
Erstes Pflichtspiel, erstes Tor, erster Titel: Perfekter Einstand für Sadio Mané.
(Foto: IMAGO/Christian Schroedter)
"Nicht die Wahrheit" soll der FC Bayern gesagt haben, diesen Vorwurf schickt Robert Lewandowski nach München. Der Neu-Katalane wird dadurch zum Thema beim Supercup-Triumph seines ehemaligen Klubs. Julian Nagelsmann ist bemüht, zu deeskalieren - und sportlich fällt der Abgang ohnehin kaum auf.
Julian Nagelsmann wollte den Konflikt nicht noch weiter eskalieren und wählte deshalb beschwichtigende Worte. Mit Sadio Mané, bei seinem Pflichtspieleinsatz für den FC Bayern gleich Torschütze und Aktivposten in der Offensive, seien die Münchner "einen Tick schwerer ausrechenbar", sagte der Trainer des Rekordmeisters und alten und neuen Supercup-Siegers nach dem 5:3 (3:0)-Erfolg beim Pokalsieger in Leipzig. "Das heißt nicht zwangsläufig, dass wir erfolgreicher sind", schob der 35-Jährige. Eine Einschränkung, die auch als eine Art Friedensangebot an Robert Lewandowski zu verstehen sein dürfte.
Der siebenfache Bundesliga-Torschützenkönig ist zwar inzwischen beim FC Barcelona angekommen, kann aber offensichtlich noch nicht mit dem FC Bayern abschließen. "Bullshit" hätten "einige Leute" dort über ihn erzählt, legte Lewandowski per ESPN-Interview nach, und außerdem auch "nicht die Wahrheit gesagt". Das Hin-und-Her zwischen seinem vielfach artikulierten Wechselwunsch und dem Zögern der Münchner Verantwortlichen, bis die von Barça gebotene Ablösesumme die gewünschte Größenordnung erreiche, hat das so lange so erfolgreiche Verhältnis offenbar nachhaltig beschädigt, ja vielleicht sogar zerstört.
Leipzig: Gulacsi - Simakan (79. Novoa), Orban, Halstenberg - Klostermann, Laimer, Kampl (52. Olmo), Henrichs - Szoboszlai (90.+1 Haidara), Forsberg (52. Silva) - Nkunku. - Trainer: Tedesco
München: Neuer - Pavard (78. Mazraoui), Upamecano (78. de Ligt), Hernandez, Davies - Kimmich, Sabitzer - Müller (68. Gravenberch), Musiala (60.) Coman - Gnabry (78. Sané), Mané. - Trainer: Nagelsmann
Schiedsrichter: Robert Schröder (Hannover)
Tore: 0:1 Musiala (14.), 0:2 Mané (31.), 0:3 Pavard (45.), 1:3 Halstenberg (59.), 1:4 Gnabry (66.), 2:4 Nkunku (77., Foulelfmeter), 3:4 Olmo (89.), 3:5 Sané (90.+8)
Zuschauer: 47.069 (ausverkauft, in Leipzig)
Gelbe Karten: Simakan, Klostermann - Kimmich, Hernandez, Sané, Neuer
"Mein Vater hat mir beigebracht", sagte Bayerns Sportvorstand Hasan Salihamidžić bei "Bild" als Reaktion auf die Lewandowski-Vorwürfe, "dass man, wenn man geht, nie die Tür mit dem Hintern schließt. Robert ist auf dem besten Weg, genau das zu tun." Das war vor dem Anpfiff des Supercups, als noch die Frage im Raum stand, ob und wie der Verlust des zweifachen Weltfußballers im ersten Pflichtspiel nach dessen Abgang sichtbar werden würde. Die 90 Minuten in Leipzig sind für eine abschließende Bewertung sicher zu wenig - als Indiz dafür, dass der FC Bayern auch ohne einen klassischen Abschlussspieler zurechtkommt, dienen sie aber schon.
