Transfer-Ringen beim Supercup "Wilderer" Nagelsmann bekommt Analyse-Verbot
31.07.2022, 08:03 Uhr
Impulsiv am Spielfeldrand.
(Foto: IMAGO/ULMER Pressebildagentur)
Beim Supercup in Leipzig wird Julian Nagelsmann ausgepfiffen. Weil der Bayern-Trainer weiter bei seinem Ex-Klub wildert, ist er bei den Fans in Ungnade gefallen. Und auch RB-Trainer Domenico Tedesco schneidet seinem Kollegen vorsichtshalber das Wort ab.
Eigentlich überlässt der höfliche Domenico Tedesco gern seinen Gästen das erste Wort. Doch nach dem Duell im Supercup grätschte RB Leipzigs Trainer seinem Münchner Kollegen Julian Nagelsmann vorsichtshalber verbal dazwischen. Der DFB-Pokalsieger RB Leipzig hatte gegen den Deutschen Meister in einem wilden Spektakel gerade 3:5 (0:3) verloren, doch auf der Pressekonferenz markierte Tedesco den Hausherren. Als beide Trainer vom Reporter nach ihrer Interpretation der Leistung von Konrad Laimer gefragt wurden, fragte Tedesco grinsend, aber bestimmt zurück: "Wieso Frage an beide Trainer? Er ist ja mein Spieler!" Und Nagelsmann fügte eilig hinzu: "Richtig, ich habe auch gar nicht geschaut, wie er gespielt hat."
Das war freilich geflunkert. Wer den analytisch hyperbegabten Nagelsmann kennt, weiß, dass er in der Lage wäre und sogar Spaß daran hätte, direkt nach Abpfiff eine detaillierte Analyse aller 22 Spieler plus Einwechsler abzuliefern. Doch Tedescos Einwand ließ keinen Zweifel zu: Über RB Leipzigs Mittelfeldspieler Laimer, der gerade heftig vom FC Bayern umworben wird, redet im Presseraum des Leipziger Stadions nur einer - nämlich sein Trainer Tedesco. Der würde gern mit dem Mittelfeldmotor, der Kampfgeist für zwei Spieler hat, gerne weiterarbeiten. Doch sein Vor-Vor-Gänger Nagelsmann würde Laimer gern in München sehen.
Leipzig: Gulacsi - Simakan (79. Novoa), Orban, Halstenberg - Klostermann, Laimer, Kampl (52. Olmo), Henrichs - Szoboszlai (90.+1 Haidara), Forsberg (52. Silva) - Nkunku. - Trainer: Tedesco
München: Neuer - Pavard (78. Mazraoui), Upamecano (78. de Ligt), Hernandez, Davies - Kimmich, Sabitzer - Müller (68. Gravenberch), Musiala (60.) Coman - Gnabry (78. Sané), Mané. - Trainer: Nagelsmann
Schiedsrichter: Robert Schröder (Hannover)
Tore: 0:1 Musiala (14.), 0:2 Mané (31.), 0:3 Pavard (45.), 1:3 Halstenberg (59.), 1:4 Gnabry (66.), 2:4 Nkunku (77., Foulelfmeter), 3:4 Olmo (89.), 3:5 Sané (90.+8)
Zuschauer: 47.069 (ausverkauft, in Leipzig)
Gelbe Karten: Simakan, Klostermann - Kimmich, Hernandez, Sané, Neuer
Wenn die Ablöse stimmt, könnte der Österreicher bald der vierte Ex-Leipziger im Team der Bayern sein, das fünfköpfige Trainerteam um Nagelsmann kommt noch hinzu. "Von mir gibt es hier kein Basta, weder in die eine noch in die andere Richtung", sagte Leipzigs Klubchef Oliver Mintzlaff am Samstagabend bei Sat.1 zu der heiß diskutierten Personalie. Für 30 Millionen Euro darf der Kreativ-Kämpfer gehen. Gutes Geld für einen, der nur noch ein Jahr Vertrag hat. Doch RB Leipzig hat sich nach dem Aderlass der Vorsaison, als gleich sieben Angestellte von der Pleiße an die Isar wechselten, vorgenommen, keine Geschenke mehr an den Meisterschaftskonkurrenten zu verteilen.
