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Gegeneinander statt gegen AfD Die Ampel liefert das Gegenteil von gutem Regieren

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Der Streit ums Elterngeld beziehungsweise um die Umsetzung von Sparvorgaben schwelt schon seit einiger Zeit und konnte bislang nicht beigelegt werden.

Der Streit ums Elterngeld beziehungsweise um die Umsetzung von Sparvorgaben schwelt schon seit einiger Zeit und konnte bislang nicht beigelegt werden.

(Foto: picture alliance / photothek)

Eigentlich hat die Ampel verstanden, welches Rezept gegen die AfD wirken würde: Probleme erkennen, benennen, lösen. Der blamable Streit ums Elterngeld zeigt, dass Verstehen und Umsetzen nicht dasselbe sind.

Nach dem AfD-Sieg bei der Landratswahl im thüringischen Landkreis Sonneberg haben Politiker mehrfach darüber gesprochen, dass die AfD am besten durch gutes Regieren klein gehalten werden kann. Die Analyse ist auch richtig: Unzufriedenheit ist eine der Quellen des Erfolgs der AfD.

Das weiß die Partei auch. Einer ihrer Bundestagsabgeordneten hoffte im vergangenen Jahr, dass die Energiekrise dramatisch wird. Zwei Jahre zuvor sagte der damalige Pressesprecher der AfD-Fraktion, je schlechter es Deutschland gehe, "desto besser für die AfD". Das sei auch mit dem damaligen Fraktionschef Alexander Gauland "lange besprochen". Der Pressesprecher musste damals gehen - das kann passieren, wenn man öffentlich die Wahrheit sagt.

Einig in der Analyse

Wollen die demokratischen Parteien also die AfD zurückdrängen, müssen sie eine Politik machen, die für Zufriedenheit sorgt. Das ist natürlich sehr viel leichter gesagt als getan, aber in der Analyse sind sich die dafür aktuell zuständigen Parteien - die der Ampelkoalition - einig. Ein paar Beispiele:

  • "Das Gegenmodell von Spaltern und Hetzern ist gute Politik", sagte SPD-Chef Lars Klingbeil. In der ntv-Sendung "Beisenherz" sagte er außerdem, die Koalition müsse die jüngsten Erfolge der AfD mit "gutem Regieren" kontern.
  • Bundeskanzler Olaf Scholz sagte am vergangenen Sonntag im ARD-Sommerinterview, es sei nötig, den Menschen eine positive Zukunftsperspektive zu geben und ihnen Respekt zu zeigen.
  • Es sei offensichtlich, dass die Ampel nach außen zu zerstritten wirke, sagte Grünen-Chef Omid Nouripour. Die Koalition habe zwar einige Erfolge erzielt, diese aber in den vergangenen Monaten immer wieder auf offener Bühne zerredet.
  • FDP-Chef Christian Lindner sagte der "Bild"-Zeitung Ende Juni zum Thema Strategien gegen den AfD-Erfolg: "Real bestehende Probleme, die die Bürgerinnen und Bürger umtreiben, müssen sachlich angegangen und pragmatisch gelöst werden."

Alles richtig. Und dann? Zerlegt sich die Koalition über ein paar Milliarden beim Elterngeld, noch dazu auf eine Art, die selbst in der Ampel als unangenehm gefunden wird. "Ich empfinde den Umgang in der Koalition, interne Post zu twittern, als peinlich", schrieb beispielsweise FDP-Vize Konstantin Kuhle auf Twitter. Um dann unmittelbar fortzufahren: "Aber wir können das gerne so weiterspielen." Angehängt war ein Brief von Bundesfinanzminister Lindner, der beweisen soll, dass die grüne Familienministerin Lisa Paus auch an anderer Stelle hätte sparen können, nicht bei besserverdienenden Eltern. Auch ein Brief von Finanzstaatssekretär Werner Gatzer an Paus sowie Paus' an Lindner gerichtete Antwort hatten prominente Koalitionspolitiker auf Twitter veröffentlicht oder weiterverbreitet.

"Kein Glanzstück"

Man kann Paus' Sparvorhaben richtig oder falsch finden. Derzeit liegt die Grenze für den Bezug von Elterngeld bei 300.000 Euro zu versteuerndem Jahreseinkommen bei Paaren (250.000 Euro bei Alleinerziehenden). Künftig sollen nur noch Eltern mit einem Jahreseinkommen von bis zu 150.000 Euro Anspruch auf das Elterngeld haben. Paus argumentiert, dass 90 Prozent ihres Etats gesetzlich gebunden seien und sie lieber "sozialpolitisch ausgewogen" kürzt als pauschal für alle. Den Einwand, dass auch besserverdienende Eltern in die Lage versetzt werden sollen, ohne größere Einschränkungen Elternzeit zu nehmen, idealerweise sowohl Mutter als auch Vater, akzeptiert offensichtlich auch Paus: Für die Gleichstellung sei diese Einsparung "kein Glanzstück", räumte sie bei ntv ein. Lindner wiederum argumentiert, Einsparungen seien auch an anderer Stelle möglich.

Das mag so sein. Aber unabhängig davon, welche Einsparungen richtig oder weniger falsch sind, ist eines völlig klar: Mit ihrer öffentlichen Kommunikation liefert die Koalition keine "positive Zukunftsperspektive" und löst nicht real bestehende Probleme "sachlich" und "pragmatisch". Die Ampel wirkt auch nicht zerstritten, sie ist es. Alle drei Partner sind voneinander in höchstem Maße genervt und schaffen es nicht, das zu verbergen. Was die Ampel hier abliefert, ist wieder einmal das Gegenteil von gutem Regieren. Je mieser sie regiert, desto besser für die AfD. Das Schlimmste daran: Eigentlich ist es ihnen klar.

Quelle: ntv.de

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