Nagelsmann lobt Mané
Fünf Tore gegen einen der stärksten nationalen Herausforderer sind eine Ansage. Sadio Mané traf sogar noch zwei weitere Male, allerdings schnellte danach jeweils die Fahne des Schiedsrichterassistenten nach oben, um korrekterweise Abseits anzuzeigen. Wenige Zentimeter fehlten zur Anerkennung, und Afrikas Fußballer des Jahres hätte sich gleich mit einem Hattrick beim FC Bayern eingefügt. "Er tut uns extrem gut", lobte Nagelsmann den 30-Jährigen hinterher, der über "eine herausragende Qualität" verfüge und zusätzlich ein "herausragender Typ" sei.
Am Sky-Interview präsentierte sich Mané mit der höflichen Bescheidenheit, die ihm immer wieder bescheinigt wird. Er fühle sich gut aufgenommen von der neuen Mannschaft, freue sich über den ersten Titel mit dem neuen Klub. Ein Mann der großen Worte ist der Senegalese nicht, der den Fans den FC Liverpool seinen Wechsel nach München in einem 15-minütigen Interview erklärte, in dessen Kommentaren sich die Lobeshymnen überschlagen. "Er geht ohne Drama, ohne Zirkus um seinen Transfer", heißt es da über "eine wahre Liverpool-Legende". Gerne hätten sie ihn behalten, wollen ihm den Wunsch nach einer neuen Herausforderung aber nicht verwehren.
Einen ähnlichen Eindruck teilt auch Nagelsmann nach den ersten Wochen der Zusammenarbeit. Mané sei "einfach ein demütiger, auf dem Boden gebliebener und herausragender Spieler", sagte der Trainer nach dessen überzeugendem Pflichtspieldebüt, "der sehr gut verteidigt, fleißig ist und die Jungs in der Kabine pusht". Wenn jetzt noch mit der Spielpraxis die Feinabstimmung dazukommt, könnte die Lücke, die Lewandowskis Abschied hinterlassen hat, schneller gefüllt sein als erwartet. Nicht mit einem klassischen Mittelstürmer, sondern mit einem agilen Offensivspieler, der gegen Leipzig mit dafür verantwortlich zeichnete, dass die fünf Bayern-Treffer von fünf verschieden Torschützen erzielt wurden.
Lewandowski spricht darüber, nicht darüber sprechen zu wollen
Mané gebe seiner Mannschaft "eine Variabilität", sagte Nagelsmann, der merklich darum bemüht war, die Wogen in der bisweilen schlammschlacht-ähnlichen öffentlichen Auseinandersetzung mit Lewandowski zu glätten. "Da muss man auf keinen Fall irgendwie nachtreten", sagte der Bayern-Coach vor allem in Richtung seines Arbeitgebers: Lewandowski "hat acht Jahre herausragend hier gespielt - mit unfassbar vielen Toren. Auch in meiner Amtszeit hat er fast 40 Tore wieder gemacht." Statt den Konflikt weiter zu eskalieren, solle man lieber "Lewy auf ewig dankbar sein".
Ob dieser Ratschlag an der Säbener Straße Anwendung findet, bleibt abzuwarten. Welche konkreten Vorkommnisse bei Lewandowski einen solch nachhaltigen Ärger auslösen, lässt der zweimalige Weltfußballer übrigens offen. Er wolle "nicht darüber sprechen, was genau passiert ist", sagte er bei ESPN, während er zum wiederholten Male über die Geschehnisse sprach oder sein Umfeld dazu sprechen ließ. Vieles deutet darauf hin, dass die Aufarbeitung dieser unschönen Trennung nach einer lange erfolgreichen Beziehung noch andauern wird.
Während Salihamidžić ein klärendes Gespräch mit Joan Laporta, dem meinungsstarken Präsidenten des FC Barcelona ankündigte, wechselte Nagelsmann nach seinen diplomatischen Worten über die Vergangenheit (Lewandowski) lieber zu einem Ausblick in die Zukunft des FC Bayern. "Das war schon Weltklasse", sagte er über den Auftritt von Jamal Musiala, der gegen Leipzig das 1:0 selbst erzielt, das 2:0 mit einem herausragenden Pass hinter die Abwehr entscheidend eingeleitet und beim 3:0 nach Doppelpass und Dribbling so perfekt vorbereitet hatte, dass Benjamin Pavard nur noch einschieben musste. Und damit auch dazu beitrug, dass Robert Lewandowskis Fehlen zumindest sportlich kein Thema war.
Quelle: ntv.de