Hinter den Kulissen ist große Harmonie zu sehen
Nagelsmann hatte zwar in Leipzig zwei Jahre lang gute Arbeit abgeliefert und den Klub ins Champions-League-Halbfinale und zur Herbst-Meisterschaft geführt. Doch bei den Leipziger Fans ist der 35-Jährige wegen seines Wechsels nach München inklusive des Leipziger Tafelsilbers Marcel Sabitzer, Dayot Upamecano und des kompletten Trainerteams Persona non grata. Die Fans ins Sektor B pfiffen den Ex-Trainer lautstark aus. Dem Jungstar der Trainerzunft, der wie Obelix in den Zaubertrank als Kleinkind in ein Elixier für überbordendes Selbstvertrauen gefallen sein muss, war das freilich egal. Bei den Münchner Toren rieb er sich erst die Ohrspitzen und eruptierte dann wie gewohnt an der Seitenlinie und feierte jedes der fünf Münchner Tore im Cristiano-Ronaldo-Stil.
Hinter den Kulissen wird all das freilich deutlich entspannter gesehen. Bereits vor dem Spiel hatte Nagelsmann verraten, dass er noch häufig mit dem "Oli" telefoniere. Gemeint war Mintzlaff, nicht sein aktueller Boss Kahn. In den Katakomben war dann zu beobachten, wie Nagelsmann & Co. freundschaftlich mit den Leipzigern kommunizierten. Der verletzte Stürmer Yussuf Poulsen etwa unterhielt sich lange mit dem Bayern-Psychologen Max Pelka, auch die Co-Trainer Dino Toppmöller und Analyst Benjamin Glück tauschten sich vor der Leipziger Kabine rege mit den Ex-Kollegen aus. Leipzigs langjähriger Kapitän Marcel Sabitzer, der nun das Bayern-Spiel lenkte, plauschte ausgiebig mit Mintzlaff. Das Verhältnis zwischen Herausforderer und Krösus ist also trotz der Münchner Wilderei in sächsischem Hoheitsgebiet blendend.
Das lag nach dem Supercup vielleicht auch am schmeichelhaften Ergebnis für die Leipziger. Bis zur Pause hatte der FCB den Konkurrenten vorgeführt. Leipzig hatte kaum Ballkontrolle und leistete sich billige Fehler wie vor dem 0:1, als ausgerechnet Laimer den Ball im Strafraum in Bedrängnis zugespielt bekam und an den Torschützen Jamal Musiala verlor. Erst als die Münchner müde wurden und Nagelsmann ausgiebig wechselte, drückte Leipzig auf den Ausgleich. Doch der Sturmlauf nach der Umstellung auf Vierer-Abwehrkette und Mittelfeld-Raute begann viel zu spät. "Wir müssen es schaffen, alle Spieler auf einen Stand zu kriegen, sie so schnell wie es geht, aufs nächste Level zu bringen", sagte Tedesco besorgt.
Zuletzt stand noch die Bewertung der Leistung von Laimer aus, dem anfangs nicht viel gelang, der jedoch in der zweiten Hälfte Punch entwickelte. "Konni war im zweiten Durchgang sehr griffig, sehr aggressiv, hatte viele Ballgewinne. In zwei Situationen können wir Konter über ihn bisschen sauberer ausspielen und noch mehr Tore machen", analysierte der Coach. Das klang nicht danach, als wäre er mit einem Wechsel einverstanden. Wenn es nach Tedesco geht, übernimmt er auch beim nächsten Aufeinandertreffen im Januar die Bewertung von Laimers Leistung - und nicht Nagelsmann.
Quelle: ntv.de