktivste für den jeweils kleinen Koalitionspartner, doch damit ist es vorbei: Das Amt ist längst kein Garant mehr für hohe persönliche Zuspruchswerte, wie sie etwa Hans-Dietrich Genscher oder Joschka Fischer genossen. Begehrt ist stattdessen das Finanz-Amt, weil letztlich der Herr der Kassen entscheidet, welche Vorhaben finanzierbar sind - und welche nicht.

Bei den Grünen, so viel wurde auf dem kleinen Parteitag am Sonntag deutlich, ist deshalb die Sorge groß, dass die baldige Klimaneutralität der Bundesrepublik am ständigen Nein eines Bundesfinanzministers scheitert, der die schwarze Null ebenso liebt wie schnieke Anzüge. Zumal die FDP in puncto Haushaltsstabilität und Steuerstabilität für hohe Einkommen tatsächlich liefern muss. In der Ampelregierung der Anker der Vernunft zu sein, ist Lindners wichtigstes Argument gegenüber seiner Fraktion in den kommenden vier Jahren und bei der nächsten Bundestagswahl.

Doch auch wenn Sondierungsbeteiligte wie Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer warnen, dass vorzeitige und öffentliche Ämterdebatten dem Vertrauensverhältnis schaden würden, hat sich die FDP offenbar entschieden, die Katze nicht zurück in den Sack zu stopfen: Am Sonntagabend kündigt Christian Lindner in der ARD an, dass es ein Klimaministerium geben werde. "Es gibt das Bundeskanzleramt, es gibt das Finanzministerium, es gibt ein neues Klimaministerium. Und ich bin der Meinung, jeder der Partner muss eine Möglichkeit haben, auch gestalterisch zu wirken."

Will Habeck überhaupt?

Damit setzt Lindner die Grünen unter Druck, sich zu entscheiden, was ihnen wichtiger ist: Habeck und Annalena Baerbock hatten im August ein Klimaministerium gefordert, das ein Vetorecht gegen Gesetzesvorhaben anderer Ressorts bekommen soll, wenn diese Vorhaben die Klimaziele der Bundesregierung unterlaufen. Lindner geht mit seiner Ankündigung auf diese Forderung ein - möglich auch, dass das Klimaministerium schon zwischen den drei Parteien im Geheimen verabredet worden ist.

Wenn es ein Klima- oder Energiewendeministerium geben sollte, könnten die Grünen gar nicht anders, als dieses Schlüsselministerium der nächsten Bundesregierung für sich zu reklamieren. Sie hätten damit ebenso wie das Kanzleramt und das Bundesfinanzministerium ein faktisches Vetorecht, könnten aber nicht beide Posten einfordern. Je konkreter die Investitionszusagen in den Koalitionsverhandlungen werden und je klarer deren Finanzierung ist, desto leichter fiele den Grünen der Verzicht aufs Finanzministerium.

Ob es Habeck dort überhaupt hinzieht, ist ohnehin unklar. Es spricht einiges dafür, dass er sich für das Innenministerium interessiert, wie die "taz" berichtete. Dieses aber will gerüchteweise der kommende Kanzler Olaf Scholz für seine SPD, um weiter bei konservativen Wählern zu punkten. Wie Scholz stets betont, soll sich die Ampel so aufstellen, dass alle Beteiligten in vier Jahren aus vollem Herzen für eine Fortsetzung des Bündnisses werben könnten.

Muskelspiele zwischen den Juniorpartnern

Doch dafür muss es erstmal zustande kommen. Während Habeck in der ARD die von der FDP angestoßene Postendebatte als "nicht hilfreich" kritisiert und "Fairness" anmahnt, eskaliert Lindner bei "Bild" zusätzlich. Er stellt fest, dass die Posten nicht entlang der Wahlergebnisse aufgeteilt würden: "Es ist auch nicht so, dass es einfach danach geht, welche Prozentpunkte erreicht worden sind", sagte Lindner. Ob er in dem Moment nebenher ein Ohr beim kleinen Parteitag der Grünen hatte? Bei der Entscheidung über Inhalte und Ministerien "orientieren wir uns nicht an der Geschwindigkeit von Pressemitteilungen, sondern am Wahlergebnis", mahnte dort Oliver Krischer. Die Grünen haben bei der Wahl 1,5 Millionen mehr Zweitstimmen geholt als die FDP, landeten mit 3,3 Prozentpunkten vor den Liberalen und stellen mit 118 Abgeordneten eine um mehr als 25 Prozent größere Fraktion.

Am Montagnachmittag, als die FDP ihr einstimmiges Votum für Koalitionsverhandlungen bekannt gibt, bezeichnet Lindner die Ankündigung des Klimaministeriums als "Versehen" - ungewöhnlich für den pointierten Rhetoriker. So oder so, dass die FDP mit ihrem offensiven Griff nach dem Finanzministerium für Unruhe sorgt, entgeht auch der SPD nicht. In der ntv-Sendung "Frühstart" kritisiert SPD-Chef Norbert Walter-Borjans das Vorpreschen der Liberalen. Mit denen aber droht der SPD absehbar noch ein weiterer Konflikt: Die FDP will sich nicht von Scholz zur Parität bei der Ministerbesetzung zwingen lassen. Der SPD-Kanzlerkandidat hatte im Wahlkampf zwar ein gleichmäßig von Männern und Frauen besetztes Kabinett versprochen, die FDP aber fühlt sich daran nicht gebunden.

So markiert die Debatte um das Finanzministerium nur den Auftakt zu weiteren Postenstreits. Weil die Ministerien-Vergabe entscheidend ist für die Umsetzung eigener Wahlvorhaben, tun die Parteien natürlich gut daran, sich für ihre jeweiligen Interessen starkzumachen. Sie unterscheiden sich darin - und das sollte die vom historischen Moment berauschten Sondierer erden- auch kein Stück von früheren Bundesregierungen.

Quelle: ntv.de

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