Fußball

Grusel-Marsch und Gewalteklats Der ewige Fan-Horror von Dynamo Dresden

FEld in Flammen.

FEld in Flammen.

(Foto: IMAGO/Jan Huebner)

Der größte Horror blieb aus und dennoch macht das Verhalten einiger Fans von Dynamo Dresden beim Relegations-Rückspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern fassungslos. Der Abstieg des Giganten aus Sachsen wird überschattet von Pyro-Eklats und einem Sturm der Fans ins Stadioninnere.

Irgendwann in der Nachspielzeit, die Abwehr von Dynamo Dresden hatte sich mittlerweile komplett aufgelöst, sprinteten drei Spieler des 1. FC Kaiserslautern auf das Tor vor dem berüchtigten K-Block zu. Über das, was das Trio mit dem Ball veranstaltete, lohnt es nicht weiter zu berichten. Wohl aber über das, was parallel auf den Tribünen geschah. Eine brennende Fackel wurde aufs Feld geworfen.

Diese Szene am späten Dienstagabend war vielleicht der erschütterndste Beweis dafür, wie völlig enthemmt und unkontrollierbar Teile der Dresdner Fanszene sind. Schon in den Minuten zuvor, nachdem die Gäste aus der Pfalz das entscheidende 2:0 in diesem Relegationsduell erzielt hatten, waren die allerletzten Sicherungen bei einigen, nicht wenigen, Anhängern durchgeknallt.

Massenweise Bengalos flogen aufs Feld, Kanonenschläge wurden gezündet und auf der eigenen Tribüne kleine Feuer gelegt. Ein schockierender Irrsinn. Leider einer mit Ansage. Schon der Auftakt in diesen Abend war grenzwertig. Als Choreografie hatte sich ein mächtiges Banner entrollt, es zeigte einen aggressiven Hund an der Leine, mit gefletschten Zähnen. Man muss da nicht zu viel reininterpretieren – man kann aber. Die Dynamo-Anhänger, sie können so leidenschaftlich sein, anpeitschend, beflügelnd für die Fußballer. Aber sie können auch einschüchternd sein, aggressiv, hemmungslos.

Immer wieder kippt die Stimmung

Allein die jüngere Geschichte liefert zahlreiche Belege dafür. Im vergangenen Sommer, als der Gigant aus Sachse aus der 3. Liga (dorthin geht es nun wieder zurück) aufgestiegen war, kam es zu schweren Krawallen zwischen Hooligans und Polizisten. Pyrotechnik, Glasflaschen, Steine flogen. Wegen der damals noch geltenden Corona-Schutzverordnung sollte ein Massenansturm am Stadion beim letzten Heimspiel der Saison unbedingt verhindert werden. Vermummte versuchten die Absperrung zu durchbrechen.

Auch erschütternd und einschüchternd: Der gruselige Camouflage-Fanmarsch in Karlsruhe vor fünf Jahren. Das Thema: "Football Army Dynamo Dresden". Mehrere Menschen wurden verletzt. 2016, als der Verein aus der 3. Liga aufgestiegen war, eskalierte die Lage erneut. Der gewaltbereite Teil der Gemeinde war beim Ostrivalen 1. FC Magdeburg erst durch massive Ausschreitungen vor dem Stadion aufgefallen, dann wurden während und nach dem Spiel nicht nur Böller und Nebelbomben gezündet, sondern auch drei Raketen in einen Magdeburger Block abgefeuert. Dem Klub blieb nichts anderes übrig, als die Eskalation der Anhänger zu verurteilen. Im gleichen Jahr noch das: Beim Pokalspiel zwischen Dynamo und dem verhassten Systemrivalen RB Leipzig fliegt der Kopf eines Bullen in Richtung Spielfeld. Eine neue Dimension der Entgleisung. Der Klub verurteilte die Aktion - wieder mal.

Und das taten sie auch nun nach dem Abstieg wieder. Der Dresdner Geschäftsführer Jürgen Wehlend bekannte in einem Statement auf der Klub-Homepage: "Bei allem Verständnis für diesen Frust, den alle Beteiligten im Verein teilen und genauso fühlen, ist das Verhalten einiger Dynamo-Fans gegen Ende des Spiels und im Besonderen danach völlig inakzeptabel." Denn mit den Zündeleien auf den Rängen war das Ende der Eskalation nicht erreicht, auch wenn der befürchtete Platzsturm ausgeblieb.

Chaoten dringen in Kabinentrakt vor

Einer Gruppe von aggressiven Anhängern gelang es, gewaltsam in den Kabinentrakt einzudringen. Dorthin hatte sich die enttäuschte Mannschaft nach dem Schlusspfiff direkt verzogen. Auch aus Angst vor einer womöglich noch aggressiveren Reaktion der Fans verzichteten die Spieler auf einen Gang in die Kurve, aus der sie lange Zeit, auch das gehört zur Wahrheit, die bedingungslose Unterstützung erhalten hatten. Beim Sturm der Fans in den Kabinen-Bereich wurden später schließlich zwei Ordner verletzt, Spieler, Betreuer und Mitarbeiter bedroht. Sie blieben unverletzt. Auch der zur Abfahrt bereitstehende Bus wurde von den Chaoten angegriffen.

Wieder einmal wurde "eine Grenze" (Wehlend) überschritten. Wieder einmal steht Dynamo nicht nur vor den Scherben des Abstiegs, sondern auch erschrocken vor der Gewaltbereitschaft einiger Anhänger. Nun hat der Klub dieses Schicksal nicht exklusiv. In leider noch guter Erinnerung ist die Jagd einiger Fehlgeleiteter auf Spieler und Betreuer des FC Schalke 04 auf dem Arenagelände nach dem Abstieg aus der Bundesliga im vergangenen Jahr. Oder die aggressiven Ausschreitungen beim Zweitligaspiel zwischen dem FC St. Pauli und Hansa Rostock. Die Liste lässt sich beliebig lang fortsetzen. Hertha BSC kennt diese Probleme, der 1. FC Köln, der VfL Bochum mit seinen Becherwerfern. Auch die Fans aus Kaiserslautern benahmen sich in Dresden in Teilen arg asozial, eine Leuchtrakete landete in einem angrenzenden Familienblock.

Aber immer wieder im Mittelpunkt: Dynamo. Welche Strafe für die Ausschreitungen droht, das wird noch entschieden. Aber sie dürfte für die Wiederholungstäter wohl nicht glimpflich ausfallen. Ein Nebenschauplatz, den es beim Neuaufbau des wieder mal gefallenen Riesen eigentlich nicht braucht. Und der Umbruch muss und wird umfassend werden. Das Image des Klubs? Angegriffen, trotz der gigantischen Strahlkraft. Ob sich das auch auf Entscheidungen von potenziellen Neuzugängen auswirkt?

19 Spiele in Folge (!) ohne Sieg zeugen davon, dass sich reichlich Dinge ändern müssen, um wieder in die Spur zu kommen. Die Verantwortlichen gestanden sich massive Fehler ein. Es gebe bei einem Abstieg "wenig Argumente, zu sagen, dass man viel richtig gemacht" habe, sagte Sportgeschäftsführer Ralf Becker. Trainer Guerino Capretti, dessen Job arg gefährdet ist, gab schwer gezeichnet zu: "Am Ende muss man sagen: Es war zu wenig."

Quelle: ntv.de, tno

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